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Sicherheit für Pferde und Menschen: Risiko und Gefahren für Kinder
18.02.2023 / News

„Sicherheit für Pferde und Menschen“ ist eine Artikelserie von Dr. Reinhard Kaun, die in unregelmäßiger Folge auf PRO PFERD erscheinen wird und zum Sammeln gedacht ist. Die fachliche Basis stellt die im Jahre 2014 ins Leben gerufene Ausbildung zum „Sicherheitsexperten Pferd“  (Equine Awareness Manager) dar. In Folge 2 geht es um die Risiken und Gefahren, denen Kinder im Umgang mit Pferden ausgesetzt sein können.

 

Er war einer der berühmtesten Reiter seiner Zeit, seine Abenteuer im Sattel galten als wagemutig und tollkühn – seien es Sprünge in einen Steinbruch, Ritte auf den Eisschollen der gefrorenen Donau oder der mächtige Satz über ein Fuhrwerk.

 Im „Sándor – Album“ sind die Szenen von seinem „Leib“-Maler J.G. Prestel festgehalten, der den ungarischen Hocharistokraten  Moritz Graf Sándor von Szlavnicza (1805 – 1878) und dessen Leibpferd Tartar stets begleitete -  und Szenen festhielt, die in unserer Zeit ohne Zweifel als „Überschreitung des tolerierten Risikos“ angesehen würden – Wagemut und Tollkühnheit – die Grenzüberschreitung wohnt diesen Begriffen bereits inne.
Es bedarf keiner großen Menschenkenntnis, anzunehmen, dass der in der Internetbeschreibung als „Sportler“ bezeichnete Graf Sándor Nachahmer gefunden hatte, er war also vermutlich Influencer und hatte Follower – nur die Bandbreite war aus den gesellschaftlichen Gegebenheiten dieser Zeit gering und beschränkt – dies ist in unserer Zeit grundlegend anders: vermeintliche wagemutige und tollkühne Eskapaden (Etymologisches Wörterbuch des Deutschen, dtv 2000: „mutwilliger Streich, falscher Sprung eines Dressurpferdes, unbesonnene Handlung“)   werden medienwirksam angekündigt, unter begeisterter Teilnahme vollbracht und – häufig – unkritisch nachgeahmt. Es wird zunehmend schwerer, an den mündigen und freien Willen aufgeklärter Menschen – auch in der Pferdewelt – zu glauben, wenn der normale Tagesablauf nur mehr mit „Handy-Assistenz“ von Bloggern, Gurus und Influencer zu bewältigen scheint. [Social Media -Zitat: „Schön langsam geht mir die Bevormundung auf die Nerven. Ach, wie haben wir damals überlebt, als es noch kein Händy (sic!) gab?“]. Vorbilder zu haben, ist keineswegs verwerflich, sofern das „Vorbild“ ein „Gesamtbild“ ist und nicht ein aus Scherben lückenhaft zusammengesetztes Mosaik – die Bedeutung solcher Betrachtungsweise ist für Umgang, Verkehr und Sport mit Pferden von essentieller Bedeutung.
Die Realität sieht aber anders aus, man kann auswählen:
– Springspezialisten
– Dressurspezialisten
– Fahrspezialisten
– Voltigierer
– Spezialist für Schnürlhalfter, Führstricke und spezielle Gerten
– Gurus für Bodenarbeit
– MeisterInnen der Kommunikation mit Pferden
– Ratgeber für Pferde mit psychischen Problemen (die darüber „reden“ wollen)
– Pferdetrainer im Nebenberuf
– …und nicht zu vergessen, die „Flüsterer“!
Die Liste ließe sich lange fortsetzen.
 
Pferde sind jedoch nicht teilbar, zweifelsfrei kann man je nach Begabung manche „Talente“ besonders fördern – jedoch im entscheidenden Moment der Gefahr bleibt ein Pferd ein Pferd – ungeachtet besonderen Könnens auf einzelnen Gebieten – die hippologische Wissenschaft nennt es die „Besondere Tiergefahr beim Pferd“, die in vielen Artikeln und Aufsätzen vom Autor immer wieder dargestellt wurde.

Gestütsparade in einem Privatgestüt in MVP

 

 

Als Hasardeur wird ein Mensch bezeichnet, der leichtsinnig und im Vertrauen auf sein Glück Risiken in Kauf nimmt und Alles aufs Spiel setzt, ohne Rücksicht auf andere Lebewesen [DUDEN: Das Fremdwörterbuch, 5., 1990] – Menschen und Pferde – Hasardeure haben in der Nähe von Pferden nichts verloren!
Der Autor sieht hier eine zeitgemäße und veritable Chance für Gurus, Blogger und Influencer als positive Verkünder eines Sicherheitsgedankens – in Wort und Bild – segensreich tätig zu sein.

 


Social Media: „Schlimm, aber Unfälle passieren und ich denke, dessen sollte sich jeder der reitet oder ähnliche Sportarten betreibt, bewusst sein.
Dann immer nach einem Schuldigen zu suchen, finde ich grenzwertig, denn solche Unfälle möchte keiner. Schuldzuweisungen helfen keinem.“

– Ungeklärte oder unklare Todesfälle oder schwere Verletzungen müssen in Österreich von Amts wegen aufgeklärt werden – es kann nicht einfach achselzuckend zur Tagesordnung übergegangen werden.
– Die Ermittlungsorgane Polizei und Staatsanwaltschaft klären in der Regel mithilfe Sachverständiger auf, ob ein strafrechtlich relevantes Verhalten kausal für den Tod eines Menschen war.
– Wird diese Frage bejaht, erhebt das Strafgericht (meist) Anklage.
– Die Recht- suchenden Menschen bekommen vom Gericht dann ein Urteil im Namen der Republik.
– Auf dieser Basis können Unfälle analysiert werden – diese Rekonstruktionen und Analysen sind die Grundlagen zukünftiger Unfall-Vermeidung.
–  Entscheidungen aus Strafprozessen oder in deren Folge Zivilprozessen sind das Fundament der rechtlichen Aufarbeitung von Unfällen – Satisfaktion oder Genugtuung in psychischer Hinsicht kann ein Gericht nicht „liefern“.

 

 

 
Beim Risiko, das die Unternehmungen des Grafen Sándor begleitete, hat sich vermutlich die Frage nach Zulässigkeit oder Toleranz noch nicht gestellt – reich begütert und wirtschaftlich unabhängig wäre Graf Sándor selbst im Falle schwerer Verletzungen niemandem zur Last gefallen, mit Ausnahme seinem unmittelbaren Umfeld – er trug also die Verantwortung für sich, sein Handeln und sein Pferd weitgehend alleine.
Diese Situation hat sich durch die tiefgreifenden Veränderungen der Gesellschaft bis in unsere Zeit grundlegend verändert.
Ob ein „Tun“ sich innerhalb oder außerhalb des Erlaubten bewegt, wird – wie bereits auf Folie 11 dargestellt – von einer Fülle von Faktoren bestimmt, die ein Korsett für das Sicherheitsdenken darstellen, das von der Gesellschaft definiert wird und das keinen starren Charakter hat – kurz gesagt – es gibt keine normierte Liste oder keinen fixen Katalog von Handlungen im Umgang mit Pferden, die prinzipiell „erlaubt, nicht erlaubt, toleriert oder nicht toleriert“ sind, sieht man von  klaren disziplinären oder strafrechtlichen Vorgaben ab.
Mag für einen vortrefflichen Reiter ein (geglückter) Sprung über einen Leiterwagen noch innerhalb der Grenzen liegen, träfe dies für einen mäßigen Reiter nach einem (missglückten) Sprung nicht mehr zu – es ist also immer der Einzelfall, der einer Beurteilung unterliegt.
Für viele Menschen verläuft die rote, nicht zu überschreitende Linie bedauerlicherweise erst dort, wo – wie`s im Jargon heißt: „die Versicherung aussteigt“ . [Social Media – Zitate: „Ich reite schon, seit ich klein bin und weiß über die Risiken bestens Bescheid – und somit ist es mein Risiko!“  oder „Gut, ich bin erwachsen, ist mein Risiko. Mein Pferd wird nach Hause laufen im Notfall…“] oder wo eine Handlung strafrechtlich relevant wird.
 
Es ist ein Fluch unserer Zeit, dass Gedanken nicht  konsequent zu Ende geführt werden, das unselige Verb „andenken“, „es ist angedacht“ gibt davon beredtes Zeugnis – ein Gedanke wird aufgeworfen, aber nicht bis zur letzten Konsequenz zu Ende „gedacht“, nämlich dass möglicherweise eine Hundertschaft an „Rettern“ mobilisiert werden muss, um eine Person, die glaubt, riskantes Verhalten sei Privatsache, wieder zu finden, wenn das Pferd ohne Reiter verstört im Stall ankommt.
 
Der Autor hat zur Illustration seiner „Risiko-Rundreise“ aus seinem Bildmaterial, vielen Recherchebefunden und Realfällen „selbstredende“ Darstellungen zusammengetragen, in denen seiner Ansicht nach hart an die Grenzen des tolerierten Risikos heran gegangen  bzw. diese überschritten werden.  Beim Ausloten der Grenzen des tolerierten Risikos ist immer zu bedenken, ob ein Sinn für ein solches Verhalten ableitbar ist oder ob es – Sinn entleert -  um reine Selbstdarstellung geht.

Es ist rechtlich anerkannt, sich unter bestimmten Voraussetzungen gefährlich zu verhalten. Ein Risiko oder eine Gefahr ist eine Situation, in der mit gewisser Wahrscheinlichkeit der Erfolgseintritt anzunehmen ist aus der ex-ante Sicht -  (also aus vorheriger Einschätzung).
Maiwald, Jescheck FS, 405 (407) / Kindhäuser, Strafrecht AT, § 11 Rn. 6 aus Jasmin Hain: Was ist ein „erlaubtes“ Risiko? Seminar-Arbeit 2018.

 
Bei der Betrachtung der folgenden Bilder mögen Leser vorurteilsfrei und mit klugem Menschenverstand beurteilen, wie die dargestellte Situation aus dem Aspekt „Sicherheit für Pferd und Mensch“ einzuordnen ist, ob das dargestellte „Tun“
– riskant und gefährlich ist,
– ob ein Unfall zumindest möglich ist,
– einen erkennbaren Sinn hat,
– hippologisch wertvoll ist,
und aus der „Sicht“ des oder der Pferde vertretbar ist.

 

Wenn Sie, geschätzte Leserschaft, bei den Bildern nicht auf den ersten Blick erkennen, worin hier ein riskantes Verhalten oder eine Gefahrensituation dargestellt sein  bzw. bestehen soll, so bedenken Sie bitte, dass der Beurteilungsmaßstab der „durchschnittliche fleißige Mensch im Umgang mit Pferden“ ist. Der jeweilige Einzelfall wird nach Schadens- oder Unfällen dann im Auftrag der Gerichte, Staatsanwaltschaften oder Versicherungen von dazu zertifizierten Sachverständigen beleuchtet und analysiert – im Ergebnis, dem Gutachten, wird dann nach Befundaufnahme und Rekonstruktion der Ereignisse dargetan, ob Sie persönlich – werte Leserin, geschätzter Leser – vorhersehbar in der Lage waren, diese spezielle riskante Gefahrensituation zu erkennen und meistern.
Der erwartete und geforderte Sorgfaltslevel der Gerichte, Strafverfolgungsbehörden und Versicherern wird erkennbar jedenfalls in den letzten Jahren kontinuierlich und deutlich angehoben


Risiko- und Gefahrensituationen für Kinder

Dieses Foto entstand während einer großen Veranstaltung in einem Pferdezentrum.

 

 

„Zentrifugieren“ eines   Pferdes ohne Sicherheitsvorkehrungen für Mensch und Tier

 

 

„Titanen der Rennbahn“ mit hunderten Pferden und Zuschauern – laut und Tumult reich – Bück (BRD)
 

Tüchtiger oder untüchtiger Gehilfe zur Verwahrung des Gespannes?? Aufgenommen bei den Turnierstallungen anlässlich einer Staatsmeisterschaft im Gespannfahren.

ABGB § 1313a.
„Wer einem andern zu einer Leistung verpflichtet ist, haftet ihm für das Verschulden seines gesetzlichen Vertreters sowie der Personen, deren er sich zur Erfüllung bedient, wie für sein eigenes."
 

Fotos wie dieses bzw. sehr ähnliche findet man wohl zu hunderten im Internet und sozialen Medien. Das Bild spricht wohl für sich selber – süß, nicht wahr?!! Und dazu kann man beispielsweise lesen: „Unsere „Lisi“ ist brav wie eine Kuh – jedes Kind kann mit ihr….“ (Abb.: Pixabay)

 

Der Verladevorgang – speziell unter den unruhigen Bedingungen eines laufenden Turniers, ist von Haus aus risikoreicher als unter normalen Umständen – dieses Pferd hat sich erheblich „geziert“, bevor es dann doch in den Anhänger ging – die gesamte Zeit über Stand das Kind auf der Verladeklappe.

 

 

Inmitten des Trubels am Rande des Springplatzes bei einer Staatsmeisterschaft spazierte – vermutlich der Opa – mit einem Kind in „etwas“ sorgloser Ausrüstung: man beachte „Zäumung“ des Pferdes und die völlige Schutzlosigkeit von Kopf, Händen und Füßen der Reiterin.
 

 Gestütsparade auf einem Privatgestüt in MVP – der Fahrer fährt die vollbesetzte Coach mit dem Sechsspänner wie einen Marathonwagen, das kleine Kind neben ihm auf dem Bock durfte dann auch noch die Leinen übernehmen.

 

 

Wirklich Mutige werden auf diesem Bild keine Gefahr erkennen, denn schließlich  trägt die Jugendliche Helm und Handschuhe – und „Balance“ ist auf einem Fahrrad auch kein Thema?? Ein kleiner „Insternburger“ im Pferdemaul – na ja! (Abb.: eine namentlich bekannte Reiterzeitung)
 

„Kindermarathon“ anlässlich der Gestütsparade auf einem Privatgestüt in MVP – mehrere Teilnehmer am Start – unterwegs in sehr flotter Fahrt – der Autor kann hier keinen erzieherischen Wert erkennen, wenn Minimalvoraussetzungen nicht erfüllt sind. „Früh übt sich“ – wer sich im späteren Leben über die überlieferten Grundsätze und Ausbildungsregeln hinwegsetzen wird: der fatale Satz “das hab` ich immer schon so gemacht“ wird so zur Wahrheit!

 

 

 

 
ZUM AUTOR: Dr. Reinhard Kaun ist Tierarzt seit 1969 und ständig beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger, der im Laufe seiner 33-jährigen Tätigkeit als Gerichtsgutachter mehr als tausend Gutachten erstattet  hat. Neben vielen Qualifikationen im Pferdesport (z.B. FEI-Tierarzt, Turnier- und Materialrichter, FEI-Steward, Dopingbeauftragter)  war er  als Fachtierarzt für Pferdeheilkunde und Fachtierarzt für Physikalische Therapie und Rehabilitationsmedizin tätig.

HINWEIS: Sämtliche Quellennachweise sind bei Bedarf beim Autor abrufbar. Sollte an einem Quellennachweis ein Zweifel bestehen, so ist der Autor unter www.pferd.co.at zu kontaktieren.

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