Der Schwede Patrik Kittel hätte mit seiner elfjährigen Stute Deja die abschließende Musikkür beim CDI Vidauban souverän gewonnen – doch dann entdeckte Chefrichter Dr. Jean-Michel Roudier Blut am Maul des Pferdes: Disqualifikation!
Ein unglückliches Ende erlebte der Schwede Patrik Kittel beim CDI im französischen Vidauban (11.–15. März), das zur World Dressage Masters-Serie zählt. Nachdem er bereits am Freitag den Grand Prix seiner elfjährigen Warmblutstute Deja souverän für sich entschieden hatte (76,120 %), galt er für die abschließende Grand Prix Musikkür am Sonntag als haushoher Favorit. Und er wurde dieser Rolle auch vollauf gerecht, zeigte mit der eleganten, leichtfüßigen schwedischen Stute eine nahezu fehlerlose und ausdrucksstarke Vorstellung – und auf der Anzeigetafel wurde nach seinem Ritt eine Bewertung jenseits der 82 % angezeigt. Doch die Freude währte nur kurz: Chefrichter Dr. Jean-Michel Roudier stoppte Patrik Kittel unmittelbar nach seinem Ritt und entdeckte roten Schaum beim Maul von Deja, was nach dem FEI-Reglement unweigerlich die Disqualifikation bedeutet, die auch sofort ausgesprochen wurde.
So ging der Sieg an die Italienerin Valentina Truppa mit Chablis, die sich hauchdünn gegen den Deutschen Thomas Wagner mit dem Hannoveraner Amoricello durchsetzen konnte: Beide Paare kamen auf eine Endnote von 74,925 % – so musste die höhere B-Note entscheiden, und die hatte Valentina Truppa. Platz drei ging an eine weitere Deutsche, nämlich Bernadette Brune mit ihrer Oldenburger Stute Spirit of The Age mit 73,575 %.
Patrik Kittel: „Ich unterstütze die Blut-Regel!"
Patrik Kittel, der bereits des öfteren in die Schlagzeilen geraten war und in der Dressurwelt viele Fans, aber auch zahlreiche Kritiker hat, zeigte sich diesmal handzahm und nahm die Disqualifikation kritiklos hin. Auf seiner Facebook-Seite nahm er in ungewöhnlich emotionaler Weise zu dem Vorfall Stellung: „Das ist einer der traurigsten Tage in meinem Leben. Deja hat in Regen und Sturm die beste Prüfung ihrer Karriere gezeigt und ihr neues Kürprogramm fehlerfrei präsentiert. Nach Ende der Prüfung war ich glücklich wie noch nie, aber dann kam Mr. Roudier zu uns und sagte, dass ein wenig Blut an ihrem Maul zu sehen wäre. Deja ist das ,weichste' Pferd, das ich je geritten bin – und ich habe nur eine einzige Erklärung für diesen Vorfall, nämlich dass es passiert ist, als Deja vor einem Regenschirm erschrak und ein wenig zur Seite sprang. Auf der Anzeigetafel wurde eine Bewertung von 82,5.. angezeigt. Als wir das Viereck verließen, war nichts auf Dejas Maul zu sehen. Ich persönlich unterstütze die Blut-Regel voll und ganz. Ich hatte schon so viele Anrufe und Nachrichten – aber ich kann nur sagen, dass ich kaum aufhören kann zu weinen, gebt mir bitte nur mehr Zeit... Ich möchte Deja für eine wunderbare Kür danken – und Marie Haward, die mir immer zur Seite steht, auch Lyndal und Miss Marie und allen meinen Unterstützern: Ihr seid meine Felsen, auch wenn's mir schlecht geht, baut ihr mich wieder auf – mehr als ihr Euch vorstellen könnt! Ich liebe Euch, Patrik"
Hintergrund: Die „Blood Rule" der FEI
Die Einführung der sogenannten „Blood Rule" (,Blut-Regel') hielt die Dressur-Community lange Zeit in Atem und stellte die FEI – und auch andere Pferdesportverbände – vor eine gehörige Zerreißprobe. Ausgelöst wurde die Debatte durch die Disqualifikation von Adelinde Cornelissens Pferd Parzival bei den Weltreiterspielen in Kentucky 2010, nachdem blutiger Schaum an Parzivals Maul zu sehen war. Richter Stephen Clarke wurde daraufhin vom niederländischen Nationaltrainer Sjef Janssen kritisiert, dass die Disqualifikation überzogen und durch die FEI-Regeln nicht gedeckt gewesen wäre. Tatsächlich gab es bis zu diesem Zeitpunkt keine eigene Regel im Dressursport, die exakt festgelegt hätte, wie zu verfahren sei, wenn Blut am Pferdekörper festgestellt wird. Es war jedoch jahrelange und mit guten Gründen angewendete Praxis, bei Blut am Pferd eine sofortige Disqualifikation zum Schutz des Pferdes auszusprechen, wie dies auch Richter Stephen Clarke in Kentucky 2010 getan hat. Clarke konnte sich dabei auf den Artikel 430.7.6 der ,Allgemeinen Bestimmungen' berufen, der eine Disqualifikation dann erlaubt, wenn die Fortsetzung des Ritts dem Wohl des Pferdes zuwiderläuft.
Um ähnliche Diskussionen künftig zu vermeiden, wollte die FEI jedoch klar und unmissverständlich regeln, was genau zu tun sei, wenn Blut am Pferd festgestellt wird und beschloss schließlich auf ihrer Generalversammlung im November 2012 – nach vielen Diskussionen, Protesten, Tierschutz-Petitionen uvam – jenen Passus in den ,Allgemeinen Bestimmunge', der als ,Blood Rule' in die Geschichte einging und seither Gültigkeit hat. Dieser lautet: „Blut: Wenn der Richter bei C den Verdacht hat, dass das Pferd während der Prüfung an irgendeiner Körperstelle blutet, unterbricht er die Prüfung und untersucht das Pferd. Wenn er frisches Blut am Pferd feststellt, ist das Pferd auszuschließen. Dieser Ausschluss ist endgültig. Sollte sich bei der Untersuchung herausstellen, dass kein frisches Blut am Pferd erkennbar ist, darf das Pferd die Prüfung fortsetzen und beenden.Wenn das Pferd nach obigem Verfahren ausgeschlossen wurde, oder wenn es sich während der Prüfung verletzt hat und danach zu bluten beginnt, ist es vor der nächsten Prüfung von einem FEI-Tierarzt zu untersuchen, der feststellt, ob das Pferd fit ist, um am nächsten Tag bzw. an den nächsten Tagen weiter am Wettkampf teilzunehmen. Gegen die Entscheidung des Tierarztes ist kein Einspruch möglich." (Hier der englische Original-Text: „Bleeding: If the Judge at C suspects fresh blood anywhere on the horse during the test, he will stop the horse to check for blood. If the horse shows fresh blood, it will be eliminated. The elimination is final. If the Judge through examination clarifies that the horse has no fresh blood, the horse may resume and finish its test. If the horse is eliminated pursuant to the above, or if the horse is injured during the test and starts bleeding after finishing the test, it should be examined by an FEI Veterinarian prior to the next Competition to determine if it is fit to continue in the Event the following day(s). The decision of the FEI Veterinarian is not subject to appeal."