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Fellpflege unter Freunden hilft Pferden bei der Stressbewältigung
09.01.2023 / News

Die gegenseitige Fellpflege wird ausschließlich zwischen bevorzugten Pferden oder „Freunden“ praktiziert und findet in stressigen Situationen deutlich öfter und intensiver statt.
Die gegenseitige Fellpflege wird ausschließlich zwischen bevorzugten Pferden oder „Freunden“ praktiziert und findet in stressigen Situationen deutlich öfter und intensiver statt. / Foto: Emily Kieson et.al.

In stressigen Situationen wählen Pferde sehr spezifische Partner für die gegenseitige Fellpflege aus – was darauf hindeutet, dass auch Pferde der bekannten ,Tend and Befriend'-Strategie (,sich kümmern und anschließen') folgen, um sozialen Stress zu bewältigen.

 

Die Forscherinnen Emily Kieson, Amira Goma und Medhat Radi untersuchten in einer soeben veröffentlichten Studie mehrere wichtige Aspekte der gegenseitigen Fellpflege (des sogenannten ,Allogrooming’). Das Trio schrieb in der Zeitschrift ,animals', dass die Bestimmung der Sozialstruktur, der sozialen Netzwerke und der Paarbindung bei Pferden oft auf der Zeit basiert, die sie in der Nähe anderer bevorzugter Pferde verbringen.

Die bestehende Forschung zur Paarbindung bei Pferden konzentrierte sich dabei fast ausschließlich auf die gegenseitige Pflege und die gewählte Nähe. Verhaltensstudien an Haus- und Wildpferden haben gezeigt, dass Allogrooming immer eine gemeinsame Aktivität zwischen zwei Pferden ist, bei der sich beide aktiv an der Fellpflege beteiligen: Es tritt ausschließlich zwischen bevorzugten Pferden oder „Freunden“ auf. Weitere Untersuchungen haben gezeigt, dass Allogrooming während und nach stressigen Erfahrungen in Gruppen von Pferden häufiger auftritt, was darauf hindeutet, dass es sich um eine soziale Bewältigungsstrategie handeln könnte.

In ihrer aktuellen Studie haben die ForscherInnen diese gegenseitige Fellpflege noch eingehender betrachtet und untersucht – und die möglichen Rollen von Partnerpräferenzen, Lateralisierung (die Bevorzugung einer Seite gegenüber der anderen), der Dauer und Kontextualisierung von Allogrooming als Maß für soziale Bindung analysiert. Die Studie konzentrierte sich auf zwei sozial stabile Herden von Quarter Horses – eine mit 85 Stuten und die andere mit 115 Stuten. Alle Pferde lebten im Noble Equine Center, einer privaten Quarter Horse Betreuungs- und Zuchteinrichtung in Purcell im US-Bundesstaat Oklahoma.

Als Teil des normalen Tagesablaufs der Einrichtung wurde jede Herde jeden Tag für etwa eine Stunde in zwei Paddocks gebracht, um dort die Stuten zu trennen, die zur Bestimmung des Eisprungs abgetastet werden mussten. Nach dieser Prozedur wurden einzelne Stuten wieder mit ihrer jeweiligen Herde vereint und auf die Weide zurückgebracht. Diese Routine ermöglichte es den Forschern, die gegenseitige Fellpflege (sprich: das Allogrooming-Verhalten) zwischen dem normalen Weidegang (mit geringem Stress) und dem zeitlich begrenzten Paddock-Aufenthalt (mit höherem Stress) zu vergleichen. Insgesamt wurden 153 Videos für beide Herden für die Analyse des Allogrooming-Verhaltens kodiert, wobei 6,86 Stunden unter den beengten Paddock-Bedingungen und 31,9 Stunden auf der Weide aufgezeichnet wurden. Allogrooming-Verhalten wurde in 33 dieser Videos beobachtet.

Auf der Weide wurden sechs Allogrooming-Sitzungen mit einer durchschnittlichen Dauer von 163,11 Sekunden beobachtet. In beengten Umgebungen wurden insgesamt 118 Allogrooming-Sitzungen mit einer durchschnittlichen Dauer von 40,98 Sekunden beobachtet. Von den 124 beobachteten Allogrooming-Sitzungen wurde nur ein Pferd beobachtet, das die gegenseitige Fellpflege mit mehr als einem Partner praktizierte.

Dies alles führte die ForscherInnen zu einem eindeutigen Schluss: „Die Ergebnisse zeigten eine höhere Häufigkeit von Allogrooming unter Stressbedingungen – und dass Pferde spezifische Präferenzen für Partner zeigten, mit denen sie Allogrooming durchführen würden.“ Es wurden signifikante Unterschiede zwischen den Phasen mit hohem und niedrigem Stress in Bezug auf die Dauer, die Anzahl der Allogrooming-Paare und die Häufigkeit des Allogrooming (pro Minute) für jede Herde gefunden. „Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass Pferde in Zeiten von Stress sehr spezifische Pflegepartner wählen, was darauf hindeutet, dass Pferde der gleichen Strategie folgen, sozialen Stress zu bewältigen wie andere soziale Säugetiere – nämlich der ,Tend and Befriend’-Strategie (übersetzt: sich kümmern und anschließen)“, so die AutorInnen.

Wie sie weiter betonten, wurde diese absichtliche Initiierung von häufigeren und intensiveren sozialverbundenen Interaktionen mit bevorzugten Partnern unter Stressbedingungen bei Menschen und anderen Tieren beobachtet. Die „Tend and Befriend“-Reaktion wurde als soziale Reaktion auf Stress erkannt, bei der Individuen während und nach stressigen Ereignissen häufiger oder intensiver nach freundschaftlichen Interaktionen mit bevorzugten Partnern suchen.

Die Ergebnisse der aktuellen Untersuchung zeigten – im Gegensatz zu anderen Studien – jedoch, dass es beim Allogrooming keine ausgeprägten Lateralisierungspräferenzen gab, dass die Pferde also bei der gegenseitigen Fellpflege keine bestimmte Körperseite bevorzugten. Es gebe – so die ForscherInnen – zwar klare Hinweise auf Lateralisierungspräferenzen bei Pferden, wenn ihnen die Wahl der Interaktion mit neuen Stimuli gegeben wird. „Doch „der Akt des Allogrooming scheint nicht in diese Kategorie zu fallen, was darauf hindeutet, dass der Akt selbst wichtiger ist als der Prozess der eingehenden sozialen Signale. Dies könnte auch darauf hindeuten, dass die Initiierung von Allogrooming-Verhalten und die fehlende Lateralisierungspräferenz in dieser Studie viel mehr auf die Initiierung des Akts und den gegenseitigen Reizaustausch als auf die Verarbeitung eingehender sozialer Signale ausgerichtet sind“, so die ForscherInnen.

Die AutorInnen wiesen auch darauf hin, dass das Verständnis der sozialen und emotionalen Reaktionen von Pferden deren Haltung und Umgang beeinflussen und ihr Wohlergehen verbessern könnte: „Die Erkenntnis, dass Pferde ein besonderes Bindungsverhalten einem bestimmten individuellen Partner gegenüber zeigen, kann Aufschluss über ihr psychologische Wohlbefinden geben. Ein besseres Verständnis solchen ,Zugehörigkeitsverhaltens’ in verschiedenen Bereichen kann dazu dienen, Haltungspraktiken weiterzuentwickeln (…) und ein besseres Verständnis dafür aufzubauen, wann, wie und welche Verhaltensweisen Pferde ausdrücken und welchem Pferd gegenüber sie diese zeigen.“

Das Studienteam betonte, dass soziale Tiere soziale Interaktion als Teil ihres Wohlbefindens brauchen. Die Ergebnisse, sagten sie, unterstützen die Idee, dass ein besseres Verständnis des sozialen Umfelds und der Bedürfnisse von Pferden dabei hilft, das Wohlergehen genauer zu beurteilen und bessere Bedingungen zu schaffen, um die sozialen Bedürfnisse von Pferden zu unterstützen und zu befriedigen.

Die Studie „Tend and Befriend in Horses: Partner Preferences, Lateralization, and Contextualization of Allogrooming in Two Socially Stable Herds of Quarter Horse Mares" von Emily Kieson, Amira A. Goma und Medhat Radi ist am 7. Jänner 2023 in der Zeitschrift ,animals' erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.

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