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Die Fälle des Dr. K.: ein persönlicher Epilog
29.01.2023 / News

Dr. Reinhard Kaun ist Tierarzt, Sicherheitsexperte und gerichtlich beeideter Sachverständiger.
Dr. Reinhard Kaun ist Tierarzt, Sicherheitsexperte und gerichtlich beeideter Sachverständiger. / Foto: privat

Mit dem gestern publizierten Artikel sind die „Die Fälle des Dr. K.“ abgeschlossen – hier ein persönlicher Epilog von Autor Dr. Reinhard Kaun, in dem er auch so manches Missverständnis bezüglich Ziel und Sinn der Serie aufklärt ...
 
Den folgenden Ausführungen sei der Titel „Si tacuisses, philosophus mansisses.“ vorangestellt – ein bekanntes Zitat des Philosophen Anicius Manlius Severinus Boethius. Denn die weltweit agierenden Kommunikationsmedien unserer modernen Zeit machen es möglich, in Windeseile Nachrichten, Lügen und persönliche Meinungen – getarnt als über jeden Zweifel erhabene Wahrheiten – über den Erdball zu verbreiten.

Chat-Rooms ersetzen vermeintlich das Gespräch am Kaminfeuer oder Konferenztisch, der Terminus „to chat“ wird im Langenscheidt aus der englischen Sprache mit „plaudern, schwatzen“ übersetzt, und ein „Chatter“ ist nach ebendieser Quelle ein „Schwätzer oder ein Plappermaul“.

In Chat-Rooms, in Talk-Shows und sonstigen Plapperstuben gibt ein Heer von „Experten“ vor, sich untereinander oder mit dem „blöden“ Volk „auszutauschen“, was sowohl rhetorisch wie auch semantisch Unsinn ist: denn Menschen können nur Meinungen, Erfahrungen oder Erkenntnisse austauschen, aber nicht sich selber. Der geringfügige Unterschied in Sprache und Schrift zwischen tauschen und täuschen ist kein Zufall, sondern etymologischer Zynismus: geht doch das mittelhochdeutsche Verb tauschen zurück auf: „Spaß, Gespött, Schelmerei treiben; unwahr reden, betrügen“ (Etymologisches Wörterbuch des Deutschen, DTV 1989)

Seit vielen Jahren steht der Autor dieser Zeilen und der „Fälle des Dr. K.“ mit dem Chefredakteur und Journalisten Mag. Pingitzer in einem seriösen Austausch von Erfahrung und Wissen, immer bemüht, den Lesern eine fachlich korrekte Grundlage für ihr Leben und Arbeiten mit Pferden und die damit verbundenen Entscheidungen zu bieten. Das hier auf ProPferd Geschriebene – Artikel, Stellungnahmen, Ansichten und Lehrmeinungen – sind jeweils Angebote an die Leserschaft, sich ihrer im Sinne eines gesunden Eklektizismus zu bedienen – nämlich dasjenige auszuwählen, das für persönliche und individuelle Bedürfnisse am Geeignetsten erscheint – nicht aber am Bequemsten oder am Einfachsten.

Zu „Die Fälle des Dr. K.“ wurden von Lesern vereinzelt Langatmigkeit („ewige Texte“) und Wiederholungen bemängelt, manchmal wurden „Zusammenfassungen“ angeregt – verstanden hat die Bemühung des Autors jedoch die Leserin, die schreibt: „Es geht hier um Gutachten, nicht um Rechtsprechung!“

Natürlich sind auch für Gutachter die Entscheidungen der Gerichte von Interesse, aber jeweils nur so weit, als aus Urteilen Spruchtendenzen ableitbar sind, die das Verhalten von Pferdeleuten regelhaft beeinflussen sollten. Es ist daher fachlich nicht zulässig, eine Zivil- oder Strafsache mit Pferdethemen auf das „Urteil“ zu reduzieren – vielmehr muss das Bemühen ausgezeigt werden, wie Sachverständige (und Gerichte) aus einer Fülle widersprüchlicher Aussagen, Darstellungen und Vorbringen, aus Feststellungen und Befunden die materielle Wahrheit für den Einzelfall und Gutachtensauftrag neutral, unabhängig und „sine studio et ira“ herausarbeiten müssen –  insbesondere wie „beide Seiten gehört wurden“, nämlich die des Klägers und des Beklagten, die des Angeklagten und des Anklägers – dies ist mühsam, zeitaufwändig (manche Verfahren ziehen sich über Jahre hin) und mit viel Kopfarbeit verbunden. An diesen – rein fachlichen – Entwicklungsprozessen kann die Leserschaft durch die Fallberichte eines Gutachters teilhaben und daraus ihre persönlichen Lehren für den Umgang mit Pferden ziehen.

Der Hang zum allgemeinen Widerspruch (nach dem Wahlspruch „ich bin dafür, dass wir dagegen sind“)  nimmt manchmal pathologische Züge an, wenn jemand schreibt, dass „ihm/ihr die Bevormundung auf die Nerven ginge“; ins Schwarze trifft jedoch die Wortmeldung zum Artikel über Sicherheit beim Ausreiten: „Es sind ja nur Tipps und keine Gebote“.

Die absichtliche und vorsätzliche Erhöhung des tolerierten Risikos ist beim Amateur-Pferdesport keine „reine Privatsache“ – Rettungsdienste, Feuerwehren, Ärzte und Tierärzte, Pferdesanitäter wie Versicherungen und Angehörige sind mitbetroffen – ein lebenslang bestehender Personenschaden nach einem leichtfertig herbeigeführten Unfall ist auch eine Belastung der Gesellschaft. „Die Fälle des Dr. K.“ hatten das Ziel, der Leserschaft aufzuzeigen, welchen Stellenwert Gesetze, Regeln, Verordnungen, Üblichkeiten sowie  hippologische Lehre, wissenschaftliche Erfahrung und  gelebte Tradition (im Sinne der Erhaltung der Glut nach Entfernung der Asche) haben, um den für das Gerichtsurteil bedeutsamen Faktor „Vorhersehbarkeit“ zu erfassen.

Vorhersehbar ist jedenfalls, dass in Kürze die „grüne Saison“ wieder ihren Anfang nehmen wird: frische, „überstandige“ Pferde im Haarwechsel, Stuten in der Rosse, Hengste mit Frühlingsgefühlen und Wallache mit Erinnerung an „freudigere Zeiten“ stellen alljährlich wieder ein erhebliches Gefahrenpotential dar – deshalb wird aus langjähriger Erfahrung des Autors in den folgenden Monaten wieder Rüstzeug vermittelt, Gefahren und Sicherheitslücken   zu erkennen und ihnen zu begegnen – ein Anlass, die Fundamente der Sicherheit zu beleuchten und ihre Bedeutung (gemäß DUDEN: Das Bedeutungswörterbuch) in Erinnerung zu rufen:

Vorsicht: gesteigerte Aufmerksamkeit, Besonnenheit bei Gefahr und in kritischen Situationen.

Umsicht: kluges, zielbewusstes Beachten aller wichtigen Umstände, das zu besonnenem Handeln befähigt.

Rücksicht: Verhalten, das die Gefühle und Interessen anderer berücksichtigt.

Einsicht: Erkenntnis auf Grund von Überlegungen gewonnenes Verständnis für oder Verstehen von etwas.

Vorsicht ist eine Tochter der Klugheit (nicht der Feigheit), Umsicht der breite „Leuchtturm-Blick“ des Erkennens, Rücksicht ist die Eigenschaft, die ein Zusammenleben in einer Gesellschaft erst möglich macht (die vielzitierte Empathie alleine greift zu kurz) und Einsicht ist die vernünftige Anwendung von Wissen und Erfahrung.

Über 50 Gerichtsfälle wurden auf ProPferd seit Anfang November 2021 der Leserschaft präsentiert, der Lerngewinn aus vielen Seiten mit Befunden, Analysen und Schlussfolgerungen  (als Ergebnis unzähliger „freiwilliger“ Arbeitsstunden  des Autors) könnte eine Basis dafür sein, den Umgang mit Pferden auf hohen moralischen Prinzipien zu gestalten – oder wie der große Denker Immanuel Kant es formulierte:
 
„Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“

Reinhard Kaun
Retz im Jänner 2023
 
PS: Beinahe hätte ich´s vergessen: Eine sehr treffende, aber markige Übersetzung des eingangs angeführten lateinischen Zitats zu diesem Epilog stammt aus der Feder von Josef Hader und ist hier nachzulesen ...

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