Cushing wird dank intensiver Forschungen besser verstanden, auch bei der Behandlung wurden deutliche Fortschritte gemacht – doch frühe klinische Anzeichen des Cushing-Syndroms bei Pferden werden häufig übersehen, weshalb die Therapie oft erst in einem fortgeschrittenem Krankheitsstadium begonnen werde, so die AutorInnen einer Übersichtsstudie.
Die im Fachterminus als PPID (= pituitary pars intermedia dysfunction, deutch: Hypophysen-Pars-Intermedia-Dysfunktion) bezeichnete Krankheit, in der Szene als Cushing bekannt, werde oft erst diagnostiziert, wenn der Zustand weit fortgeschritten und die Erkrankung bereits schwerwiegend ist, so die WissenschaftlerInnen Naomi Kirkwood, Kristopher Hughes und Allison Stewart.
Die drei WissenschaftlerInnen haben sich in einer Übersichtsstudie mit dem aktuellen Forschungsstand in Sachen Cushing bei Pferden auseinandergesetzt, die vorhandene wissenschaftlichen Arbeiten analysiert und versucht, einen Überblick über aktuelle Perspektiven auf den Krankheitsverlauf, klinische Anzeichen, Diagnose und Behandlung zu geben.
Trotz intensiver Forschungen und erheblicher Fortschritte in der Behandlung seien die gestörten physiologischen Prozesse hinter PPID noch nicht vollständig verstanden. Insgesamt habe aber das Bewusstsein für endokrine Erkrankungen wie PPID in der Pferde-Community in den letzten Jahren deutlich zugenommen, so die ForscherInnen einleitend.
PPID ist mittlerweile die häufigste hormonelle Erkrankung älterer Pferde und beeinträchtigt die Lebensqualität, die Funktion des Immunsystems und die sportliche Leistungsfähigkeit. Klinische Anzeichen können übermäßiger Haarwuchs (Hypertrichose), Muskelschwund, Senkrücken und herabhängender Bauch (Pendelbauch), wiederkehrende Infektionen, Lethargie, Lahmheit und übermäßiges Trinken und Harnlassen sein.
Pferde mit PPID erfordern ein sehr effizientes Management und eine vorbeugende Gesundheitsversorgung, sagten sie. Wenn Pferde mit PPID eine Vorgeschichte von Hufrehe haben oder bei denen eine Insulindysregulation diagnostiziert wurde, sollte eine Fütterung mit hohem Gehalt an nicht-strukturellen Kohlenhydraten vermieden werden. „Da Pferde mit PPID jedoch häufig an Gewichtsverlust und Muskelschwund leiden, sollte dem Körperzustandswert (Body Condition Score) des Pferdes große Aufmerksamkeit geschenkt werden. Wenn Pferde anfangen, Gewicht zu verlieren, sollte eine zusätzliche Fütterung erfolgen, um den körperlichen Zustand zu verbessern, die Ernährung sollte zudem auf der Grundlage des Insulin-Dysregulationsstatus angepasst werden.“
Die Ernährung sollte stets auf das Alter, die körperliche Verfassung und die sportliche Verwendung abgestimmt sein, so die AutorInnen weiter. Sie wiesen auch auf die mögliche Korrelation zwischen niedrigem Vitamin B12 und PPID bei älteren Pferden hin, weshalb in diesen Fällen eine Supplementierung mit Vitamin B12 gerechtfertigt sein könnte. Hierzu seien jedoch weitere Forschungen notwendig. Auch die Immunfunktion ist bei Pferden mit PPID verändert, es sollten daher strenge vorbeugende Gesundheitsmaßnahmen und Biosicherheitsprotokolle eingeführt werden.
Aufgrund des erhöhten Risikos für altersbedingte Zahnerkrankungen und des erhöhten Risikos für Sekundärinfektionen und Parasitenprobleme sollten zudem regelmäßige zahnärztliche Untersuchungen und Eizählungen in Kotproben durchgeführt werden.
Pferden mit Zahnerkrankungen, die den Verzehr von langfaseriger Trockenmasse nicht vertragen, sollte Häcksel oder Faserpellets (Rübenschnitzel) angeboten werden, um den Bedarf an Trockenmasse zu decken. Pferde, die aufgrund mangelnden Schwitzens oder übermäßigem Fellwachstums Schwierigkeiten haben, ihre Körpertemperatur zu kontrollieren, sollten ausreichend Schatten und frisches Wasser erhalten und nach Bedarf geschoren werden. Auch die Anwendung der Blaulichttherapie könne zu einer Verringerung des übermäßigen Fellwachstums führen, so die AutorInnen.
Einen kritischen Punkt – und eine erhebliche Herausforderung für alle Beteiligten – stelle nach wie vor die frühzeitige Diagnose von Cushing-betroffenen Pferden dar: Noch immer werden frühe klinische Anzeichen des Cushing-Syndroms bei Pferden häufig übersehen, weshalb die Therapie oft erst in einem fortgeschrittenem, schwerwiegenden Krankheitsstadium begonnen werde, so die AutorInnen. Sie betonten vor allem die Bedeutung einer verbesserten Erkennung früher klinischer Anzeichen und Diagnosen, da der Beginn der Behandlung in der Regel auch zu einer verbesserten Lebensqualität führt.
Der genaueste diagnostische Test zur Identifizierung einer frühen Erkrankung ist seit einigen Jahren der sogenannte Thyrotropin-Releasing-Hormon (TRH)-Stimulationstest, und der häufigste diagnostische Test ist die Konzentration des basalen adrenocorticotropen Hormons (ACTH). Die Interpretation der Testergebnisse sei jedoch diffizil, so die AutorInnen, es müsse das klinische Erscheinungsbild in die Gesamtbeurteilung einbezogen werden, zudem sollten Referenzintervalle und saisonale Grenzwerte berücksichtigt werden, um falsch negative oder falsch positive Ergebnisse zu reduzieren.
Wie eine vielbeachtete Studie aus dem Jahr 2021 nachweisen konnte, variieren die basalen ACTH-Werte bei Pferden erheblich, wobei auch Faktoren wie Alter, Geschlecht und Körperzustandswert (BCS) deutlichen Einfluss haben. Experten weisen deshalb darauf hin, dass in frühen Stadien bzw. zu gewissen Jahreszeiten eine einmalige Bestimmung des ACTH Wertes oft nicht ausreichend ist, weshalb ein sogenannter TRH-Stimulationstest durchgeführt werden sollte. Hierbei wird ein Medikament verabreicht, welches die Hypophyse anregt oder hemmt, und der ACTH- Wert wird vor und nach Verabreichung des Medikamentes bestimmt.
Eine Diagnose allein auf der Grundlage klinischer Anzeichen sei zwar grundsätzlich möglich, so die Autorinnen, doch sei die Krankheit oft schon weit fortgeschritten, sobald klinische Anzeichen offensichtlich sind. Zur Verbesserung der Lebensqualität und sportlichen Leistungsfähigkeit wird eine Behandlung mit Pergolidmesylat empfohlen.
Zwei Beispiele für die erfolgreiche Behandlung mit Pergolid – oben bei einem 18-jährigen Irischen Sportpferd, darunter bei einem 25 Jahre alten Australischen Stockhorse. Fotos: Naomi C. Kirkwood et.al.
Insgesamt meinten die AutorInnen, dass zukünftige Forschung darauf abzielen sollte, die Genauigkeit der Diagnose der Krankheit zu verbessern, da die basale ACTH-Konzentration wenig aussagekräftig sein kann und das TRH, das für den Stimulationstest verwendet wird, in vielen Ländern nicht als steriles registriertes Produkt im Handel erhältlich ist. Auch die Beziehung zwischen PPID und Insulin-Dysregulation und ihre Verbindung mit Hufrehe sowie zusätzliche Managementpraktiken und langfristige Reaktionen auf die Behandlung mit Pergolid erfordern weitere Untersuchungen, so das Resümee der AutorInnen.
Die Studie „Review Article: Pituitary Pars Intermedia Dysfunction (PPID) in Horses" von Naomi C. Kirkwood, Kristopher J. Hughes und Allison J. Stewart ist am 10. Okt. 2022 in der Zeitschrift ,Veterinary Sciences' erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.