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Nach tödlichem Pferde-Drama auf A5: So reagiert man in Notsituationen richtig
24.07.2019 / News

Eine fatale Fehlentscheidung des Pferdebesitzers führte zu dem folgenschweren Unfall auf der A5 bei Karlsruhe.
Eine fatale Fehlentscheidung des Pferdebesitzers führte zu dem folgenschweren Unfall auf der A5 bei Karlsruhe. / Foto: ER24.de/Aaron Klewer

Ein Pferd auf der A5 bei Karlsruhe ist aus einem Anhänger ausgebrochen, auf die Fahrbahn gelaufen und überfahren worden – weil der Fahrer eine folgenschwere Fehlentscheidung getroffen hat. Wir haben Experten gefragt, wie man sich in Notsituationen richtig verhält.


Jede Hilfe zu spät kam am Montagabend (22. Juli) für ein Pferd, das auf der A5 aus einem Anhänger ausgebrochen war und einen Unfall verursacht hatte. Der 63-jährige Pferdebesitzer war zuvor – aufgrund eines schweren Lkw-Unfalls zwischen Karlsruhe-Nord und Bruchsal – mit seinem Pferdeanhänger über drei Stunden im kilometerlangen Stau gesteckt.

Nachdem er gegen 22.45 Uhr die Unfallstelle endlich passieren konnte, bemerkte er, dass sein Pferd auf dem Anhänger sehr unruhig war, weshalb er kurz vor der Anschlussstelle Bruchsal auf den Pannenstreifen fuhr. Bei der Inspektion stellte er fest, dass der hintere Huf seines Pferdes aus dem Anhänger hinausragte.

Beim Versuch, es zu befreien, öffnete der Mann die Hängerklappe, woraufhin das Pferd plötzlich aus dem Hänger auf die Fahrstreifen der Autobahn sprang. Dort wurde es vom Fahrer einer A-Klasse und eines VW-Tiguan tödlich erfasst, die dem Tier in der Dunkelheit nicht mehr rechtzeitig ausweichen konnten. Die Beifahrerin der A-Klasse wurde bei der Kollision verletzt und durch die Rettungskräfte in ein Krankenhaus gebracht.

Wie das Polizeipräsidium Karlsruhe meldete, entstand ein Sachschaden von 18.000,– Euro. Die beiden betroffenen Fahrzeuge mussten abgeschleppt werden, es kam auch auf diesem Autobahnabschnitt zu Staubildungen und Verzögerungen. Erst gegen 2.15 Uhr war die Unfallstelle wieder geräumt.

Expertin: „In Notsituationen – den Notruf wählen und Hilfe anfordern!"

Der dramatische Verlauf dieses Falles, der letztlich zum Tod eines Pferdes führte, macht einmal mehr deutlich, dass „Pferdetransport immer mit einem sehr hohen Risiko verbunden ist. Nicht nur das Be- und Entlanden ist gefährlich, sondern speziell auch der Transport mit Anhänger", so Spezialistin Claudia Wobornik, die selbst ein Notfall-Transportservice anbietet (www.pferde-transport.at). „Auf der Autobahn im Stau mit einem Pferd im Hänger – das kann sehr schnell für alle Beteiligten sehr gefährlich werden."

Ohne Zweifel wollte der Pferdebesitzer alles richtig machen und sein Pferd – das vermutlich mit einem Hinterbein über die Hängerrampe gekommen und dabei hängengeblieben war – instinktiv aus seiner Notlage befreien und vor einer Verletzung schützen. Doch unter diesen Umständen die Anhängerklappe zu öffnen war eine folgenschwere Fehlentscheidung, wie auch Claudia Wobornik bestätigt: „Auf der Autobahn – noch dazu auf dem exponierten Pannenstreifen, wo Autos und LKWs sehr knapp vorbeifahren – darf die Rampe keinesfalls geöffnet werden. Auch wenn das Tier versucht, sich zu befreien und sich dabei selber verletzt, muss man immer bedenken, dass man andere Personen gefährden oder sogar in Lebensgefahr bringen kann, wenn man auslädt."

Wenn während eines Transportes Probleme auftauchen oder das Pferd schon vorher sehr unruhig ist, sollte man die Autobahn umgehend verlassen bzw. von vornherein meiden. Wobornik: „Ich hatte vor kurzem einen Transport, wo das Pferd von Beginn an unruhig im Anhänger war, da habe ich mich sofort entschieden, NICHT auf die Autobahn zu fahren – auf einer Bundesstrasse lässt es sich im Notfall viel ungefährlicher ausladen."

Das einzig Richtige in der Notsituation auf der A5 wäre es gewesen, den Notruf zu wählen und Hilfe anzufordern, so Wobornik.

Dies nicht getan zu haben, war jedoch nicht der einzige Fehler des Pferdebesitzers, wie auch Dr. Reinhard Kaun, Tierarzt und gerichtlich beeideter Sachverständiger, bestätigt, der von ProPferd um eine Analyse und Stellungnahme gebeten wurde. Hier seine Ausführungen:

Experten-Tipps: Wie man Probleme beim Pferdetransport vermeidet – und in Notsituationen richtig reagiert

– Es ist immer leichtsinnig, Pferdetransporte alleine – ohne Beifahrer (wie beim Gespannfahren!!) – durchzuführen und sollte, ohne dass ein zwingender Grund vorliegt, vermieden werden. Ebenso leichtsinnig ist die Annahme, dass der Transport ohne Zwischenfälle verlaufen wird. Es besteht – je öfter man unterwegs ist – eine immer höher werdende Wahrscheinlichkeit für einen Zwischen- oder Notfall. Dies ist vorhersehbar! Ständiges Abhören des Verkehrsfunks und rechtzeitiges Verlassen der Autobahn bei Stauankündigung  ist eine Frage der Allgemeinen Verkehrssicherungspflicht.

– Bei großer Hitze sollte man die Autobahn überhaupt vermeiden, wenn es eine zumutbare und vernünftige Alternative auf Bundesstrassen gibt. Selbst nach kurzem Stau entsteht im Transporter brütende Hitze. Sollte das Fahrzeug aber zum Stehen kommen, müssen sowohl als Tränke wie auch zum Kühlen (besonders am Hals) vorsorglich mitgebrachte Wasserreserven (einige Kanister!!) zum Einsatz kommen.

–  Bei im Stau stehenden Fahrzeugen sollte der Beifahrer auf das Durchlüften des Transportfahrzeuges achten, während der Fahrer vorrückt – beides ist zeitgleich nicht möglich und erhöht Stress und Unruhe. Die Verladeklappen dürfen jedoch nie geöffnet werden, um eine Fluchtreaktion des/der Pferde zu unterbinden.

– NIE und NIMMER  darf auf Autobahnen/Schnellstraßen ein Entladevorgang geplant oder durchgeführt werden – dies endet regelmäßig im Desaster.

– Ist eine Entladung unumgänglich, so ist von der Polizei vorher (!) eine Totalsperre der Fahrbahnen in beiden Richtungen zu verfügen – der Mittelstreifen ist kein unüberwindbares Hindernis!

– Prinzipiell sollte immer die Autobahn/Schnellstrasse auf schnellstem Wege in Richtung freies Gelände verlassen werden, sobald sich eine Notsituation (Unruhe eines sonst transporterfahrenen Pferdes) ankündigt. Bevor dort aber entladen wird, soll mit einem (mitgeführten) Trassierband rund um das Fahrzeug ein „Weidezaun" errichtet werden - dies ist zwar kein mechanische, aber eine sehr wirkungsvolle und den Pferden bekannte, optische Barriere.

– § 285 a ABGB > Pferde sind keine Sachen und werden durch besondere Gesetze geschützt: deshalb ist die Polizei, ASFINAG, ÖAMTC usw. zur Hilfeleistung verpflichtet – diese Hilfeleistung  sollte man  aber sofort  beim Auftreten von Schwierigkeiten beanspruchen, nicht erst, wenn die Situation (fast) aussichtslos ist.

– Die Routenplanung bei einem Pferdetransport muss alle am Wege liegenden Tierarztpraxen/Pferdekliniken umfassen.

– Bei häufigen Transporten sollte beim Vertrauenstierarzt ein milde wirkendes Beruhigungsmittel besorgt werden, dass möglichst schon zu Beginn einer kritischen Situation angewendet werden muss, nicht erst, wenn sich Erregung schon aufgebaut hat. Die beste Beruhigung ist aber eine in sich ruhende Vertrauensperson im Transportfahrzeug, auch wenn dies von der Gesetzeslage problematisch ist.

Prinzpiell ist der Fahrer eines Pferdetransportes keineswegs von jeder Verpflichtung befreit:
– Vorhersehbarkeit
– Zumutbarkeit
– Verkehrssicherungspflicht
– Vertrauensgrundsatz
– Schadensminderungspflicht
– § 1299 ABGB – Sachverständige >Je höher der Ausbildungsgrad (Reitlehrer, internationaler Turnierreiter usw.), umso höher ist Latte der Verantwortung gelegt!

Univ.Lektor VR Mag. Dr. Reinhard Kaun ist Fachtierarzt für Pferdeheilkunde, Fachtierarzt für physikalische Therapie & Rehabilitationsmedizin sowie Allgemein beeideter & gerichtlich zertifizierter Sachverständiger (Sachverständigenbüro für klinische und forensische Veterinärmedizin, Tierhaltung & Pferdewissenschaften) Kontakt: 2070 Retz, Herrengasse 7, Web: www.pferd.co.at | www.pferdesicherheit.at

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