Reiten gilt gemeinhin als gefährliche Sportart, was sich auch in hohen Unfallzahlen niederschlägt – doch das Risiko tödlicher Verletzungen ist einer aktuellen schwedischen Studie zufolge erstaunlich gering: Bei 3.036 PatientInnen mit pferdebedingten Verletzungen in einem schwedischen Traumazentrum gab es in einem Zeitraum von zehn Jahren nur einen einzigen Todesfall.
Reiten wird regelmäßig von 500.000 Menschen in Schweden praktiziert – und es gilt gemeinhin als eine der gefährlichsten Sportarten: Im Durchschnitt gab es zwischen 1997 und 2014 in Schweden jedes Jahr 1756 akute Verletzungen und drei Todesfälle im Zusammenhang mit Pferden. In ihrer aktuellen Studie haben schwedische WissenschaftlerInnen versucht, das Spektrum von Verletzungen im Zusammenhang mit Reitaktivitäten zu skizzieren, die in einem großen schwedischen Traumazentrum behandelt werden mussten. Ein weiteres Ziel der Untersuchung bestand darin, Trends bei den behandelten Verletzungen zu identifizieren sowie den Zusammenhang zwischen dem Alter und den Verletzungen zu untersuchen.
Dafür nahmen die Forscherinnen Emilie Franzén Lindgren, Folke Hammarqvist und Rebecka Ahl Hulme alle PatientInnen unter die Lupe, die zwischen Juli 2010 und Juli 2020 im elektronischen Krankenaktensystem des Karolinska-Universitätskrankenhauses aufgrund eines pferdebedingten Traumas versorgt wurden. Das Trio sammelte auch Daten aus dem Traumaregister des Krankenhauses.
Insgesamt wurden 3.036 PatientInnen mit 3325 pferdebedingten Verletzungen identifiziert. Eine überwältigende Mehrheit, nämlich 92,2 %, waren Frauen. Das Durchschnittsalter lag bei 20 Jahren, wobei das Alter der Behandelten von unter 1 bis 80 Jahren reichte. Die Krankenhauseinweisungsrate betrug 24,9 % – es musste also lediglich jede vierte Patientin bzw. jeder vierte Patient auch stationär aufgenommen werden. Ebenfalls auffallend: In der untersuchten Gruppe gab es im Betrachtungszeitraum lediglich einen Todesfall.
Die 757 ins Krankenhaus eingelieferten Patienten hatten insgesamt 991 registrierte Verletzungen. Verletzungen der oberen Extremitäten waren am häufigsten (25,6 %), gefolgt von den unteren Extremitäten (16,8 %) und Schädel-Hirn-Trauma (17,1 %). Nur 4,9 % (37 Personen) hatten keine Verletzungen und wurden lediglich zur Beobachtung aufgenommen, oft aufgrund eines erhöhten Blutungsrisikos als Folge einer gerinnungshemmenden Therapie. Patienten, die ins Krankenhaus eingeliefert wurden, zeigten ein ähnliches Verletzungsmuster wie die 75 %, die aus der Notaufnahme entlassen wurden.
Bei 43,3 % der stationär aufgenommenen Patienten war eine Operation erforderlich. Orthopädische Eingriffe waren dabei am häufigsten (82 % der Fälle), gefolgt von Neurochirurgie, die bei 2,2 % der Patienten durchgeführt werden musste. Der Bedarf an Intensivpflege war mit 4,8 % auch in diesem Bereich gering.
Das Alter der PatientInnen wurde als Risikofaktor identifiziert: Zunehmendes Alter brachte ein größeres Risiko für Wirbelfrakturen, ein größeres Risiko für Thoraxverletzungen, jedoch ein abnehmendes Risiko für Verletzungen der oberen Extremitäten mit sich.
Bei der Diskussion ihrer Ergebnisse sagten die ForscherInnen: „Unsere Ergebnisse zeigen, dass die untersuchte Patientengruppe vom weiblichen Geschlecht dominiert wird, eine große Mehrheit von Patienten unter 18 Jahren aufweist und am häufigsten Verletzungen durch Stürze vom Pferd erleidet.” Andere Studien bestätigen diese Ergebnisse, so die AutorInnen. Die Sterblichkeitsrate war mit 0,03 % sehr gering, und auch die Notwendigkeit einer Intensivpflege war mit 1,2 % sehr gering.
Die Autoren stellten weiters fest, dass die schwedische Versicherungsgesellschaft Folksam im Jahr 2017 die ihr im Laufe des Jahres gemeldeten pferdebedingten Verletzungen analysierte. Das Unternehmen wies eine nationale durchschnittliche Verletzungsrate von 18 Fällen pro 100.000 Einwohner nach. „Unsere Ergebnisse zeigen eine durchschnittliche Rate von 14 Fällen pro 100.000 Einwohner. „Die Diskrepanz zwischen den beiden kann dadurch erklärt werden, dass es sich um eine monozentrische Studie handelt, die nur auf dem regionalen Traumazentrum basiert. Es ist wahrscheinlich, dass weniger schwere pferdebedingte Verletzungen von anderen Notfallkrankenhäusern in der Region behandelt wurden und daher nicht in die Studienkohorte aufgenommen wurden.“
Sie fuhren fort: „Reitaktivitäten gelten als gefährlich. Dennoch gab es im untersuchten 10-Jahres-Zeitraum nur ein Ereignis in der Kohorte mit tödlichem Ausgang. Obwohl die Sterblichkeitsrate in der aktuellen Studie niedrig war, war die Rate der insgesamt vorgestellten PatientInnen (3.036) hoch. Von allen PatientInnen, die in der Notaufnahme behandelt wurden, wurden 24,9 % aufgenommen. Dies deutet darauf hin, dass ein erheblicher Teil der pferdebedingten Verletzungen schwerwiegend genug ist, um ernst genommen zu werden, auch wenn sie selten tödlich sind.“
Zusammenfassend meinten die ForscherInnen: „Von denjenigen, die aufgrund von pferdebedingten Verletzungen ein Krankenhaus aufsuchen, hat jeder vierte Verletzungen, die als schwer genug angesehen werden, um eine Krankenhauseinweisung zu erfordern, und eine überwältigende Mehrheit der Patienten ist weiblich. Obwohl die Morbidität (sprich: das Unfallrisiko, Anm.) hoch sein kann, ist die Mortalität (also die Sterberate, Anm.) sehr gering. Dies deutet darauf hin, dass Reitaktivitäten nicht so tödlich sind, wie manche angenommen haben. Reitaktivitäten scheinen insbesondere ein Risiko für Extremitätenverletzungen und Kopf- und Nackentraumata zu bergen, und mit zunehmendem Alter steigen die Risiken für Verletzungen im Bereich des Brustkorbs und Wirbelfrakturen.“
Und weiter: „Diese Befunde sollten bei der Beurteilung dieser Patientengruppe in der Notaufnahme berücksichtigt werden. Die Verbesserung des Wissens und des Verständnisses in Bezug auf diese Verletzungen kann dem Krankenhauspersonal helfen, eine bessere und effizientere Versorgung zu leisten. Für diejenigen, die mit Pferden und Reitsport nicht vertraut sind, kann es schwierig sein zu wissen, was sie erwartet und welche Art von Anamneseinformationen nützlich sein könnten, um die Untersuchung und Behandlung so zielführend wie möglich zu gestalten. Wir glauben, dass die in diesem Artikel skizzierten Ergebnisse dazu verwendet werden können, dieses Verständnis unter den Mitarbeitern des Gesundheitswesens zu erweitern und auf die Erstellung von Diagnose- und Therapieprotokollen übertragen werden können, die Klinikern an vorderster Front bei ihrer Entscheidungsfindung helfen können.“
Die Studie „Horse-riding hazards: an observational cohort study mapping equestrian related injuries at a Scandinavian trauma centre" von Emilie Franzén Lindgren, Folke Hammarqvist und Rebecka Ahl Hulme ist am 28. März 2023 in der Zeitschrift „BMC Sports Science, Medicine and Rehabilitation“ erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.