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Zurück zu den Western-Wurzeln: Vaquero Reinsmen Days 2015
17.10.2015 / News

Hardy Oelke, Großmeister der „alten Western-Schule", demonstrierte feines, pferdeschonendes Westernreiten – eine Augenweide.
Hardy Oelke, Großmeister der „alten Western-Schule", demonstrierte feines, pferdeschonendes Westernreiten – eine Augenweide. / Foto: Martin Haller
Kay Wienrich beeindruckte mit seinen Reitkünsten ebenso wie mit einem spannenden, souveränen Vortrag.
Kay Wienrich beeindruckte mit seinen Reitkünsten ebenso wie mit einem spannenden, souveränen Vortrag. / Foto: Martin Haller

Die ersten Vaquero Reinsmen Days fanden am 3. und 4. Oktober auf der Reitanlage von Christoph Rieser in Obersteinebach statt – und waren ein Plädoyer für eine Rückbesinnung auf die klassischen Wurzeln des Westernreitens.

 

Geschätzte 300 Anhänger der altkalifornischen Reitweise waren gekommen, um den bewährten Protagonisten zuzusehen und ihren Erläuterungen zu lauschen. Die tonangebenden „Vaqueros“ der Veranstaltung waren (in alphabetischer Reihenfolge): Marco Breitenbach, Ernst-Peter Frey, Hardy Oelke, Christoph Rieser, der eine exklusive Sattel-Manufaktur mit Reitstall südlich von Köln betreibt und Kay Wienrich; jeder von ihnen hatte etwas beizusteuern, wobei die Gewichtung oder Thematik der einzelnen Beiträge individuell gelagert war. Inhaltlich ging es um das Zureiten von Jungpferden, die Ausbildung von Cow Horses, Lassowerfen und Fencework, feine Hilfengebung und mehr. Einige theoretische Vorträge mit interessanten PPPs rundeten die praktischen Demos ab. Alle hatten Spaß und lernten viel dazu, der Wettergott spielte mit und zum Glück passierte keinerlei Unglück. Man darf auf eine Wiederholung der interessanten Veranstaltung hoffen…!

Aber war da nicht noch was? Mitveranstalter Hardy Oelke schilderte früh am ersten Tag eher lapidar den Gründungsgedanken: „Viele Westernreiter können sich mit dem Turniersport nicht mehr identifizieren und suchen nach Alternativen. War das Westernreiten ursprüng­lich hierzulande stark kalifornisch geprägt, so ist das in den letzten Jahren wieder populärer geworden. Manch ein Guru ist auf den Zug aufgesprungen und 'verkauft' seine Vision, oft ohne praktischen Hintergrund, oft eine geschönte, heroisierende Version. Kay Wienrich und ich hatten uns vorgenommen, mit diesem Event gewissen Fantastereien mit handfesten Informationen zu begegnen. Die Ideale der kalifornischen Reitkultur können eine Alternative sein, aber wie sie heute von manchen dargestellt wird, ist unrealistisch“.

Der Anlass könnte eine gewisse Unzufriedenheit mit einigen Aspekten des gegenwärtigen Westernsports sein. Auch, dass man sich an die Geschichte der Reitkunst auf beiden Seiten des Atlantiks erinnern und aus ihr lernen kann und soll. Zuletzt mag es der Versuch einiger „reiferer Herren“ sein, ihren Erfahrungsschatz mit jenen zu teilen, die glauben, dass ein langer Stop und ein schneller Spin doch nicht alles gewesen sein kann. Hier sollten Alternativen aufgezeigt werden, neue oder andere Wege hin zu einer Westernreiterei, die sich an den Idealen der „klassischen Dressur“ bzw. der iberischen Reitkunst orientiert und das Pferd als Partner einbindet. Gutes Reiten, so eine der Botschaften, ist unabhängig vom Alter des Reiters, des Pferdes oder der äußeren Erscheinung – es basiert auf einer inneren Haltung.

Realistisch betrachtet könnte aus solchen Dialogen und Seminaren eine echte Wissensbereicherung und -vertiefung resultieren; auf einen Gesinnungswandel der Sportfraktion zu hoffen, wäre wohl zu optimistisch. Dazu sind die Gräben zwischen „fein, pferdeschonend“ und „erfolgreich, profitabel“ vermutlich zu tief. Daher waren zwar viele auch äußerlich erkennbare Californios und Buckeroos anwesend, jedoch kaum jemand aus der aktiven Sportszene. Das Phänomen ist jedoch bekannt, denn auch die Wiener Hofreitschule wird kaum jemals von aktiven Dressurreitern besucht – und auch denen würde das nicht zum Schaden gereichen.

An Ausstellern waren zwei wirklich tüchtige Bit-and-Spur-Makers da, und auch der zweifelsfrei beste Lederflechter der Welt, Berti Frunz, der Schweizer Vaquero aus dem Schwäbischen. Hausherr Rieser hatte natürlich seine Produkte ausgestellt und gewährte einigen Besuchern einen höchst interessanten Blick in die Sattelproduktion sowie sein einmaliges Sattel-Museum. Zweifellos wäre eine solche Veranstaltung ohne hochkarätige Protagonisten nur ein Aufguss von bereits Dagewesenem oder schlicht nicht in dieser Form durchzuführen. Breitenbach warf sein Rope sicher über die Galloways der Obersteinebacher Bauern, Frey führte seinen Quarter-Hengst sicher durch Lektionen aller Art, Oelke ritt seine Stute und argumentierte „leise und schlicht“, Rieser öffnete ein Fenster in die Welt der Sattelung und Wienrich beeindruckte durch beschwingtes Reiten und souveränen Vortrag. Im Publikum muss wohl jeder auf irgendeine Rechnung gekommen sein! Ein Seminar, das über ein ganzes Wochenende fast pausenlos interessante Aspekte beleuchtet und vor allem in der Anschauung der Praxis ein so breites Spektrum abdeckt, wird man suchen müssen.

Die Wertigkeit der Veranstaltung wird sich erst erweisen – wenn alles bedacht und besprochen ist, wenn es ein journalistisches Echo gibt und einschätzbare Reaktionen. Eins steht fest: es war richtig und wichtig, sie abzuhalten – und zwar genau so, wie sie war. Welche Botschaft zum Publikum übersprang, das kann wohl diskutiert werden, aber der Zweck des Ganzen wurde doch erreicht: man zeigte (und konnte sehen), dass es zum „offiziellen“ Westernsport bzw. Westernreiten zumindest eine Alternative gibt. Sie hat eine lange Geschichte und interessante Entwicklung; sie ist attraktiv und interessant durch ihre schöne und auffällige Ausrüstung; auf folkloristische Weise erlaubt dieses Reiten eine positive Darstellung des Genres. Die unbedingte Stärke der Californio-Vaquero-Buckeroo-Reiterei ist, dass man sich der bewährten Grundsätze der klassischen Reitkunst bedienen darf – oder sogar muss, wenn was dabei rauskommen soll.
Martin Haller

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