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Kriminelle Aspekte in der Hippologie: Pferdesport und Tierschutz
06.01.2024 / News

Es bedurfte einiger unschöner ,Vorkommnisse', um ein generelles Umdenken zu Gunsten von Tierschutz, Sicherheit und Notfallprophylaxe im Rahmen des geregelten Pferdesportes zu etablieren, aber Zug um Zug nahm die Idee Fahrt auf – auch der Autor dieser Reihe trug nicht unwesentlich zu dieser Entwicklung bei.


Pferdesport, Tierschutz und Unschuld
„Ich verstehe zur Zeit die Welt nicht mehr“ der junge Herr wirkte bekümmert, Besorgnis zeichnete sein junges Gesicht „da wirft einerseits der Stellvertreter Gottes auf Erden einen seiner purpurtragenden Spitzenbeamten ins Gefängnis, andrerseits…..“ der alte Herr fiel ihm ins Wort: „ Gleichnisse sind Instrumente des Glaubens – ein kleiner Bub aus einem ärmlichen Bergbauerndorf besuchte seinen Paten, der im Schatten eines bedeutsamen Barockstiftes wohnte und suchte mit dem Wahlverwandten auch die Kirche des Stiftes auf, ein Juwel der Baukunst – der ärmliche Bescheidenheit gewohnte Bub war überwältigt vom Glanz und Reichtum der Basilika und sah seinen Paten fragend an: „Ja mein Lieber“ sagte dieser freundlich „hier wohnt der Liebe Gott!“ „Aber Herr Göd“ erwiderte der Bub aufgeregt, „die Frau Mutter sagt immer, der Liebe Gott wohnt im Himmel!“ „Das ist natürlich richtig!“ gab der Herr Göd schnell zurück „…..aber hier in der Kirche hat er sein Geschäft!“
Die Gefährtin des jungen Herren verzog etwas gequält ihr Gesicht: „Das ist wohl eine alpenländische Adaption aus Salcia Landmanns im Jahre 1960 erschienenen   Buchs Der jüdische Witz?“
Der alte Herr zuckte mit der Achsel, man sah ihm an, dass es ihm Freude bereitete in Gesellschaft gebildeter Menschen zu sein und fuhr dann, zum jungen Herrn gewendet, fort: „Aber entschuldigen Sie, ich bin Ihnen ins Wort gefallen, Ihrem `einerseits` sollte wohl noch ein `andererseits` folgen?“
„…..andererseits“ so der junge Herr „ laufen, fliegen und segeln Verkäufer von heißer Luft unbehelligt frei herum – ich frage mich, was bedeutet „kriminell“ eigentlich noch?“

Das Bedeutungswörterbuch des DUDEN definiert den Begriff „kriminell“, der im Titel dieser Serie verankert ist, „als strafbare Handlung, als Verbrechen geltend“ und befindet eine „kriminelle Tat“ als Gesetzwidrigkeit; umgangssprachlich jedoch als „besonders empörend, Aufsehen erregend, als unglaublich und skandalös“

„Sie wollten“ fuhr der alte Herr zu seinen Gästen gewandt fort „heute der Frage nachgehen, ob Tierquälerei oder Missbrauch von Pferden im Sinne von Verstößen gegen die fünf Freiheiten auch im geregelten Pferdesport zu beobachten ist. Für Pferdesport, der innerhalb der Reglements von Ländern oder des Weltpferdesportes abgeführt wird, gilt im Großen und Ganzen als Üblichkeit: Was regelwidrig ist, ist auch rechtswidrig. Bedeutsame Begriffe im Rahmen von Ausübung regelhaften Pferdesports sind Vorhersehbarkeit, Allgemeine Verkehrssicherungspflicht und Tatbegehung durch Unterlassung. Ich habe zu diesen Themen für Sie einige Kopien für Ihr I-Pad vorbereitet:

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§ 2 StGB – Begehung durch Unterlassung
Bedroht das Gesetz die Herbeiführung eines Erfolges mit Strafe, so ist auch strafbar, wer es unterlässt, ihn abzuwenden, obwohl er zufolge einer, ihn im Besonderen treffenden Verpflichtung durch die Rechtsordnung dazu verhalten ist und die Unterlassung der Erfolgsabwendung einer Verwirklichung des gesetzlichen Tatbildes durch ein Tun gleichzuhalten ist.
 
Vorhersehbarkeit - Rechtssatz
Für die Zurechnung der schwereren Folge ist die Vorhersehbarkeit derselben das entscheidende Merkmal (MDR 1972,157). Ein Erfolg ist voraussehbar, wenn er nach den Erfahrungen des täglichen Lebens eintreten konnte. Dass jemand nach wuchtigem Aufschlagen des Kopfes an Hirnverletzung stirbt, entspricht durchaus der Lebenserfahrung. Die Voraussehbarkeit des Verlaufs im Allgemeinen genügt; die konkreten Einzelheiten des Geschehensablaufs brauchen für den Täter nicht vorhersehbar gewesen zu sein. Deshalb ist nicht erforderlich, dass für den Täter die schlechtere Blutgerinnungsfähigkeit des Opfers und das von den behandelnden Ärzten verspätet erkannte Hirnbluten vorhersehbar waren.

Allgemeine Verkehrssicherungspflicht - Rechtssatz
Die Verkehrssicherungspflicht entfällt bei Schaffung oder Duldung einer besonderen Gefahrenquelle nicht schon dann, wenn jemand ohne Gestattung in einen fremden Bereich eingedrungen ist. Besteht die Möglichkeit, dass Personen versehentlich in den Gefahrenbereich gelangen, oder dass Kinder und andere Personen, die nicht die nötige Einsichtsfähigkeit haben, um sich selbst vor Schaden zu bewahren, gefährdet werden, oder besteht eine ganz unerwartete und große Gefährdung, so kann eine Interessenabwägung ergeben, dass der Inhaber der Gefahrenquelle dennoch zumutbare Maßnahmen zur Vermeidung von Schädigungen zu ergreifen hat.

Verkehrssicherungspflicht Dr. Stefan Pichler, LL.M.:
 Nach § 1311 ABGB haftet jemand, der ein Gesetz übertritt, das zufälligen Beschädigungen vorzubeugen sucht, für jeden Nachteil, der sonst nicht eingetreten wäre. § 1311 ABGB setzt Verschulden voraus. Beispiel für eine solches Schutzgesetz ist die Straßenverkehrsordnung oder die Verordnung, dass Hunde an der Leine geführt werden müssen. Jeder, der einen Verkehr eröffnet (z.B. auf Wegen oder in Gebäuden oder auf Spielplätze), muss die Verkehrsteilnehmer im Rahmen des Zumutbaren schützen und vor Gefahren warnen. Darüber hinaus hat jeder, der eine Gefahrenquelle schafft oder in seinem Bereich bestehen lässt, dafür zu sorgen, dass sie niemanden schädigt.
 Oberster Gerichtshof: Für das Ausmaß der Sicherungspflicht ist entscheidend, ob nach den Erfahrungen des täglichen Lebens eine nahliegende und voraussehbare Gefahrenquelle bestand.

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„Bis in die Mitte der Achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts gab es nur wenige Unfälle im Rahmen von geregeltem Pferdesport, was nicht weiter verwunderlich ist, da erst etwa ab 1970 Pferdesport – nach dem zweiten Weltkrieg - als Turniersport wieder spruchreif wurde. Wie wohl die meisten europäischen, nationalen Federationen wie auch die FEI um bzw. nach 1921 gegründet wurden, kam doch ein Wiedererstarken des organisierten Reit- und Fahrsports in Österreich erst mit der Installation des >Bundesfachverbandes für Reiten und Fahren in Österreich< im Jahre 1962, der auch durch rechtliche Verbindung mit der Tierhaltungsgewerbeverordnung als „Fachverband“ festgeschrieben wurde.“

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Tierhaltungsgewerbeverordnung - Betreuungspersonen § 17.
(1) Die Betreuung der Tiere hat durch eine im Verhältnis zum Tierbestand ausreichend große Anzahl von geeigneten Betreuungspersonen zu erfolgen aus deren Werdegang oder Tätigkeit glaubhaft ist, dass sie die übliche erforderliche Versorgung der gehaltenen Tierarten sicherstellen und vornehmen können.
(2) In Betrieben, die Reiten und Gespannfahren anbieten, muss ausreichend qualifiziertes Personal für den Lehrbetrieb zur Verfügung stehen. Als ausreichend qualifiziert gelten Personen, die den Qualifikationskriterien des Bundesfachverbandes für Reiten und Fahren in Österreich (FENA, nunmehr OEPS) oder einer vergleichbaren ausländischen Organisation entsprechen.

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„Eine Reihe von Unfällen bei Turnierveranstaltungen hatte – trotz heftiger Bemühungen engagierter Männer- keine Konsequenzen, erst als Mitte 1984 ein prominenter Reiter verunglückte und für sein verletztes Pferd keine ausreichende tierärztliche Versorgung vorfand, kam Bewegung in die Notfall-Szene. Dank der starken Fürsprache durch Ing. Helmut Kouluch, damals als Fahrreferent des eben erstarkenden Fahrsports ein einflussreicher Mann, wurde auf mein Drängen hin der § 711 Tierquälerei in die ÖTO (zunächst nur in der Turnierordnung für Gespanne) aufgenommen, zunächst mit dem Satz [zit.]Jede Handlung, die nach Meinung der Richter oder des Tierarztes klar und ohne jeden Zweifel als Tierquälerei bezeichnet werden kann, wird mit Disqualifikation von dem Bewerb bestraft. Derartige Handlungen schließen ein: Übertriebenes Antreiben erschöpfter Pferde oder übertriebene Anwendung der Peitsche.
Nicht alle waren mit dieser Formulierung glücklich, es wurde intrigiert, antichambriert und, und ……, um zu erreichen, dass der Wortlaut heißen müsse:
…nach Meinung der Richter und des Tierarztes…., also ein Richterspruch als übergeordnete Instanz festgeschrieben werden sollte.
Doch dann kam es sukzessive zu einer Reihe von Ereignissen, national und international, die zu einem Umdenken führte und die Erkenntnis zu § 2 StGB, nichts zu tun könnte Unrecht sein, zur Triebfeder wurde.
Beim Donau-Alpenpokal in Monte Maggiore bei Rom (1984, ich war als Mannschaftstierarzt dabei) wurden zwei Fälle von „animal cruelty“ publik: ein Fahrer der nach der Dressur führenden ungarischen Mannschaft blieb bei einem auf einem Steilhang befindlichen Hindernis „hängen“, die Pferde, nur Flachland gewohnt, zogen nicht mehr, konnten einfach nicht mehr und blieben erschöpft stehen. Der von Außerhalb ins Hindernis brüllende Teamchef konnte die Pferde auch nicht motivieren, der Fahrer schied aus, der Teamchef bekam eine Verwarnung wegen fremder Hilfe.
Am selben Turnier wurden ein Trainer und Fahrer der niederländischen Mannschaft beobachtet, wie sie zwei Friesen zwischen zwei Pferdetransporter – wie zwischen Pilaren – ausgebunden hatten und mit Peitschen bearbeiteten, „damit sie die Beine heben“ – mangels rechtlicher Möglichkeiten hatte diese Beobachtung keine Konsequenzen. Nur nebenbei sei erwähnt, dass der dabei mitwirkende Trainer später ein „großes Tier“ im Fahrsport wurde, unter anderem auch Weltmeister und Instruktor für Fahrrichter. Bei einem Kurs in Riesenbeck erklärte er mir in einem sehr herablassenden Ton auf meine Frage nach Beurteilung eines „Schlauchgeräusches“ im Hinblick auf die Forderung nach „Losgelassenheit“, dass ihn sein Vater gelehrt habe, dass Pferde, die „grunzen“ ganz besonders „locker“ wären – nun ja – meine eigene Erfahrung lehrte mich das Gegenteil.
Kurze Zeit später, bei einem Vielseitigkeitsturnier, beobachteten Zuschauer, wie ein Reiter prominenten Namens am Abreiteplatz ein Pferd bis an den Rand der Bewusstlosigkeit malträtierte, weil es gewisse Lektionen partout nicht ausführen wollte. Mangels couragierter Richter blieb der Vorfall ungesühnt, prominente Namen haben in der Reiterei immer geholfen.
Es bedufte also nachvollziehbarer Vorkommnisse, um ein generelles Umdenken zu Gunsten von Tierschutz, Sicherheit, Notfallprophylaxe und unerlaubter Manipulation von Pferden im Rahmen des geregelten Pferdesportes zu etablieren, aber Zug um Zug nahm die Idee dann Fahrt auf, immer mit an Bord zwei mutige Herren, die die Sache vorantrieben: HR Dr. Eberhard Zach als Veterinärreferent des „Bundesfachverbandes“ (seine Tochter Constanze ist bis heute in dieser Funktion aktiv) und DI Mag. Dr. mult. Rudolf Rautschka, Richter, Tierarzt, der Gespann-Fahrlehrer der Nation. Ich persönlich habe nie Ämter bekleidet, nicht dass ich das nicht gewollt hätte, aber sämtliche meiner Intentionen wurden torpediert – der Grund: ich war ab Anfang 1979 neben meinem tierärztlichen Beruf auch sehr intensiv publizistisch tätig, vor allem für die damals einzige ungebundene Pferdezeitschrift CHEVAL, deren Chefredakteur ein „frecher Hund“ war, was mir gefiel – meine Turnierberichte und Kolumnen wurden gehasst, aber beachtet. Der Anstoß war gemacht – dann ging es zügig weiter.
Im Jahre 1984 wurde ich zum FEI-Tierarzt installiert, im selben Jahr als Dopingkontrolltierarzt, 1985 wurde der verpflichtende Turniertierärztliche Dienst (zögerlich) und der „Pferdesport-Tierarzt“ eingeführt, 1989 wurde die Pferdesanitäter- Ausbildung ins Leben gerufen.
Das Motto meiner Bemühungen war immer „be aware“ – sei wachsam und bereit – also Errichtung eines Sicherheitssystems auf der Basis von vorhersehbaren Zwischenfällen am soliden Boden der Allgemeinen Verkehrssicherungspflicht mit dem Ziel, dass Unterlassungen im Sinne des § 2 StGB nicht vorwerfbar sein können. Fast alles in diesem Themenkreis – heute Selbstverständlichkeiten – war damals noch nicht gerodetes Neuland – besiedelt von feindlichen Ureinwohnern des „Dashabenwirnochniegemacht-Landes“.    


„Ein Wort zur Vorhersehbarkeit“

Unfälle mit Pferden - Unfallarten
70 % Sturz vom Pferd
9 % Verletzung beim Umgang mit Pferden
8 % Bissverletzungen
5 % Trittverletzungen
3 % Sturz mit dem Pferd

Verletzte Körperregionen
43 % Obere Extremitäten
26 % untere Extremitäten
18 % Kopfverletzungen
10.5 % Wirbelsäulenverletzungen
2.5 % Rumpfverletzungen

Unfallursachen:
– Pferdestärke gegen Menschenstärke – mangelhafte Pferdekenntnis
– Pferde sind schneller als das Hirn des Fahrers oder Reiters – Selbstüberschätzung
– Fluchtverhalten oder Massenpanik -  

Massenpanik – Fluchttier Pferd
– Durchgehen im Gespann
– Entkommen aus dem Stall oder der Koppel
– Unkontrollierbar und instinktorientiert
Massenpanik – vorhersehbare Folgen
– Nicht aufzuhalten!
– Großräumige Absperrungen notwendig
– Kein „Aufrollen“ von hinten!
– Kaskade der Folgeunfälle möglich
Sorgfaltspflicht der Halter und verantwortlichen Personen> 1299 ABGB!

Fahren – Marathon:
– Schwieriges Gelände
– Erreichbarkeit der Hindernisse für Notarzt und Rettungswagen
– Sturz ins Wasser mit Beinahe- Ertrinken möglich
– Beinbrüche und Amputation durch Speichen

Springreiten:
– Verweigerung mit abruptem Abbremsen
– Helm wird auf die Nasenwurzel gedrückt
– Halswirbelsäulenverletzungen
– Reiter ist schneller als das Pferd und stürzt vorneüber
– Pferd landet auf Reiter.
Springreiten – Hineinreiten in das Hindernis:
– Verletzung mit Hindernismaterial
– Holzsplitter
– Nägel
– Eisenteile

Dressur:
– Nervöse und fahrige Pferde in höheren Klassen
– Durchgehen bis zur Erschöpfung        

Vielseitigkeit – Gelände:
„Kopfübersturz“ ins Wasser:
– Hohes Tempo
– Sturz aus großer Höhe und hoher Geschwindigkeit
– Polytrauma
– Unfälle mit tödlichem Ausgang

Sturz nach Sprung:
– „ungespitzt“ in den Boden des Wassergrabens
– Hohes Tempo - Stauchungen
– Hohe und steile Flugbahn
– Beinahe-Ertrinken möglich

Distanzreiten – Orientierungsreiten:
– Reiter „kämpft“ gegen die Zeit
– Er/sie ist alleine unterwegs
– Herzattacken
– Dehydration
– Hypoglykämie
– Schmerzen durch „Wundreiten“ > Synkope

Freizeitreiter:
– Häufig „Naturreiter“ mit geringer Ausbildung
– Frische Pferde und überberittene Reiter
– Schlechtes Equipment
– Gefährliche Umweltbedingungen
– Vielfältige Verletzungsmuster

Freizeitreiter – Der heimliche Ausritt:
– Unerlaubte „Inbetriebnahme“ von Pferden
– Einbruch der Dunkelheit oder von Schlechtwetter
– Folgeunfall im Straßenverkehr

 

Es ist vorhersehbar, dass im Rahmen einer pferdesportlichen Veranstaltung, aber auch von Brauchtumsritten oder ähnlichen „Events“ Zwischenfälle/Unfälle mit Pferden und Menschen eintreten können, selbst wenn die Vorgaben der Allgemeinen Verkehrssicherungspflicht gehörig beachtet wurden, und wenn, wie als häufiges Argument eingebracht wird, „noch nie etwas passiert ist“  -  vorhersehend und vorausschauend um nicht der Unterlassung beschuldigt zu werden, ein Notfall-Konzept zu errichten – mit klarer Struktur und exakt konzipierten Aufgaben.

 

 

Emergency Center bei pferdesportlichen Veranstaltungen
– Notarzt
– Tierarzt
– Rettungs-Transport-Wagen
– Pferdesanitäter
– Hufschmied
– Fahrer mit „low loading Pferde-Transporter“
– Zentrale Position
– Beschilderung
– Abgesonderte Boxen

Absetzen des Notrufs


Anfahrt zum Unfallort
– Keine Sonderzeichen (Blaulicht, Martinshorn) in der Nähe von Pferden
– So nahe wie möglich (10 – 15 m), ohne eine stabile Lage zu destabilisieren > Fluchtgefahr!!
– RTW/NEF/NAW für Pferde gut sichtbar aufstellen
– Rennen: Rennverlauf muss über Lautsprecher abgebrochen werden, bevor RTW/NEF auf die Bahn fährt
– Toten Winkel hinter den Pferden beachten

Einsatztaktik am Unfallort:
– Notfall-Trias: Erkennen > Überlegen > Handeln
– Annäherung an Pferde immer von vorne
– Vorsicht mit „scheppernden“ (Trage) und „blitzenden“ (Schaufeltrage) Hilfsmitteln
– Vorsicht bei Strom (Defi > Spannungsbogen beim Pferd)
– Vorsicht bei „zischenden“ Geräuschen (Absauger, Sauerstoff)
– Vermeiden hektischer Bewegungen
– Pferde immer einzeln von kundigen Personen verwahren lassen – am Besten im Kreis führen mit Blickkontakt zu anderen Pferden
– Pferde nie „wegscheuchen“ (§ 1299 ABGB)

 


Patient im Nahebereich des Pferdes
– Kopf des Pferdes überstrecken und am Boden fixieren
– Pferd unter allen Umständen mit Halfter und Führstrick und Longe V-förmig sichern
– Schlagkraft der Pferdeextremitäten durch Decken, Strohballen mildern
– Wenn möglich, den Patienten vom Pferd etwa 3 m entfernen.
– Geeigneten – durch Pferde nicht gefährdeten Patientenablageplatz festlegen (Trassierbänder!)

Patient unter dem Pferd
Aufrechte Kommunikation mit dem Patienten durch Ersthelfer, dann Notarzt und Notfallsanitäter
– Tierarzt nachalarmieren
– Eventuell Kranfahrzeug und Hebegeschirr nachalarmieren
– Pferd sedieren
– Pferd sichern (wie vorher besprochen)
– Pferd unter Notarztkontrolle mit Seilwinde und Umlenkrolle vom Patienten wegziehen
– Geeigneten – von Pferden nicht gefährdeten  Patientenablageplatz festlegen (Trassierbänder!)

 

 

Einsatztaktik – Pferdebesitzer, Reitkollegen, Zuschauer
– Bei schweren oder tödlichen Verletzungen von Menschen und / oder Pferden an KIT (Krisen- Interventionsteam)denken!
– Jugendliche nie alleine zurücklassen.
– Abtransport von Pferdeleichen muss veranlasst werden.
– Unfälle mit Pferden sind immer risikobehaftet
– Verhalten von Pferden ist nie exakt vorhersehbar
– Eine stabile Situation darf durch Einsatzkräfte nie destabilisiert werden
– Vorsicht bei „heißen“ Pferden
– Vorsicht bei Dressurpferden der hohen Klassen
– Vorsicht vor freiwilligen Helfern: Wichtigtuer, Angst-Schweißler, Fleischhauer (Blutgeruch)!

 

Notfall „Pferd“
– § 31,1.2 ÖTO: Bei Spring- und Vielseitigkeitsbewerben muss ein Pferdesport-Tierarzt anwesend sein.
– § 31, 1,5 ÖTO: Eine Transportmöglichkeit für verletzte Pferde.

„Die Bezeichnung und Ausbildung „Pferdesport-Tierarzt“, die einen zwar kurzen, aber fokussierten Kurs voraussetzt, wurde damals 1990 von mir eingeführt. Es war nämlich üblich gewesen, dass „irgendein Tierarzt“ ohne besondere Bindung zu Pferden, aber vielleicht Opa einer Reiterin war, als Alibi-Funktionär eingesetzt wurde. Recht schnell haben wir erkannt, dass ein gut ausgebildeter Pferdetierarzt auch kundige Helfer (nach dem Bespiel der Sanitäter beim Notarzt) benötigt, so kam es, das ich 1995  nach dem Schweizer Vorbild der Pferdesamariter die Österreichischen Pferdesanitäter begründete, die zusätzlich speziell für die Zusammenarbeit mit sämtlichen Blaulicht-Organisationen geschult werden und Pferdesanitäter müssen, um anerkannt zu werden, einen großen Erste Hilfe-Kurs für Menschen absolviert haben.  Der Ausbildungsweg zum Notarzt für Tiere unter der Bezeichnung „Fire & Emergency VET“ konnte 2005 in meinem Pferdespital unter großer Mithilfe der Notärzte MR Dr. Gottfried Koller und Dr. Christoph Hohn, der Gmundener Ortsstelle des Roten Kreuzes und der Feuerwehr Wiesen unter Kommandant Thomas Treiblmaier gestartet werden.“

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Ein Name stach auf der Starterliste zum nationalen Fahrturnier in G. besonders heraus – ihm haftete der schale Geruch der Sattelgladiatoren an – der bekannte Springreiter hatte es sich in den Kopf gesetzt, dem Boom der Gespann-Fahrer zu folgen und den – in seinen Augen – dümmlich-dicklichen Fahrern mit Altherren-Attitüde zu zeigen, worum es im Pferde-Leistungssport wirklich geht.
Zum Turnier war er mit einem eleganten Schimmelgespann – ungarische Jucker – gekommen, von einem ausländischen östlichen Pferdehändler erworben; die Dressuraufgabe wurde mit den sichtlich wenig erfahrenen Pferden durchaus mit Anstand erledigt.
Am Tage der Marathonprüfung kam das Gespann erkennbar am Ende der Kräfte, schweißnass in der Neutralen Zone zur Verfassungsprüfung an – Puls- und Atemwerte waren extrem hoch- der dort tätige Tierarzt riet dem Fahrer, im Schatten die Pferde leicht im Schritt und bewegen und ordnete eine neuerliche Kontrolle in 7 Minuten an, von der auch die voraussichtliche Starterlaubnis abhängen würde. Mit dem gelangweilten Gesicht des Besserwissenden verzog sich der Fahrer in eine Ecke der neutralen Zone und verwickelte dort, während das Gespann im Halbschatten stand, den für die neutrale Zone zuständigen Richter in ein Gespräch. Die Kontrolle nach 8 Minuten ergab eine markante Wertumkehr, die Atmung war deutlich frequenter als der Pulswert, die Pferde zitterten leicht an den großen Muskelpartien, der Schweißausbruch war unvermindert. Dem Manne wurde vom Untersuchungstierarzt bedeutet, dass er keine Starterlaubnis bekäme. Noch bevor der zuständige Richter davon in Kenntnis gesetzt werden konnte, gab er dem Gespann die Starterlaubnis, der sofort nachgekommen wurde.
Etwa 20 Minuten später traf ein Bote auf einer Enduro-Maschine ein, der aufgeregt berichtete, dass zwei Schimmel im Hindernis 3 zusammengebrochen sind. Mit dem Ambulanzanhänger wurden die Pferde zu den Stallungen transportiert und versorgt, die sofort ambulant durchgeführte Laborkontrolle ergab beängstigend erhöhte Laktat- und Muskelwerte – ein „Kreuzschlag“ war offensichtlich.
Bei der Untersuchung der beiden Pferde fiel – quasi als Nebenbefund auf -   
dass das nachvollziehbare Zahnalter mit dem, im Pferdepass angeführten Alter nicht in Deckung zu bringen war – bei beiden Pferden waren noch Milchzähne nachweisbar.

 

 

 

 

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„Ja“ sagte der alte Herr, sichtlich bewegt „so manche böse Tat beginnt am geduldigen Papier. Die beiden Pferde waren dem Vernehmen nach unbrauchbar geworden, dies deckt sich mit meiner Erfahrung der Überforderung von Pferden in jungen Jahren.“

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„Die Anforderungen an Tierärzte, die eine Turnierbetreuung übernehmen wollten, nahmen erheblich zu, sowohl in Hinblick auf Ausstattung (Röntgen, Ultraschall und Labor ambulant vor Ort), aber auch in umfassendem Wissen, das über klassische medizinische Themen hinausging und weit in die Sportmedizin, Trainingslehre und Reglementkunde hineinreichte.“

 

„Monkey“-Splint zur Erstversorgung – benannt nach dem Vollblüter „Monkey“

 

Pferde-Ambulanzanhänger mit Pferdeschleppe zur Rettung im Gelände – wahlweise mit Rollen oder Kufen – per Elektroseilwinde in den Hänger zu ziehen.

 

 

Pferde-Ambulanzanhänger zum Stehendtransport in Gurten-Aufhängung oder Liegend-Transport auf Vakuum-Matratze.

 

Spezialgeschirr für Kran- oder Helikopterrettung.

„Es mag nun, werte Gäste, der Eindruck entstanden sein, dass ich unseren heutigen Abend am Kamin zur Selbstdarstellung benützt habe – keineswegs war dies meine Absicht; vielmehr wollte ich, speziell noch jüngeren Menschen, zeigen, dass nicht alles im Pferdesport „immer schon“ so war, wie es heute den Anschein erwecken mag. Sehr viel Idealismus war mit Aufbruchstimmung vergesellschaftet, Honorare waren erst sehr spät ein Thema – eine Erkenntnis habe ich aber im nationalen wie im internationalen Pferdesport erfahren müssen: Es gibt viele Öl-Lappen, aber nur wenige Maschinisten!“

 
Dokumente, Fotos, Grafiken und Literatur – Archiv & ex libris Dr. Kaun seit 1963

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