Deutsche WissenschaftlerInnen haben einen vielversprechenden therapeutischen Antikörper entwickelt, der Pferden helfen könnte, die vom Sommerkezem – einer Überempfindlichkeit gegen Insektenstiche – betroffen sind.
Das Sommerekzem entsteht infolge einer allergischen Reaktion auf die Bisse von Insekten (Stechmücken der Gattung Culex, Gnitzen oder Kriebelmücken) und ist mittlerweile die häufigste allergische Hauterkrankung bei Pferden. Es ist eine chronisch wiederkehrende, saisonale Krankheit, die weltweit – je nach Region, Rassenzugehörigkeit und Insektenbelastung – zwischen 3 % und 60 % der Pferde betrifft und zudem eine erbliche Komponente hat.
Die allergische Reaktion auf den Insektenspeichel führt anfangs zu kleinen Pusteln und Juckreiz, der sich kontinuierlich verschlimmert. Durch das Scheuern verliert das Pferd an den betroffenen Stellen (insbesondere Schweifrübe, Mähnenkamm und Bauchnaht) immer mehr Haare, es kommt zu offenen und manchmal auch eitrigen Stellen, die sich weiter entzünden und noch mehr Insekten anziehen können: Ein Teufelskreis entsteht.
Die Symptome treten normalerweise vom Frühjahr bis zum Herbst auf. Bisher gibt es keine wirksame Behandlungsoptionen, die ohne Sicherheitsbedenken langfristig angewendet werden können: Eine symptomatische Behandlung mit Glukokortikoiden kann starke Nebenwirkungen haben – und die Anwendung eines Histaminrezeptor-1-Antagonisten zeigte keine Wirksamkeit. Alternativ ist die allergenspezifische Immuntherapie (ASIT) ein vielversprechender Ansatz, muss aber noch weiterentwickelt werden und es fehlen gut definierte Allergene, die in diesem Fall eine Voraussetzung für eine wirksame Behandlung sind, so Nora Langreder und ihre Forscherkollegen vom Institut für Biochemie, Biotechnologie und Bioinformatik der Technischen Universität Braunschweig in ihrer aktuellen Untersuchung. Als effektivste Maßnahme gilt es nach wie vor, den Kontakt mit den Insekten so gut wie möglich zu unterbinden, indem Insektenschutzmittel verwendet bzw. die Pferde in besonders kritischen Zeiträumen eingestallt oder mit schützenden Decken bzw. Masken ausgestattet werden.
Weltweit wird deshalb intensiv an effektiven Behandlungsoptionen – etwa an entsprechenden Impfungen – geforscht. Nora Langreder und ihr Team verfolgten einen spezifischen Ansatz und gingen davon aus, dass die Mückenstiche eine Art allergische Reaktion mit starker Beteiligung eosinophiler Zellen hervorrufen, ausgelöst durch die von den Insekten freigesetzten Speichelproteine (Anmerkung: Esinophile bzw. esinophyle Granulozyten machen etwa 1–5 % der weißen Blutkörperchen (Leukozyten) aus und sind an der zellulären Immunabwehr beteiligt. Ihren Namen haben sie vom Farbstoff Eosin, mit dem sie angefärbt werden können). Daher könnte „die Verwendung eines therapeutischen Antikörpers, der auf Interleukin 5 des Pferdes abzielt, den Hauptaktivator und -regulator von Eosinophilen“ ein sinnvolles Konzept zur Bekämpfung der allergischen Reaktion sein, so die ForscherInnen.
Das Studienteam stellte fest, dass es für Menschen bereits zwei zugelassene Antikörper gegen Interleukin-5, Mepolizumab und Reslizumab, und einen Antikörper gegen die Alpha-Untereinheit des Interleukin-5-Rezeptors (Benralizumab) zur Behandlung von eosinophilem Asthma gibt. „Alle drei Antikörper verhindern die Bindung von Interleukin-5 an seinen Rezeptor und haben sich als wirksam und sicher erwiesen.“ (Anmerkung: Interleukin-5 ist ein spezifisches Molekül, das die Entwicklung und Aktivierung von Eosinophilen reguliert).
Die ForscherInnen schlugen vor, dass eine passive Impfung mit einem gut definierten neutralisierenden monoklonalen Antikörper eine gute Option für Pferde wäre. In ihrer Studie entwickelten sie einen potenziellen Antikörperkandidaten. Sie begannen mit 28 Kandidatenantikörpern und grenzten das Feld auf die beiden vielversprechendsten ein. Die Leistung beider wurde im Labor weiter verbessert.
Die AutorInnen wiesen darauf hin, dass bei der Entwicklung therapeutischer Antikörper viele Aspekte zu berücksichtigen sind. Wichtige Anforderungen sind Sicherheitsprofil, Wirksamkeit, Reinheit, Stabilität, Löslichkeit und Spezifität der Antikörper. "Abschließend", sagten sie, "wir haben erfolgreich einen vielversprechenden Kandidaten ausgewählt, der die allgemein anerkannten Kriterien für therapeutische Antikörper in Bezug auf Hemmungswirksamkeit und Stabilität erfüllt."
Der endgültig ausgewählte Antikörper mit der Bezeichnung NOL226-2-D10 hemmte die Bindung von Interleukin 5 an seinen Rezeptor stark. Dieser therapeutische Antikörper sei ein ausgezeichneter Kandidat für die weitere Untersuchung seines Potenzials zur Behandlung von Pferden mit allergisch bedingten Hauterkrankungen.
Das Resümee der AutorInnen: „Zusammenfassend haben wir erfolgreich einen vielversprechenden Kandidaten ausgewählt, der die allgemein anerkannten Kriterien für therapeutische Antikörper in Bezug auf Hemmungswirksamkeit und Stabilität erfüllt. Darüber hinaus könnte die Verwendung der schweren Kette von eqIgG6 ein neues Konzept für die Entwicklung therapeutischer Antikörper gegen allergische Erkrankungen beim Pferd darstellen, da dieser Isotyp nicht mit den zellulären Komponenten des Immunsystems interagiert und somit die Immunreaktion nicht weiter verstärkt." Das erfolgversprechende Konzept werde nun in In-vivo-Studien zur Behandlung von Pferden mit Überempfindlichkeit gegen Insektenstiche weiter evaluiert, so die ForscherInnen.
Die Studie „Development of an inhibiting antibody against equine interleukin 5 to treat insect bite hypersensitivity of horses" von Nora Langreder, Dorina Schäckermann, Doris Meier, Marlies Becker, Maren Schubert, Stefan Dübel, Thomas Reinard, Stefanie Figge-Wegener, Kristine Roßbach, Wolfgang Bäumer, Simone Ladel und Michael Hust ist am 10. März 2023 in der Zeitschrift ,Scientific Reports' erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden. (doi: 10.1038/s41598-023-31173-y)