Wir lassen Pferde einschläfern, weil wir annehmen, dass sie dabei nicht leiden und einen schnellen, schmerz- und stressfreien Tod haben. Wissenschaftler haben nun untersucht, ob das tatsächlich so ist.
Sein geliebtes Pferd einschläfern zu lassen ist zweifellos die schwerste Entscheidung im Leben eines Pferdebesitzers. Seinem Tierarzt zu erlauben, sein Pferd einzuschläfern, ist belastend und herzzerreißend – selbst wenn man weiß, dass es die richtige und in den vorliegenden Umständen einzige Möglichkeit ist, seinem Pferd Schmerzen und weiteres unnötiges Leiden zu ersparen.
Ein sanfter Tod?
Wir geben unser Einverständnis zu diesem letzten, endgültigen und unwiderruflichen Schritt aber nur, weil wir wissen bzw. mit Gewissheit annehmen dürfen, dass das Pferd dabei nicht leidet und im Idealfall innerhalb weniger Augenblicke sein Bewusstsein und in der Folge sein Leben verliert – ohne Stress, ohne Angst und ohne Todeskampf.
Ist das aber auch tatsächlich so – hält die Prozedur des Einschläferns tatsächlich, was sie a priori verspricht? Eine Gruppe von Wissenschaftlern hat diese Frage näher untersucht – und wollte insbesondere herausfinden, zu genau welchem Zeitpunkt im Verlauf des Sterbeprozesses die elektrische Aktivität des Herzens sowie die Hirnstammfunktionen aufhören.
„Einschläfern ist ein Begriff, der das Beenden des Lebens eines Tieres auf eine schmerzlose und möglichst stressfreie Art beschreibt“, so die Leiterin der Forschungsgruppe, die Veterinärmedizinerin Monica Aleman, Fachärztin für innere Medizin und Neurologie der University of California, Davis/William R. Pritchard Veterinary Medical Teaching Hospital. Ihre Hypothese war, dass der Hirntod bei einzuschläfernden Pferden bereits kurz nach Verabreichung der Injektion eintritt – noch bevor die elektrischen Aktivitäten des Herzens aufhören.
Studien-Parameter
Aleman und ihre Kollegen haben bei insgesamt 15 einzuschläfernden Pferden wesentliche physiologische Parameter (Herzschlagrate und -rhythmus) gemessen, aber auch Hirnstammfunktionen (Hornhaut-, Lid- und Pupillenreflexe sowie akustisch hervorgerufene Hirnstammreaktionen, kurz BAER genannt) und elektrische Aktivität im Herz (EKG, Herzspannungskurve) und in der Großhirnrinde. Der Verlust der elektrischen Aktivität in der Großhirnrinde und BAER sind Hinweise auf Hirntod.
Das Protokoll, das die Autoren der Studie verwendeten, deckte sich mit jenem, wie praktische Tierärzte in der Regel Einschläferungen durchführen, es beinhaltete das Platzieren eines intravenösen Katheters in der Drosselvene um Sedativa zuzuführen zur Stressminderung, und für die schnelle Verabreichung von Pentobarbital (77 bis 109 mg/kg, oder ca. 100 ml für Pferde über 400 kg). Pentobarbital ist kein Gift im eigentlichen Sinn, sondern ein Barbiturat, sprich: ein Narkose- bzw. Betäubungsmittel, das stark überdosiert wird.
Die Ergebnisse
Die Forscher konnten im Rahmen ihrer Untersuchung Folgendes feststellen:
– Die durchschnittliche Zeit für die Verabreichung von Pentobarbital betrug 46,8 Sekunden.
– Sichtbares und hörbares Atmen war bei Ende der Spritze nicht mehr wahrzunehmen.
– Elektrische Aktivität in der Großhirnrinde verschwand zuerst, entweder während der Verabreichung des Medikaments, oder innerhalb von 52 Sekunden nachdem die Spritze gegeben wurde.
– Hirnstammreflexe verschwanden als Zweite nach dem Verlust der elektrischen Aktivität der Großhirnrinde, dicht gefolgt von BAER.
– Innerhalb einer Minute waren Herzschläge nicht mehr hörbar, ein Puls an der Hauptader war nicht mehr festzustellen.
– Die elektrische Aktivität des Herzens (EKG) war die letzte, die verschwand; das Team glaubt, dass dies der Fall ist, da das Herz seine letzten Energiereserven aufbraucht, was unvollständige Kontraktionen hervorruft (da ja keine Herzschläge und kein Puls mehr festzustellen waren).
Resümee
„Diese Ergebnisse beweisen, dass eine Überdosis Pentobarbital durch eine schnelle intravenöse Injektion eine effektive, schnelle und humane Methode des Einschläferns ist, da der Hirntod zwischen 73 und 261 Sekunden nach der Injektion eintritt“, schlussfolgerte Aleman. „Auch wenn noch letzte elektrische Aktivitäten des Herzens feststellbar sind, ist der Hirntod bereits eingetreten.“
Das bedeutet, dass Pferdebesitzer und Tierärzte, die der schweren Aufgabe gegenüberstehen, ein Pferd einzuschläfern, sich mit der Tatsache trösten können, dass die Prozedur des Einschläferns, wenn sie korrekt und fachgerecht durchgeführt wird, schnell, schmerzlos und – soweit das beurteilt werden kann – auch ohne Angst und Stress für das Pferd erfolgt.
Die Studie „Cerebral and brainstem electrophysiologic activity during euthanasia with pentobarbital sodium in horses” („Die elektrophysiologische Aktivität von Herz und Hirnstamm von Pferden während des Einschläferns mit Pentobarbital“) wurde im Journal of Veterinary Internal Medicine veröffentlicht.