Nach der Brandkatastrophe im Reitstall Bergmühle muss jedem Stallbesitzer klar sein, dass man für derartige Katastrophen vorbereitet sein muss – durch einen Katastrophenplan und regelmäßige Notfallübungen, so der gerichtlich beeidete Sachverständige Dr. Reinhard Kaun.
Die Bilder des verheerenden Brandes und der meterhoch aufschießenden Flammen im Reitstall Bergmühle in der Steiermark, bei dem Ende März sieben Pferde zu Tode kamen, sorgten landesweit für Entsetzen. Für den Tierarzt und gerichtlich beeideten Sachverständigen Dr. Reinhard Kaun, der sich jahrzehntelang mit den Themen Sicherheit und Notfall-Prävention im Pferdebereich beschäftigt hat, wirft sie vor allem eine Frage auf: War man auf ein derartiges Geschehen vorbereitet? Es ist eine Frage, die sich jeder Stallbereiter stellen sollte – ja, stellen muss, so Dr. Reinhard Kaun, einerseits wegen der Obliegenheit der Schadenminderungspflicht und andrerseits: Nur, wenn man entsprechend vorbereitet und für den Ernstfall gewappnet ist, hat man die Chance, solche Katastrophen zu vermeiden oder zumindest den Schaden für Mensch und Tier so gering wie möglich zu halten.
„Be prepared!" – ,Sei vorbereitet!', das war und ist Dr. Kauns Wahlspruch, dem er ein Leben lang gefolgt ist. Er rief 1996 – nach Schweizer Vorbild – gemeinsam mit DDr. Rudolf Rautschka die Pferdesamariter-Ausbildung in Österreich ins Leben: Diese sollten bei Notfällen die Rettungskette zwischen Pferdebesitzer und Tierarzt schließen und gut ausgebildete Ersthelfer in akuten Notsituationen sein. Später folgte das „Upgrade“ - die Ausbildung zum Pferdesanitäter sowie die Ausarbeitung eines Regulativs für „Fire & Emergency VETs", also für Notfall-Tierärzte. Und er hat – ebenfalls über Jahrzehnte hinweg – Pferdebetriebe in Sicherheitsfragen beraten und für viele davon auch Notfall- bzw. Katastrophenpläne entworfen.
„Unfälle, Brände usw. sind zu erwartende Ereignisse, auf die man sich ,fachkundig' vorbereiten kann", so Dr. Kaun – entsprechende Pläne habe er für alle größeren Pferdebetriebe erstellt, für die er tätig war, stets in Zusammenarbeit mit der örtlichen Freiwilligen Feuerwehr, dem Roten Kreuz sowie Ärzten und Tierärzten. Nur, wenn man auf den Ernstfall entsprechend vorbereitet ist und einen Einsatz gründlich geplant hat, könne man effizient agieren und die negativen Folgen – insbesondere für Mensch und Pferd – begrenzen, so Dr. Kaun.
Die Vorbereitung muss dabei folgende wesentlichen Punkte umfassen
1. Schulungen von Einsatzkräften im „Trockenen“: Umgang mit Pferden, besondere Tiergefahr, Wahrnehmung von Pferden, richtiges Führen usw.
2. Erarbeitung eines Notfallplanes
3. Sorgfältig geplante Einsatzübung mit erfahrenen Supervisoren und strenger Manöverkritik
4. Im Schwierigkeitsgrad aufbauende Übungen alle 1 bis 2 Jahre
5. Einbeziehung der Pferdebesitzer und örtlichen Tierärzte, aber auch des Roten Kreuzes sowie von Ärzten und Notärzten
6. Herausfiltern, welche Feuerwehrleute sich überhaupt zum Einsatz mit Tieren resp. Pferden eignen.
Neben Schulungen und regelmäßigen Einsatzübungen ist ein detaillierter Notfall- bzw. Katastrophenplan das Herzstück jeglicher Vorbereitung. Dieser muss alle wesentlichen Punkte bzw. Fragen umfassen, die sich bei einem Notfall stellen können:
– Bewohner: Wer wohnt auf dem Anwesen (um sicher abklären zu können, wer im Notfall noch in Gebäuden aufhältig sein könnte und gerettet werden muss)?
– Lageplan: Welche Gebäude befinden sich wo auf dem Anwesen, wie sind diese baulich ausgeführt, wo werden Einstreu, Futtermittel oder sonstige brennbare Materialien gelagert?
– Zufahrten: Von welchen Richtungen und über welche Straßen und Wege ist das Anwesen erreichbar, wo können Feuerwehren zufahren, wo bestehen Wendemöglichkeiten?
– Pferde: Wieviele Pferde befinden sich auf dem Anwesen, wie ist deren Temperament und Charakter? In einem Dossier sollten die Pferde abgebildet sein, sodass sie – auch durch Laien – klar identifiziert werden können.
– Haustiere: Welche Tiere sind ansonsten noch auf dem Anwesen – Hunde, Katzen, Kaninchen etc.?
– Brandbeschleuniger: Wo lagern Heu, Stroh, Sägespäne? Gibt es besondere Gefahrenherde – etwa einen Öllagerraum oder ein Lager für Treibstoffe etc.?
– Infrastruktur für Löscheinsätze: Gibt es einen Hydranten in der Nähe bzw. sonstige mögliche Löschwasser-Quellen (Bäche, Teiche etc.)?
– Evakuierung: Wohin können Menschen und Tiere im Katastrophenfall gebracht werden (Sammelplatz Tiere, Sammelplatz Mensch, San-Hist, Vet-Hist)–
– Pferdeboxen: Wie sind diese ausgeführt, wie lassen sie sich öffnen?
– Pferdesammelplatz: Wo können die Pferde nach der Evakuierung gefahrlos hingebracht und sicher verwahrt werden? (Pferde nach dem Evakuieren nie freilassen!!!!)
– Rettungsdienstliche Details: Sämtliche wichtigen Notrufnummern und Kontakte (Feuerwehr, zuständige Polizei, Rettung, Hausarzt, Haustierarzt, Tierheime etc.) sollten zusammengefasst und aktuell gehalten werden und an gut sichtbaren und zugänglichen Stellen auf dem Anwesen angebracht werden.
Wie Dr. Kaun aus seiner jahrezehntelangen Erfahrung weiß, sind Notsituationen in der ersten Phase immer von Chaos und Konfusion geprägt – darum ist die deutliche Beschilderung von Fluchtwegen, Sammelplätzen sowie die klare Kennzeichnung von Hilfspersonen im Ernstfall enorm wichtig und sogar lebensrettend. Eine derartige Beschilderung schafft rasche, leichte Orientierung (auch und gerade für betriebsfremde Personen) und hilft dabei, die Ordnung und den geregelten Einsatz zu unterstützen.
Vorlagen für eine derartige Beschilderung hat Dr. Reinhard Kaun bereits vor Jahren entwickelt und können hier kostenfrei heruntergeladen werden. Die jeweiligen Pictogramme können auf Karton ausgedruckt und laminiert werden. Die Größe sollte 15 x 25 cm nicht unterschreiten und kann je nach Platzierung auch größer sein. So aufbereitet sind sie wetterbeständig für lange Zeit benutzbar. Zur Kennzeichnung eines Fluchtwegenetzes in einem größeren Pferdebetrieb ist es ratsam, einen Experten der örtlichen Feuerwehr beizuziehen. Zu beachten ist streng, dass die Fluchtwege auch immer frei gehalten werden.
Als wichtige Planungsmaßnahme ist auch ein Landeplatz für den Rettungshubschrauber in räumlicher Nähe vorzusehen, der keine Gefahr für Pferde (auf Weide, Koppel oder Sammelplatz) birgt und der leicht durch einen Rettungstransportwagen angefahren werden kann.
Nicht alle Unfälle, Brände oder sonstigen Katastrophen lassen sich vermeiden – das ist die traurige Wahrheit. Aber man hat als Stallbetreiber die Pflicht und die Verantwortung, sich bestmöglich auf solche Geschehnisse vorzubereiten und dies auch als Teil seiner Sorgfaltspflichten zu betrachten. „Jeder Stallbetreiber und Veranstalter wird gut beraten sein, vorbeugende Sicherheitsmaßnahmen und Notfallkonzepte zu erstellen, um einer späteren Schadenersatzklage durch Einsteller und Teilnehmer zu entgehen. Der finanzielle Aufwand für solche Konzepte ist zu vernachlässigen, denn Sicherheit beginnt im Kopf", so Dr. Kaun.
Das haben hoffentlich – nach den dramatischen Vorfällen der letzten Wochen – alle begriffen ...
Univ.Lektor VR Mag. Dr. Reinhard Kaun – Sachverständigenbüro für klinische und forensische Veterinärmedizin, Tierhaltung & Forensische Hippologie
Fachtierarzt für Pferdeheilkunde em., Fachtierarzt für physikalische Therapie & Rehabilitationsmedizin em., Allgemein beeideter & gerichtlich zertifizierter Sachverständiger, A 2070 Retz, Herrengasse 7, Tel. +43.699.10401385 , Web: www.pferd.co.at | www.pferdesicherheit.at