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Studie: Lange Fresspausen in der Nacht bedrohen das Pferdewohl
05.03.2020 / News

Die Einstreu macht tatsächlich einen großen Unterschied: Die durchschnittliche nächtliche Unterbrechung der Futteraufnahme von Pferden, die in Einzelboxen auf nicht fressbarer Einstreu beobachtet wurde, betrug 9 Stunden – viel zu lang, so die Forscher.
Die Einstreu macht tatsächlich einen großen Unterschied: Die durchschnittliche nächtliche Unterbrechung der Futteraufnahme von Pferden, die in Einzelboxen auf nicht fressbarer Einstreu beobachtet wurde, betrug 9 Stunden – viel zu lang, so die Forscher. / Symbolfoto: Archiv/Pixabay

Boxenpferde, die auf nicht fressbarer Einstreu gehalten werden, müssen in der Praxis stundenlang ohne Raufutter auskommen, was ihr natürliches Fressverhalten und ihr Wohlbefinden empfindlich beeinträchtigen kann, so eine Studie aus Deutschland.

 

Unter natürlichen Bedingungen verbringen Pferde die meiste Zeit mit Futtersuche und Weiden. In jedem 24-Stunden-Zeitraum werden etwa 12 bis 16 Stunden mit Essen verbracht. Etwa 60% bis 70% der Tageszeit und 30% bis 40% der Nachtzeit werden für die Futteraufnahme aufgewendet. Selbst im Stall teilen Pferde, die ständig Futter zur Verfügung haben, ihr Futter in regelmäßigen Intervallen auf etwa zehn Mahlzeiten auf, vergleichbar mit freilaufenden Pferden. „Weder tagsüber noch nachts pausieren Pferde freiwillig länger als 3 bis 4 Stunden zwischen den Mahlzeiten und fasten auch nicht“, so das Studienteam der Technischen Universität München und der Ludwig-Maximilians-Universität München. Kontinuierlich Raufutter aufzunehmen ist „ein grundlegendes Bedürfnis jedes Pferdes von hoher Priorität. “

Um dieses Wohlbefinden zu gewährleisten, sollte eine Fütterungspause nicht länger als vier Stunden dauern. „Dieses Grundbedürfnis wird in der Praxis aber häufig vernachlässigt“, so die Wissenschaftler. Sie untersuchten im Rahmen einer Studie das Fressverhalten von Boxenpferden, die restriktiv gefüttert werden – wo also die Mahlzeiten einschließlich Raufutter zu festgelegten Zeiten bereitgestellt werden, anstatt ständig für die Pferde verfügbar zu sein.

Die Studie umfasste die Beobachtung von 30 Pferden auf nicht fressbarer Einstreu (Sägespäne) und 74 auf fressbarer Einstreu (Stroh). Die Tiere wurden auf 10 verschiedenen Betrieben gehalten. Während des Untersuchungszeitraums durften alle Pferde etwa 6 Stunden am Tag grasen, mindestens zwei Stunden vor dem letzten Heu am Abend. Die Forscher bewerteten die Dauer der erzwungenen Unterbrechung der Futteraufnahme über Nacht bei Pferden, die auf Spänen gehalten wurden, wenn kein zusätzliches Raufutter verfügbar war. Alle Pferde wurden je nach Betrieb zwei- oder dreimal täglich mit Raufutter versorgt.

Die Resultate waren für die Forscher ernüchternd: „Die durchschnittliche nächtliche Unterbrechung der Futteraufnahme von Pferden, die in Einzelboxen auf nicht fressbarer Einstreu beobachtet wurde, betrug 9 Stunden. Somit wird die maximal tolerierbare Futteraufnahmepause von 4 Stunden überschritten“, was eine Bedrohung für das Wohlbefinden der Pferde darstelle, so die Wissenschaftler: „Wir schließen aus unserer Studie, dass übliche Fütterungspraktiken (zwei oder drei Raufuttermahlzeiten während des Tages) das Wohlbefinden der Pferde beeinträchtigen, wenn diese auf nicht fressbarer Einstreu gehalten werden. Der Grund dafür ist, dass in solchen Haltungssystemen die Mehrheit der Pferde ihre Futteraufnahme während der Nacht zu lange unterbricht.“

Eine weitere negative Folge dieser restriktiven Fütterungspraxis ist ein insgesamt verändertes Fressverhalten der Pferde, die auf nicht fressbarer Einstreu gehalten werden: Sie beendeten ihre Heumahlzeit schneller und machten während der Mahlzeit weniger Pausen als Pferde auf Stroh-Einstreu. Die Wissenschaftler bezeichneten dieses Verhalten als „Rebound-Effekt“ und führten dazu aus: „Wenn das grundlegende Bedürfnis des Pferdes, sich kontinuierlich mit der Futteraufnahme zu befassen, vernachlässigt wird und der Zugang der Pferde zu Raufutter (Stroh) eingeschränkt ist, beschleunigen die Pferde die Raufutter-Aufnahme und fressen fast ununterbrochen."

Auch dieses veränderte Futteraufnahmeverhalten deutet auf eine Beeinträchtigung des Wohlbefindens hin. Der natürliche Fütterungsbedarf der Pferde wird bei nicht fressbarer Einstreu im Rahmen eines restriktiven Fütterungsprogramms nicht gedeckt. Diese Form der Fütterung muss daher im Hinblick auf das Wohlbefinden des Pferdes als unzureichend beurteilt werden, so die Forscher.

Die Wissenschaftler fordern daher, dass spezielle Fütterungsmethoden und -systeme eingeführt werden sollten (z. B. automatisierte Fütterungssysteme, Slow Feeder etc.), um eine Beeinträchtigung des Wohlbefindens der Pferde zu vermeiden, wenn sie auf nicht fressbarer Einstreu gehalten werden. Insbesondere betonten die Wissenschaftler die Bedeutung einer kontinuierlichen Aufnahme von Raufutter für die körperliche und geistige Gesundheit von Pferden, die in der Praxis leider häufig unterschätzt werde: „Das Verdauungssystem der Pferde ist in Aufbau und Funktion an lange Fütterungszeiten und eine kontinuierliche Futteraufnahme angepasst, die über 24 Stunden hinweg auf den ganzen Tag verteilt ist. Jede größere Abweichung davon stört den Verdauungsprozess und führt zu Verhaltensstörungen und sogar Stereotypien. Um das psychische und physische Wohlbefinden der Pferde zu respektieren, muss man sich der Tatsache bewusst sein, dass das Futteraufnahmeverhalten ein grundlegendes Bedürfnis des Pferdes von hoher Priorität ist."

Übermäßige Pausen bei der Futteraufnahme, wie sie in der vorliegenden Studie festgestellt wurden, bergen das Risiko von Schmerzen, Leiden und gesundheitlichen Schäden. „Aus diesem Grund hat ein deutsches Gericht in seinem Urteil (2019, Aktenzeichen RN 4 K 17.1298, Verwaltungsgericht Regensburg) bestätigt, dass sichergestellt sein muss, dass die maximale Dauer einer Futterpause vier Stunden beträgt und die Dauer der Futteraufnahme mindestens 12 Stunden betragen muss“, so die Forscher, die abschließend betonten:  „Ein Pferd würde wegen seiner nahezu ständigen Futtermotivation niemals eine freiwillige Fresspause von ungefähr 9 Stunden einlegen. Wenn sie die Wahl haben, unterbrechen Pferde ihre Futteraufnahme nicht länger als vier Stunden."

Die Studie „Common Feeding Practices Pose A Risk to the Welfare of Horses When Kept on Non-Edible Bedding" von Miriam Baumgartner, Theresa Boisson, Michael H. Erhard und Margit H. Zeitler-Feicht ist am 2. März 2020 in der Zeitschrift ,animals' erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.

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