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Nasenriemen-Verschnallung im Pferdesport: Fortschritt und Verwirrung
09.10.2022 / News

Im Idealfall zeigt die ISES-Schablone einen Abstand zwischen Nasenriemen und Nasenrücken von 1,5 cm (= 2 Finger Abstand) – in der aktuellen Studie war dies immerhin bei 71 % der geprüften Turnierpferde der Fall.
Im Idealfall zeigt die ISES-Schablone einen Abstand zwischen Nasenriemen und Nasenrücken von 1,5 cm (= 2 Finger Abstand) – in der aktuellen Studie war dies immerhin bei 71 % der geprüften Turnierpferde der Fall. / Symbolfoto: Archiv

Eine von der Universität Guelph in Kanada durchgeführte aktuelle Studie untersuchte die Praxis und die theoretischen Ansichten kanadischer ReiterInnen hinsichtlich der Verschnallung des Nasenriemens. Die Ergebnisse zeigen: Es gibt Fortschritte – aber auch viel Unwissen und Verwirrung.


An der Studie, die von der University of Guelph durchgeführt wurde, nahmen 19 Stewards auf freiwilliger Basis teil, die während der Saison 2021 bei 32 kanadischen Reitsportveranstaltungen mit einer normierten Mess-Schablone (ISES taper gauge) den Sitz des Nasenriemens bei 551 Turnierpferden überprüften. Die Verwendung der Schablone ermöglichte es den Stewards festzustellen, ob die Pferde jeweils ein standardisiertes Maß von einem oder zwei Fingern zwischen dem Nasenrücken und dem Nasenriemen aufwiesen.

Die gute Nachricht: Von den 551 mit der ISES-Schablone überprüften Pferden bestanden immerhin 71 % die 1,5-cm-Messung (was einem Abstand von zwei Fingern zwischen Nasenriemen und Nasenrücken entspricht). Weitere 19 % meisterten die 1-cm-Messung, was einem Abstand von einem Finger entspricht, so Katrina Merkies und ihre Forscherkollegen in der Zeitschrift Animals. Nur 10 % der Turnierpferde hatten ihre Nasenriemen so fest verschnallt, dass die Mess-Schablone nicht darunter geschoben werden konnte.

Frühere Untersuchungen waren zu erheblich schlechteren Resultaten gekommen: 2013 untersuchten irische Wissenschaftler rund um Orla Doherty von der Universität Limerick, wie eng Nasenriemen in der Praxis verschnallt werden. Die Ergebnisse waren ernüchternd: Von 201 jungen Vielseitigkeits- und Hunterpferden, die untersucht wurden, hatten nur 12% die Nasenriemen locker genug angelegt, um zwei Finger darunter zu führen. 47% hatten die Nasenriemen so eng verschnallt, dass gar keine Finger darunter gepasst haben.

Das in der aktuellen Studie deutlich bessere Ergebnis legt nahe, dass die jahrelangen kritischen Diskussionen rund um den Nasenriemen und seine korrekte Verschnallung offensichtlich ihre Spuren in der Reiter-Community hinterlassen und zu deutlichen Verbesserungen geführt haben.

Darüber hinaus wurden im Rahmen der aktuellen Studie auch 1.528 Mitglieder des Kanadischen Pferdesportverbands (Equestrian Canada) und 27 Stewards zu ihren Meinungen und Wahrnehmungen bezüglich Verwendung, Anpassung, Regelungen und Überprüfung der Nasenriemen-Verschnallung befragt. Hier zeigte sich ein wenig einheitliches Bild.

Bei der Befragung der Stewards stimmten diese einhellig zu, dass zu fest verschnallte Nasenriemen ein Problem für das Wohlergehen darstellen – 63 % meinten aber, dass dies nur eine kleine Untergruppe von Reitern betrifft. Während 60 % der Stewards die derzeitigen Regeln für ausreichend hielten, waren immerhin 40 % der Meinung, dass dies nicht der Fall sei. Obwohl 84 % der Stewards der Meinung waren, dass es eine standardisierte Anpassungsmethode für alle Disziplinen geben sollte, waren 52 % der Ansicht, dass die Verwendung der ISES-Schablone in ihrem eigenen Ermessen liegen sollte.

Bei der Mitglieder-Befragung zeigten sich bemerkenswerte Unterschiede zwischen Turnier- und AmateurreiterInnen: Während 88 % der AmateurreiterInnen der Meinung waren, dass ein zu fest angezogener Nasenriemen das Pferdewohl infrage stellt, waren es bei den ProfireiterInnen mit 76 % deutlich weniger. Letztere zeigten sich auch gegenüber der normierten ISES-Schablone deutlich skeptischer: Nur 44 % der ProfireiterInnen hielten die Schablone für eine faire Methode zur Beurteilung der Nasenriemen-Verschnallung, bei den AmateurreiterInnen waren es immerhin 68 %. Nur etwas mehr als die Hälfte der Befragten (51,5 %) glaubte, dass die geeignete Stelle für die Überprüfung der Nasenriemen-Verschnallung der Nasenrücken ist.

Die Studien-AutorInnen kamen angesichts dieser Umfrage-Ergebnisse zu einer differenzierten Einschätzung: „Trotz der Anerkennung der Tierschutzprobleme waren die kanadischen Umfrageteilnehmer uneins darüber, wie diese Probleme am besten angegangen werden können und welche Gruppen von Pferden möglicherweise am stärksten davon bedroht sind. In ähnlicher Weise demonstrierten sowohl die Steward- als auch die Mitgliederbefragungsteilnehmer in dieser Studie gegensätzliche Standpunkte in Bezug auf den angemessenen Sitz des Nasenriemens, die Verwendung eines standardisierten Werkzeugs und die Implementierung von Nasenriemen-Regelungen in allen Disziplinen. Eine vergleichbare Studie mit holländischen Reitern zeigte ähnliche widersprüchliche Überzeugungen in Bezug auf die Nasenriemen-Verschnallung und das Pferdewohl. Darüber hinaus nannten die Teilnehmer der Mitgliederbefragung zahlreiche andere Probleme, die ihrer Meinung nach wichtiger waren als der Sitz des Nasenriemens, wie das Verbot bestimmter Arten von Nasenriemen, generell die Misshandlung von Pferden und schlechte Trainingspraktiken.“

Insgesamt zeigten sich – je nach Interessenlage – deutliche Meinungsunterschiede und auch mangelndes Wissen über aktuelle Forschungsergebnisse, so die AutorInnen: „Während die Teilnehmer der Mitgliederbefragung theoretisch einer standardisierten Überprüfung der Nasenriemen-Verschnallung in allen Disziplinen zustimmte, deuteten zahlreiche Kommentare auf Meinungsverschiedenheiten darüber hin, wie, wann und warum Nasenriemen überprüft werden sollten. Insbesondere Profis bzw. LeistungssportlerInnen waren weniger überzeugt von der Fairness der Verwendung einer Mess-Schablone und unterstützten die Einführung neuer Regeln weniger. Fehlinformationen oder Missverständnisse der Forschungsergebnisse waren offensichtlich, was darauf hindeutete, dass Reiter, Trainer und Trainer über die Bedeutung eines angemessenen Sitzes des Nasenriemens und die Folgen eines zu fest verschnallten Nasenriemens noch mehr aufgeklärt werden müssen.“

Die AutorInnen machten dafür auch konkrete Vorschläge: „Die Stewards selbst könnten, sobald sie richtig geschult sind, ein Kommunikationskanal sein, um aktuelle Informationen über den Sitz des Nasenriemens zu vermitteln. Es wäre ein einfacher Schritt, Informationen über die Passform des Nasenriemens in die Anforderungen für die Trainerlizenz oder ein obligatorisches kurzes informatives Video als Teil der Turnierlizenz aufzunehmen. In anderen Ländern wie der Schweiz gibt es bereits ähnliche Vorschriften, bei denen Pferdebesitzer verpflichtet sind, vor der Pflege mehrerer Pferde einen entsprechenden Wissensnachweis bezüglich des Pferdewohls zu erhalten.“

Eine erfolgreiche Aufklärung und das Aufgreifen aktueller Forschungsergebnisse durch Aktive würde eine kontinuierliche Verbesserung der Lebensqualität und des Wohlbefindens von Pferden ermöglichen, so die AutorInnen. Sie plädierten auch dafür, Nasenriemen in Disziplinen optional zu machen, die sie derzeit noch verpflichtend vorschreiben. Positiv ist jedenfalls zu vermerken, dass es trotz unterschiedlicher Sichtweisen den klaren Wunsch gab, die Lebensqualität der Pferde zu verbessern. Dabei gibt es – wie auch die aktuelle Studie zeigt – tatsächlich Fortschritte, aber es bleibt auch noch einiges zu tun …

Die Studie „Noseband Fit: Measurements and Perceptions of Canadian Equestrians" von Katrina Merkies, Caleigh Copelin, Nicolas Small und Joelene Young ist am 4. Okt. 2022 in der Zeitschrift ,animals' erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.

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