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Luftqualität in Reithallen: Schon ein/e ReiterIn wirbelt jede Menge Staub auf
18.12.2022 / News

Nicht nur im Winter herrscht in Reithallen dicke Luft – Hauptquelle für die Partikelbelastung ist vor allem der Reitboden, wie die ForscherInnen herausfanden.
Nicht nur im Winter herrscht in Reithallen dicke Luft – Hauptquelle für die Partikelbelastung ist vor allem der Reitboden, wie die ForscherInnen herausfanden. / Symbolfoto: Archiv

Die bakterielle Belastung in der Luft von Reithallen steigt bereits nach dem Training eines einzigen ReiterIn-Pferd-Paars deutlich an, wie eine aktuelle deutsche Studie belegt. Die mit verunreinigter Luft verbundenen gesundheitlichen Gefahren sollten keinesfalls unterschätzt werden, so die AutorInnen.


Das Studienteam stellte einleitend fest, dass wiederkehrende Atemwegsobstruktionen oder entzündliche Atemwegserkrankungen ein zunehmendes gesundheitliches Problem bei Pferden darstellen und mit schlechter Luftqualität in Verbindung stehen. In nördlichen Ländern mit kühlem Klima wird die Inzidenz von schwerem Pferdeasthma auf 14 bis 20 % geschätzt, und die der leichten bis mittelschweren Form erreicht 68 bis 80 %. Entzündliche Atemwegserkrankungen gelten als unterdiagnostiziert, da sie zwar die Leistungsfähigkeit beeinträchtigen, aber klinisch oft wenig auffallen: Ein Husten beispielsweise tritt nur in 38 % aller Fälle auf.

Pferde, Reiter und Trainer verbringen insgesamt viel Zeit in Reithallen und verbrauchen vor allem bei forcierter Atmung ein erhebliches Volumen an Umgebungsluft. Daher ist die Luftqualität entscheidend für ihre Gesundheit, so die AutorInnen. Sie machten sich daran, die Luftqualität in vier Reithallen in Sachsen-Anhalt zu untersuchen – und zwar über ein Jahr hinweg mit monatlichen Messungen in jeder Halle, mit besonderem Augenmerk auf den Bakteriengehalt.

Es wurde ein spezielles 20-minütiges Reitprogramm mit einem Pferd und einem Reiter durchgeführt, um die Exposition gegenüber luftübertragenen Bakterien zu messen. Das Programm umfasste 12 Minuten Schritt, 5 Minuten Trab und 3 Minuten Galopp und basierte auf standardisierten Lektionen bzw. Reitfiguren, um eine vergleichbare Nutzung – und damit auch eine vergleichbare Aussagekraft der Messungen – in den verschiedenen Reithallen zu gewährleisten.

Die Luftproben wurden vor und nach dem Reitprogramm in Höhe der Atemzone von Reiter und Pferd – 2,5 Meter für den Reiter und 1,5 Meter für das Pferd – entnommen. Insgesamt wurden so 1.335 Luftproben aus den vier Hallen ausgewertet, von denen drei einen Sandboden und eine eine Mischung aus Sand und Sägespänen hatten. Das Alter der Reitböden in den Sandarenen reichte von sechs Monaten bis zu vier Jahren. Der Sand/Sägespäne-Reitbelag war zwei Jahre alt. Die Ergebnisse für die gesamten kultivierbaren Bakterien wurden in koloniebildenden Einheiten (,colony forming units = CFU) pro Liter Luft ausgedrückt (logarithmisch berechnet). Die gewachsenen Kolonien wurden weiter durch spezifische Tests und biochemische Identifizierung bestimmt.

Die Ergebnisse zeigten, dass die bakterielle Belastung in allen vier Hallen nach dem Reitprogramm signifikant anstieg. Die Ergebnisse zeigten jedoch keine Unterschiede zwischen den Atemzonen der Reiter und denen der Pferde. Gram-positive Bakterien, insbesondere Staphylococcus-Spezies, waren die vorherrschenden aeroben mesophilen Bakterien (mesophile Bakterien neigen dazu, bei moderaten Temperaturen zu wachsen und zu gedeihen). Insgesamt waren 80 % der identifizierten Staphylokokken Staphylococcus xylosus. Kultivierte Proben des Reithallen-Belags – 210 wurden insgesamt analysiert – deuteten darauf hin, dass der Reitboden wahrscheinlich die Hauptquelle für luftgetragene Staphylococcus-Spezies während des Reitens war, so die WissenschaftlerInnen.

Das Studienteam stellte fest, dass die Anzahl der Luftschadstoffe aufgrund der Bewegung von Pferden und der Aufwirbelung von Oberflächenmaterial zunahm, so die AutorInnen. Bakterien in der Luft seien oft als Bioaerosole vorhanden, die an Staub und anderen Partikeln haften – somit war die mit einer Staubzunahme einhergehende Zunahme der Keimbelastung zu erwarten. Die Pferde sind davon in besonderer Weise betroffen, wie die AutorInnen erklären: „Die Exposition gegenüber Luftverschmutzung ist schlimmer, wenn Pferde intensiv gearbeitet werden. Im Ruhezustand liegt das Atemvolumen eines durchschnittlichen Pferdes im Bereich von 80 Litern pro Minute. Dies kann sich während des Trainings um mehr als das 20-fache auf eine Rate von 1800 Litern pro Minute erhöhen. Pferde atmen auch tiefer, und daher werden potenzielle atmosphärische Schadstoffe stärker aufgenommen. In unseren Tests wurde ein standardisiertes Reitprogramm von nur 20 Minuten absolviert. Daher gehen wir davon aus, dass ein längeres Training die Bakterienbelastung für Pferd, Reiter und Ausbilder noch weiter erhöhen würde.“

Doch es gab noch weitere bemerkenswerte Erkenntnisse: Den Reithallen-Boden möglichst frei von Verunreinigungen (Kot etc.) zu halten, kann das Risiko des Einatmens schädlicher Mikroorganismen für Pferde und Reiter verringern, so die AutorInnen. Sie stellten weiters fest, dass eine der Reithallen – Halle 1 – eine direkte Verbindung zu den angrenzenden Ställen und auch eine gemeinsame Entlüftung hatte – und genau diese Halle wies auch die höchste Bakterien-Belastung (4,96 CFU/m3) auf. Im Gegensatz dazu hatten die Hallen 2, 3 und 4 niedrigere CFU-Werte, die von 3,68 bis 3,79 log CFU/m3 reichten.

Halle 4 befand sich ebenfalls im selben Gebäude wie die Pferdeställe (aber durch ein Tor getrennt und ohne gemeinsame Lüftung). Hier wurden vor Beginn des Reitprogramms höhere Werte gemessen (3,5 log (CFU/m3)). Diese Unterschiede der CFU-Menge zwischen den Hallen 1 und 4 und den anderen beiden Hallen könnten dadurch erklärt werden, dass die Menge an luftgetragenen Schadstoffen in verbundenen Hallen und Ställen höher ist als in nicht verbundenen. Darüber hinaus ist es denkbar, dass das Alter des Tretmaterials in Arena 1 die erhöhten Werte der Luftmessungen beeinflusst hat, da es mindestens doppelt so alt war wie die anderen und daher wahrscheinlich auch mehr Partikel aufwies, die klein genug waren, um geloftet zu werden. Die eindeutige Schlussfolgerung: „Die direkte Verbindung zwischen Reithalle und Stall sowie der Reitbelag scheinen die Luftqualität in den Reithallen zu beeinflussen.“

Die Erkenntnisse ihrer Studie geben den AutorInnen durchaus Anlass zur Sorge: Auch wenn die Auswirkungen einer zusätzlichen Keimbelastung in Reithallen auf die Gesundheit von ReiterIn und Pferd noch weitgehend unbekannt seien, sollte „die Luftqualität von Reitplätzen im Hinblick auf den hohen Luftverbrauch von Pferden während der Trainingszeit in zukünftigen Studien von besonderem Interesse sein" und entsprechend aufmerksam beobachtet werden. Denn – wie bereits andere Untersuchungen gezeigt haben – kann es „bei wiederholter Inhalation von lungengängigem Staub, Mikroorganismen und deren Zellwandbestandteilen sowie Toxinen zu Entzündungen der unteren Atemwege kommen." Und diese Gefahr sollte keinesfalls unterschätzt werden ...

Die Studie „Bacterial Burden in the Air of Indoor Riding Arenas" von Torsten Lühe, Nina Volkmann, Jeanette Probst, Cornelia Dreyer-Rendelsmann, Jochen Schulz und Nicole Kemper ist am 9. Dez. 2022 in der Zeitschrift ,agriculture' erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.

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