Eine Augenwurminfektion, die sogenannte Thelaziose, könnte eine vernachlässigte und daher auch unterschätzte Erkrankung unter Europas Pferden sein – darauf weisen rumänische WissenschaftlerInnen in einer aktuellen Studie hin.
Thelaziose ist eine parasitäre Erkrankung, die durch Nematoden (Spulwürmer) der Gattung Thelazia (typischerweise Thelazia lacrymalis bei Pferden) verursacht wird. Die Augenwürmer, welche die Erkrankung auslösen, leben in den Tränendrüsen, im Bindehautsack und unter den Augenlidern. Die Zwischenwirte sind nicht beißende Fliegen wie Musca autumnalis, die die Larven verschlucken, wenn sie sich von den Tränensekreten ernähren. Larven werden innerhalb von 2-4 Wochen infektiös und lagern sich beim Fressen der Fliege auf dem Auge des Pferdes ab. In etwa 10 Wochen produzieren die erwachsenen Würmer mehr Larven und der Zyklus geht weiter.
Infektionen können das ganze Jahr über auftreten, aber Krankheitsausbrüche sind normalerweise mit der warmen Jahreszeit verbunden, wenn die Fliegen aktiver sind. Infektionen verursachen oft keine offensichtlichen Symptome, es können jedoch Entzündungen der Bindehaut und der Augenlider auftreten, in schwereren Fällen auch Entzündungen, Schwellungen und Trübungen der Hornhaut.
In den Vereinigten Staaten wurde die Infektionsrate bei Rindern und Pferden auf erschreckend hohe 15 % bis 38 % geschätzt. In Europa wurden zwar einzelne Krankheitsfälle bei Pferden in Ländern wie der Russischen Föderation, England, Frankreich, Deutschland, Schweden und Italien beschrieben – doch die aktuelle Studie ist der erste Bericht über Thelaziose bei Pferden in den letzten 15 Jahren in Europa und der erste aus Rumänien und Osteuropa, mit Ausnahme alter Berichte aus der ehemaligen UdSSR.
Dieser Mangel an wissenschaftlicher Evidenz sei beunruhigend, so die AutorInnen – weil die Erkrankung dadurch möglicherweise unterschätzt und nicht ernst genug genommen wird: „Obwohl die Prävalenz relativ gering ist, sind wir der Ansicht, dass der Mangel an Berichten mit dem begrenzten Interesse der Forscher an dieser Krankheit und dem wahrscheinlich begrenzten oder fehlenden Bewusstsein der Tierärzte zusammenhängt.“
Das wichtigste Ziel der Untersuchung von Vlad-Dan Cotuțiu und seinen KollegInnen war es daher, Licht ins Dunkel zu bringen und einen einigermaßen objektiven Überblick über das Vorkommen von Thelaziose in den rumänischen – und somit einem europäischen – Pferdebestand zu erhalten.
Das Team untersuchte Augengewebe (Obduktionsproben) von 273 Pferden, die zwischen März und Dezember 2021 in zwei verschiedenen Schlachthöfen im Nordwesten und im Westen Rumäniens geschlachtet wurden. Für jedes Pferd wurden folgende Daten erhoben: Probenahmedatum, Alter, Geschlecht und Herkunft (Ort, geographische Koordinaten, Höhenlage und Ökoregion).
Die WissenschaftlerInnen fanden 12 infizierte Pferde (4,39 %). Sie entdeckten 87 Würmer, die sie als T. lacrymalis identifizierten. Sie berichten, dass die Intensität des Befalls zwischen einem und 33 Nematoden/Tier variierte. Fünf Tiere waren in beiden Augen infiziert.
Die gefundenen Zahlen waren zu niedrig, um statistisch signifikante Schlussfolgerungen zu ziehen, so die AutorInnen. Sie merkten aber an, dass die jeweilige Höhenlage ein Faktor für das Auftreten von Thelaziose sein könnte: „In dieser Studie gab es keine befallenen Tiere aus der alpinen Ökoregion (0 von 45); Daher könnte eine plausible Erklärung die verringerte Vektorhäufigkeit und die kürzere saisonale Aktivität in höheren Lagen sein.“
Interessant war auch die Beobachtung, dass es keine merklichen Unterschiede in den Gesamt-Prävalenzwerten zu verschiedenen Jahreszeiten gab, der Gesamtwert blieb das ganze Jahr über bei etwa 5 %.
Die ForscherInnen wiesen auch darauf hin, dass die weit verbreitete Anwendung oraler Entwurmungsmittel möglicherweise zum geringen Vorkommen der Erkrankung beiträgt: „Die niedrige Prävalenz könnte auch auf die Anwendung allgemeiner oraler Entwurmungsprotokolle bei Pferden zurückgeführt werden, die die Verwendung von entweder Ivermectin oder Fenbendazol beinhalten.“
Das Resümee der AutorInnen: „Wir betrachten die equine Thelaziose als eine vernachlässigte Krankheit in Europa, die aufgrund der potenziell schwerwiegenden klinischen Auswirkungen mehr Aufmerksamkeit von Tierärzten erfordert, insbesondere auch aus Sicht des Tierschutzes.“
Die Studie „Thelazia lacrymalis in horses from Romania: epidemiology, morphology and phylogenetic analysis" von Vlad-Dan Cotuțiu, Angela Monica Ionică, Menelaos Lefkaditis, Cristina Daniela Cazan, Alina Diana Hașaș und Andrei Daniel Mihalca ist am 14. Nov. 2022 in der Fachzeitschrift ,Parasites & Vectors' erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.