Seit rund einem Jahr ist in Australien das Clippen der Tasthaare an Schnauze und Ohren bei Turnierpferden aus Tierschutzgründen verboten. Wie eine nun veröffentlichte Umfrage zeigt, stößt dieses Verbot aber auf erstaunlich große Skepsis unter Pferdebesitzern – nur 30 % waren mit der Einführung einverstanden, und 42 % gaben an, die Tasthaare bei ihrem Pferd zuvor gekürzt zu haben.
Im Juli 2022 wurde in Australien ein Verbot des Kürzens bzw. Clippens der Tasthaare an Maul und Ohren-Innenseite eingeführt. Eine Umfrage, die unmittelbar vor Inkrafttreten – exakt im Zeitraum von 21 September bis 12. November 2021– durchgeführt und nun veröffentlicht wurde. zeigt, dass nur 30 % der befragten Turnierpferdebesitzer mit dem Verbot einverstanden waren.
Obwohl dies eine gängige Praxis ist, haben mehrere große Pferdeverbände weltweit, darunter auch Australien, diese Praxis aus Gründen des Tierschutzes bei Wettbewerben verboten. Denn die Tasthaare um Schnauze und Augen haben für Pferde wichtige Sinnesfunktionen: Sie werden benötigt, um etwa die Beschaffenheit von Gras zu erkennen und das räumliche Bewusstsein und die Orientierung zu unterstützen, die durch tote Winkel vor der Stirn und unter der Nase eingeschränkt ist.
Die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) war der erste Verband, der 1998 das Abschneiden von Tast- und Ohrenhaaren bei Turnierpferden verbot und damit für unzulässig erklärte. Die FEI erließ im Juli 2020 ein Verbot, mit Ausnahme der Fälle, in denen einzelne Tasthaare von einem Tierarzt entfernt werden müssen, um Schmerzen oder Beschwerden beim Pferd vorzubeugen. British Dressage verbot in einer Regeländerung von 2022 das Schneiden bzw. Rasieren der Tasthaare mit folgender Begründung: „Das Trimmen der Sinneshaare des Pferdes um Mund, Nase, Augen und Ohren ist nicht erlaubt, da dies die sensorischen Fähigkeiten des Pferdes beeinträchtigen könnte.“
In ihrer Studie befragten Wissenschaftler der University of Adelaide und der University of Newcastle 422 Pferdebesitzer aus Australien, von denen 357 (= 84,6 %) mit ihren Pferden an Turnieren teilnahmen. Allgemeine Reitklassen (,Showing and Hacking’) nach britischem Vorbild waren dabei die beliebteste Wettkampf-Art (36,3 %). (Hinweis der AutorInnen: In manchen Ländern bezieht sich „Hacking“ auf Freizeitreiten. In Australien werden aber viele Turnierveranstaltungen allgemein als „hacking“ bezeichnet – und ein ,show hack’ ist ein leichtgewichtiges Pferd im Gegensatz zu einem ,hunter hack’, bei dem es sich um ein eher kräftiges, schwereres Showpferd handelt.) In der Disziplin ,Dressur’ waren 25,6 % der Befragten aktiv, in der Vielseitigkeit 16,6 %, in gemischten Bewerben 10,9 % und in sonstigen Disziplinen (Rodeo, Rennen, Fahren etc.) 5,9 %.
Die meisten Befragten waren zum weitaus überwiegenden Teil weiblich (96 %) und lebten vorwiegend in Südaustralien (56 %). Die Altersspanne reichte von der Altersgruppe 18–24 bis zur Gruppe der 55–64-Jährigen. Nur 6,9 % der Umfrage-TeilnehmerInnen waren über 65 Jahre alt. Bei den Pferden handelte es sich größtenteils um Vollblutpferde (24 %), danach folgten australische Reitponys, Warmblut und Quarter Horses als häufigste Rassen.
Ziel der Studie war es, den Anteil der Pferdebesitzer, die Gesichtshaare von Pferden (Ohr- und Schnauzenhaare) schneiden, in den verschiedenen Reitdisziplinen in Australien zu bestimmen, die Arten der Gesichtshaare zu bestimmen, ob Pferde beim Trimmen festgehalten wurden, und Einstellungen im Zusammenhang mit dieser Praxis.
Die Ergebnisse fielen einigermaßen ernüchternd aus – und zeigen, dass unter den befragten PferdebesitzerInnen das Clippen der Tasthaare weit verbreitet war:
– Auf die Frage, ob sie derzeit die Ohren- oder Schnauzenhaare ihres Pferdes kürzen, antworteten 176 der 422 Befragten (= 42 %) mit „Ja“, wobei 34 % die Schnauzenhaare und 50 % die Ohrenhaare kürzten. Die meisten Befragten ließen sich kurz vor einem Wettkampf die Haare schneiden (84 %). Vor allem in den allgemeinen Reitklassen (,showing and hacking’) war die Quote besonders hoch – hier gaben nicht weniger als 76,2 % an, die Tasthaare an der Schnauze zu kürzen.
– Befragte in dieser Gruppe stimmten auch in besonders hohem Maße zu, dass das Trimmen der Schnauzenhaare eine normale Praxis in ihrer Disziplin sei (87,8 %). Sie waren zudem auch überwiegend (70,1 %) der Meinung, dass Pferde mit geclippten Schnauzenhaaren „besser aussehen“ würden als Pferde ohne diesen Eingriff – und dass Pferde mit gekürzten Schnauzenhaaren bessere Chancen hätten, im jeweiligen Bewerb zu gewinnen (65,3 %).
– Auch die Zustimmung zu einem generellen Verbot des Clippens von Tasthaaren war in dieser Gruppe mit nur 22,9 % am weitaus geringsten. Alle anderen Disziplinen-Gruppen befürworteten mehrheitlich ein Verbot – mit Zustimmungs-Raten zwischen 60,5 und 84,6 %.
– In der Gruppe ,showing and hacking’ glaubten auch besonders viele Befragte, dass Pferde für das tägliche Leben keine Schnauzen- oder Ohrenhaare brauchten – 57,1 % stimmten dem zu, in allen anderen Gruppen lag dieser Wert lediglich zwischen 7,7 und 19 %.
Die Co-Autorin der Studie, Dr. Kirrilly Thompson von der University of Newcastle, sagte, die Ergebnisse würden wertvolle Einblicke geben, wie weit das Clippen von Schnauzen- und Ohrenhaaren bei Pferden in einigen Pferdedisziplinen vor der Einführung des Verbots in Australien verbreitet war – und welche Gründe und Einstellungen in der Pferde-Community zum Clippen der Tasthaare von Pferden vorherrschen. Sie betonte, dass es nur wenige Studien darüber gebe, wie PferdebesitzerInnen generell zu dieser Praxis stehen und wie genau sie im Alltag durchgeführt werde.
Hauptautorin Dr. Susan Hazel von der University of Adelaide wies zudem darauf hin, dass weitere Studien erforderlich seien, um festzustellen, ob und wie sich die Praxis und die Einstellung zum Gesichtshaarschneiden bei Pferden mit der Durchsetzung des Verbots verändert hätten. Und sie betonte: „Die Ergebnisse der vorliegenden Studie können jedoch auch hilfreich sein, um andere, nicht regulierte Präsentationspraktiken von Pferden zu verstehen und anzugehen, die das Wohlergehen beeinträchtigen können, wie etwa das Abschneiden von Haaren aus der Innenseite der Ohren und das „Ziehen“ von Mähne und Schweif.“
Vor allem zeigt die Studie, dass die Verbände unter ihren eigenen Mitgliedern noch viel Aufklärungs- und Informationsarbeit zu leisten haben – und sich viele Mythen und anekdotische Annahmen (etwa dass die Tasthaare bei Pferden keine Funktion haben) oft mit erschreckender Hartnäckigkeit halten …
Die Studie „What’s the fuzz: The frequency, practice and perceptions of equine facial hair trimming revealed in survey of horse owners in Australia" von Susan Hazel, Carly Holman und Kirrilly Thompson ist am 15. Juni 2023 in der Zeitschrift ,Human-Animal Interactions' erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.