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Das sagt der Pferdetierarzt: zum Thema Chips
02.01.2024 / News

Chips bei Pferden sind eine gefürchtete Diagnose: Sie können im Gelenk zu Knorpelläsionen und zu Entzündungen führen und im schlimmsten Fall zu einer irreversiblen Lahmheit führen. Eine frühzeitige Erkennung und rechtzeitige Behandlung sind Schlüsselfaktoren, um dies zu verhindern, wie Pferdetierarzt Mag. Wolfgang Himsl im Interview verrät.

Die Fachgebiete von Mag. Wolfgang Himsl sind Kolikchirurgie, Orthopädie, Sportmedizin und Chirurgie. Foto: Pferdeklinik Tillysburg/www.pferdeklinik.at


ProPferd: Welche Bedeutung hat der lateinische Begriff ,Osteochondrose' (OC) beziehungsweise ,Osteochondrosis dissecans' (OCD)?

Mag. Himsl: Die Osteochondrose (OC) beschreibt eine Wachstumsstörung im Gelenk. Bei der OCD handelt es sich ebenfalls um eine Entwicklungsstörung des Gelenks, wobei es zur Ablösung eines sich verknöchernden Teils kommt, eben dem Chip!

ProPferd: Was genau ist ein Chip – und stimmt es, dass sie in den letzten Jahren bei immer mehr Pferden zu finden sind?

Mag. Himsl: Chips sind kleine Fragmente im Gelenk, die in der Regel bereits beim wachsenden Pferd entstehen und röntgenologisch sichtbar werden sobald sie einen gewissen Verknöcherungsgrad erreicht haben.
Die Frage, ob Chips in den letzten Jahren wirklich häufiger geworden sind, ist für mich schwer zu beantworten. Fakt ist jedoch, dass aufgrund der heutigen besseren Röntgentechnik jedenfalls viel weniger davon übersehen werden. Auch die steigende Anzahl an Röntgenbildern bei Kaufuntersuchungen hat zur Folge dass die Chance einen Chip zu übersehen deutlich sinkt.

 

Diagnose- und Operationsmethoden für Chips haben sich in den letzten Jahren entscheidend verbessert. Foto: Pferdeklinik Tillysburg/www.pferdeklinik.at

ProPferd: Wo finden sich im Regelfall Chips beim Pferd?

Mag. Himsl: Häufig finden wir die Chips in Sprung- und Fesselgelenken, gefolgt von Knie- und Hufgelenken, selten in Krongelenken. Chips in anderen Gelenken sind prinzipiell möglich aber selten.
Ein für uns eher neues Thema sind sicherlich Chipfragmente in den Facettengelenken der Halswirbelsäule, die wir früher schlichtweg kaum darstellen konnten. Heute finden wir sie dank besserer Röntgentechnik oder mittels Computertomographie.

ProPferd: Wie kommt es beim Pferd überhaupt zu Chips?

Mag. Himsl: Als Ursachen gelten erbliche Faktoren, aber auch die Konditionen des Aufwachsens sowie Qualität und Menge des Futters.

ProPferd: Mit welchen Folgen ist bei CHIPS für das Tier zu rechnen?

Mag. Himsl: Das Problem der Chips ist letztlich die Möglichkeit, dass sie im Gelenk Knorpelläsionen, sowie Gelenkentzündungen verursachen können. Wir können nur oft im Vorhinein nicht sagen, welcher Chip später mal zu einem klinischen Problem führen wird und welcher vielleicht ein Pferdeleben lang nicht stört.

ProPferd: Wann wird ein CHIP dann letztendlich zum Problem für das Tier?

Mag. Himsl: Wie bereits angedeutet wird es zum Problem, wenn der Chip den Knorpel verletzt. In manchen Fällen klemmt sich der Chip in Den Gelenksspalt ein und verursacht schwerwiegende Defekte des Knorpels.
Wird der Chip erst dann entfernt haben Sie später immer noch mit den Folgen der Verletzung zu kämpfen.

ProPferd: Wie diagnostizieren Sie CHIPS in Ihrer Klinik?

Mag. Himsl: Klassischerweise werden die Chips durch eine Röntgenuntersuchung dargestellt. Manchmal stellt es sich aber als herausfordernd dar, diese zu finden. Es kann durchaus sein, dass sie 4 oder mehrere Röntgenbilder eines Gelenks brauchen um einen Chip zu identifizieren.

Chips vor und nach einer OP. Foto: Pferdeklinik Tillysburg/www.pferdeklinik.at

ProPferd: Die Diagnose ,Chip' ist für viele Pferdebesitzer ein Horrorszenario. Ist das berechtigt – und wann müssen Chips tatsächlich entfernt werden?

Mag. Himsl: Das muss man sehr differenziert betrachten. Die Mehrheit der Chips bei unseren Sportpferden werden bereits früh diagnostiziert und je nach Lokalisation wird dann sehr oft prophylaktisch oder auch aus verkaufstaktischen Gründen das Gelenk arthroskopiert. Dabei wird der Chip entfernt und das Pferd kann nach kurzer Zeit wieder ohne Einschränkung belastet werden.
Schwieriger stellt sich die Situation dar, wenn das Gelenk durch einen oder mehrere Chips bereits massive arthrotische Veränderungen erfahren hat und irreversible Schäden im Gelenk entstanden sind. Da kann es tatsächlich auch sein, dass dieses Pferd nie wieder lahmfrei wird.

ProPferd: Mit welcher Methode werden Chips operativ entfernt?

Mag. Himsl: Heute werden Chips arthroskopisch entfernt, d.h. es wird mit einer Minikamera ins Gelenk geschaut, der bzw. die Chip(s) werden dargestellt und mit einer Zange, die durch ein zweites Portal ins Gelenk eingebracht wird, entfernt.
D.h. im Normalfall haben Sie am Ende der OP zwei kleine Schnitte die vernäht werden und nach einigen Tagen abgeheilt sind.
Wir füllen das Gelenk während der OP mit Gas auf, um einen guten Überblick zu bekommen. Nach der Chipentfernung wird das Gelenk einer ausgiebigen Spülung unterzogen. Anschließend wird das Bein zum Schutz des operierten Gelenkes aufwendig verbunden.

Knorpelschäden im Fesselgelenk durch einen eingeklemmten Chip. Foto: Pferdeklinik Tillysburg/www.pferdeklinik.at

ProPferd: Mit welchen Kosten muss ich bei einer CHIP OP rechnen?

Mag. Himsl: Die Kosten für eine Chipentfernung können erheblich differieren, je nachdem, ob ein oder mehrere Gelenke operiert werden müssen, ob Voruntersuchungen notwendig sind, und wie viele Tage das Pferd in der Klinik bleibt. Am besten man spricht es vorher mit dem jeweiligen Tierarzt ab, dann gibt es später keine Überraschungen.

ProPferd: Wie schaut die Nachversorgung nach einer solchen Operation aus und wie lange bleibt das Pferd im Regelfall in Rekonvaleszenz?

Mag. Himsl: Im Regelfall kann ein arthroskopierter Patient bei uns drei Tage nach der OP die Klinik verlassen. Anschließend sollte das Bein noch alle zwei bis drei Tage einen neuen Verband bekommen, die Fäden mit denen die Arthroskopieportale verschlossen werden, sollten ca. 10 bis 12 Tage nach der OP gezogen werden.
Bis dahin hat das Pferd Boxenruhe und kann anschließend  kontrolliert an der Hand Schritt geführt werden.
Normalerweise lasse ich die Pferde dann vier bis sechs Wochen nach der OP wieder mit dem Training beginnen, außer es müssen Nachbehandlungen wegen Knorpelschäden oder einer bestehenden Lahmheit erfolgen.

ProPferd: Wie kann ich dem Pferd die Rekonvaleszenz–Zeit so angenehm wie möglich gestalten?

Mag. Himsl: Ich denke, das 2-3 mal am Tag eine kurze Schrittbewegung günstig für das Pferd ist.

ProPferd: Sie sind selbst erfolgreicher Turnierreiter. Wie setzen Sie einen Trainingsplan für den Wiederaufbau des Pferdes nach einer CHIP-OP an?

Mag. Himsl: Letztlich hängt es von mehreren Faktoren ab. Die meisten Chip OPs werden ja mittlerweile prophylaktisch durchgeführt, sprich das Gelenk hat noch keine Schäden, der Patient war vor der OP nicht lahm.
Da es meist junge, noch nicht angerittene Pferde sind, die nicht unter dem Sattel aufgebaut werden können, lasse ich die oft schon nach vier Wochen wieder auf die Koppel.
Einen Patienten mit deutlichen Knorpelschäden empfehlen wir einige Zeit nach der Operation noch eine Nachbehandlung des Gelenks mit Stammzellen um die Reparatur des Gelenkknorpels zu unterstützen. Bei solchen Patienten nütze ich auch gerne die Möglichkeit eines Wasserlaufbands bevor mit der Arbeit unter dem Sattel begonnen wird.

ProPferd: Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Britta Bruckmüller-Schweinhage.


Zur Person

Mag. Wolfgang Himsl ist Partner in der Pferdeklinik Tillysburg in Oberösterreich mit Studiumabschluss an der Vetmed Universität Wien 2005. Er ist erfahrener Kolikchirurg, enthusiastischer Orthopäde, Sportmediziner und Chirurg und zeichnet sich besonders durch seine Besonnenheit, Klarheit, treffsichere Diagnostik und Therapieansätze aus. Als unschlagbarer Pferdemensch hat er sich auch als internationaler Dressurreiter einen Namen gemacht. Für den österr. Pferdesportverband begleitete er die österreichischen Dressurreiter/innen als Mannschaftstierarzt zu den Olympischen Spielen, Europameisterschaften und Weltmeisterschaften.

Weitere Infos zum Thema gibt's auf der Website der Pferdeklinik Tillysburg!

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