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Frustration und Enttäuschung sind auch bei Pferden nicht dasselbe
11.06.2023 / News

Die Mimik von Pferden ist ausgeprägter und feiner als bislang vermutet – das hat ein Forscher-Duo in England in einer bemerkenswerten Studie nachgewiesen: Sie konnten zeigen, dass Pferde zwischen Frustration und Enttäuschung genau differenzieren und sich dies auch in ihren Gesichtsausdrücken beobachten lässt – wenn man genau genug hinschaut.


„Es gibt gute Gründe anzunehmen, dass Pferde in einer emotional komplexen Welt leben“, so die AutorInnen Claire Ricci-Bonot und Daniel Simon Mills in der Zeitschrift ,Applied Animal Behavior Science'. „Sie sind im Allgemeinen gesellige Tiere, die in einem komplexen sozialen System leben und in der Lage sind, über subtile visuelle Signale mit anderen zu kommunizieren.“ Dazu gehören etwa Augenrichtung, Ohrposition und Gesichtsausdruck. Das Forscher-Duo wies auch darauf hin, dass Pferde häufig negative emotionale Zustände aufweisen, die aber vom Menschen nicht immer erkannt werden. Ein Großteil unseres Verständnisses von Pferdeausdrücken basiert eher auf Anekdoten als auf wissenschaftlichen Beweisen, so ihr Befund.

Sie machten sich daran, potenzielle Gesichtsmarker für emotionale Zustände zu identifizieren, indem sie 31 Pferde unterschiedlichen Geschlechts (1 Hengst, 10 Wallache sowie 20 Stuten) und verschiedener Rassen im Alter zwischen 2 und 23 Jahren verwendeten. Pferde wurden darauf trainiert, in einer standardisierten Stallumgebung auf eine Futterbelohnung zu warten. Futterpellets wurden in einer speziell präparierten Futterbox unter einer durchsichtigen Plexiglasabdeckung platziert, die nach 10 Sekunden zurückgeschoben wurde, um dem Pferd den Zugang zum Futter freizugeben.

Die Versuchs-Anordnung: Eine speziell präparierte Futterbox gab unter einer transparenten Plexiglas-Abdeckung eine Futterbelohnung frei – oder auch nicht. Grafik: Claire Ricci-Bonot et.al.

 

Sobald sie sich an die Box gewöhnt hatten und nach 10 Sekunden mit dem Futter gerechnet hatten, wurden sie drei verschiedenen Test-Situationen ausgesetzt:

– Es gab die Phase, in der sie die Belohnung erwarteten, was als positiver emotionaler Zustand angesehen wurde („Erwartungsphase").
– Dann gab es eine „Frustrationsphase“, in der sie eine Minute lang auf die Futterbelohnung warten mussten, dann wurde das Plexiglas zurückgeschoben und sie konnten fressen.
– Die „Enttäuschungsphase“ bestand darin, dass zwar Zugang gewährt wurde, aber kein Essen verfügbar war. Die beiden letztgenannten Situationen galten als negative emotionale Zustände.

Alle Interaktionen wurden für eine spätere Auswertung und Analyse auf Video aufgezeichnet. Die Untersuchung der Videoaufzeichnungen von Gesichtsausdrücken wurde mit dem „Horse Facial Action Coding System" (EquiFACS) durchgeführt, einem objektiven System zur Kodierung von Gesichtsbewegungen auf der Grundlage der Kontraktion der darunter liegenden Muskeln sowie ihres Verhaltens.

Spezifische, mit Vorfreude verbundene Gesichtsmerkmale konnten nicht charakterisiert werden. Sie fanden jedoch heraus, dass sich das Auftreten von neun Handlungen und Verhaltensweisen deutlich zwischen den beiden Situationen unterschied, von denen vorhergesagt wurde, dass sie während der Fütterungsperiode Frustration und Enttäuschung hervorrufen würden.

Im Vergleich zur Enttäuschung zeigte sich, dass die Pferde bei Frustration dazu neigten, mehr Weißes in ihren Augen zu zeigen, ihre Ohren stärker drehten und eher dazu neigten, ihren Kopf nach links zu wenden. Im Gegensatz dazu war die Tendenz, mehr zu blinzeln, die Nase zu heben, mehr die Zunge zu zeigen und mehr Kauverhalten zu zeigen, die Kennzeichen der Enttäuschung. Es bestand auch die Tendenz, das Futter abzulecken.  In der Frustrationssituation war die Wahrscheinlichkeit, dass Pferde in den Futternapf beißen, höher als in der Enttäuschung. Die AutorInnen fanden auch einen geschlechtsspezifischen Effekt: Stuten blinzeln in der Enttäuschungsphase häufiger als männliche Tiere.

Spannende Beobachtungen: Sowohl für den Zustand ,Frustration' als auch ,Enttäuschung' (Disappointment) konnten eindeutige Gesichts- und Verhaltensmerkmale definiert werden. Grafik: Claire Ricci-Bonot et.al.

 

Dazu die ForscherInnen: „Diese Veränderungen der Mimik und des Verhaltens könnten auch mit der Wahrnehmung der Situation durch das Pferd zusammenhängen: durch Sehen (Sehen des Futters durch die transparente Plexiglasscheibe), Geräusche (Hören des Futters, das in die Holzkiste fällt) oder Geruch (Riechen von Rückständen). Pelletfutter). Gesichtsausdrücke, die auf Vorfreude hinweisen, konnten jedoch nicht nachgewiesen werden, und so werfen diese Ergebnisse die wichtige Frage auf, ob die Zeit vor dem Füttern ein positives Ereignis für Pferde ist.“

Insgesamt zeige ihre Forschung, so die AutorInnen zusammenfassend, wie spezifische Maßnahmen des Gesichtsausdrucks bei Pferden möglicherweise zur Differenzierung ihres emotionalen Zustands eingesetzt werden könnten: „Die Ergebnisse verdeutlichen, dass es unterschiedliche Qualitäten einer bestimmten emotionalen Wertigkeit (Frustration und Enttäuschung) geben kann, die sich von den zu diesem Zeitpunkt gezeigten Gesichtsausdrücken unterscheiden lassen. Wir müssen jedoch betonen, dass unser Ergebnis möglicherweise auf die Ernährungssituation beschränkt ist und daher weitere Forschung erforderlich ist.“

Die Studie „Recognising the facial expression of frustration in the horse during feeding period" von Claire Ricci-Bonot und Daniel Simon Mills erscheint im August 2023 in der Zeitschrift ,Applied Animal Behavior Science' und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.

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