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Stress, Schmerzen, Haltungsmängel: Was Pferden den Schlaf raubt
07.11.2023 / News

So soll es sein: Nur wenn sich Pferde vollständig hinlegen und entspannen, können sie auch in den wichtigen REM-Schlaf kommen.
So soll es sein: Nur wenn sich Pferde vollständig hinlegen und entspannen, können sie auch in den wichtigen REM-Schlaf kommen. / Symbolfoto: Archiv Martin Haller

Alle Pferde benötigen in der Nacht einen tiefen Schlaf, der vollständiges Hinlegen erfordert. Faktoren wie Boxengröße, Einstreu und Stress können dazu führen, dass Pferde nicht ausreichend Ruhe bekommen – die Konsequenzen von Schlafmangel für das Pferdewohl können dramatisch sein.


Pferde schlafen nicht besonders viel, aber das bedeutet nicht, dass sie ihn nicht brauchen. Wie Studien bestätigt haben, können Pferde, die nicht genug Tiefschlaf bekommen – bei dem sie mit dem ganzen Körper oder zumindest mit dem Kopf auf dem Boden liegen müssen – vor Müdigkeit buchstäblich zusammenbrechen und sich dabei erheblich verletzen.

„Das Wichtigste ist, dass Pferde, wenn sie sich in einem solchen Schlaf befinden, entweder auf der Seite liegend oder mit dem Kopf abgestützt, in den Traumschlaf gehen können und alle ihre Muskeln entspannen – was bedeutet, dass sie, wenn sie nicht liegen, in den Traumschlaf gehen können einfach kollabieren und hinfallen, so Prof. Katherine Houpt, Tierärztin und emeritierte Professorin am College of Veterinary Medicine der Cornell University in Ithaca, New York. Sie hielt auf einer Konferenz des Avenches National Equestrian Institute (IENA) in der Schweiz einen vielbeachteten Vortrag über die essenzielle Bedeutung des Schlafs für Pferde – und die dramatischen gesundheitlichen Konsequenzen von Schlafentzug.

Pferde schlafen pro Tag etwa sechs Stunden, so Prof. Houpt gegenüber dem Portal TheHorse.com – und der Großteil davon findet in der Nacht statt. Alle Equiden verfügen über einen „Stützapparat“ aus Weichgewebe, der ihre Beine gleichsam ,blockiert’, sodass sie im Stehen schlafen können. Doch diese Körperhaltung ermöglicht nur einen leichten und flachen, sogenannten ,Slow-Wave-Schlaf’. Pferde verbringen außerdem etwa 25 % ihrer Schlafzeit im REM-Schlaf (Rapid Eye Movement) bzw. im Traumschlaf – in vielen kurzen Schlafphasen etwa anderthalb Stunden am Tag.

Der REM-Schlaf ist jene Phase des Tiefschlafs, die wie beim Menschen durch rasche Augenbewegungen gekennzeichnet ist und gleichsam die tiefste, erholsamste und daher auch wichtigste Phase des Schlafes darstellt. Nur in dieser Phase tritt eine vollständige Muskelentspannung ein – und um in den REM-Schlaf kommen, müssen sich Pferde vollständig hinlegen, da sich nur so alle ihre Muskeln – einschließlich des Stützapparats – vollständig entspannen.

Trotzdem, so Prof. Houpt, komme es vor, dass manche Pferde im Stehen in den REM-Schlaf fallen. Wenn das passiert, knicken ihre Beine ein und sie stürzen zu Boden, normalerweise auf die Knie. „Das ist ein klinisches Problem“, so Prof. Houpt. Pferde neigen bei solchen Stürzen dazu, sich Knie, Sprunggelenke, Kopf und Fesseln zu verletzen, erklärte sie. Auch Verhaltensstörungen wie Weben und Koppen können vermehrt auftreten und das Pferdewohl nachhaltig schädigen. REM-Schlafmangel ist somit ein gravierendes Gesundheitsproblem mit oftmals dramatischen Folgen, wie auch Studien bestätigt haben.

Warum legen sich manche Pferde nicht hin?

Pferde, die sich nicht hinlegen, bevor sie mit dem REM-Schlaf beginnen, mögen ihre Schlafumgebung möglicherweise nicht, sagte Houpt. Ein Grund dafür könnte die Einstreu sein: Während Stallpferde in einem Auswahltest anscheinend keine Präferenz zwischen Stroh und Spänen zeigen, liegen sie bei der Haltung auf Stroh jeden Tag deutlich länger auf der Seite, „was bedeutet, dass sie mehr schlafen“, so Prof. Houpt.

Außerdem verbringen Pferde mehr Zeit im Liegen, wenn ihre Einstreu tiefer und dicker ist, wie Untersuchungen gezeigt haben. „Wenn Sie es sich leisten können, ist es besser, mehr Einstreu zu verwenden“, so Prof. Houpts klare Empfehlung. Ansonsten könne man den neuen Ballen Stroh oder Späne auf einen Haufen legen und das Pferd darauf legen lassen, bevor es ihn auf natürliche Weise ausbreitet, fügte sie hinzu.

Was Betonboden betrifft, würden sich Pferde, wenn sie die Wahl hätten, niemals auf eine so harte Oberfläche legen, so Prof. Houpt, die auch hinzufügte, dass Pferde auf der Weide möglicherweise mehr Zeit im Liegen verbringen als Pferde im Stall. Ihren Beobachtungen zufolge legten sich Pferde mit wenig Einstreu im Stall regelmäßig zum Ausruhen und Schlafen auf die Weide. Es mache aber wohl einen Unterschied, ob sie dabei auf der blanken Erde liegen – und das Pferd nicht schläft – oder auf schönem, weichem Gras, so Prof. Houpt.

Auch die Stall- bzw. Boxengröße könne ein Problem sein: Eine Holsteiner-Stute, die Prof. Houpt beobachtete, weigerte sich hartnäckig, sich trotz ausreichender Einstreu hinzulegen, und nächtliche Videoaufnahmen zeigten, wie sie mitten in der Nacht auf die Knie fiel. Als die Besitzer ihre Box auf das Doppelte vergrößterte, legte sich die Stute prompt hin, um eine gute Nachtruhe zu finden. „Diese Stute war wirklich sehr groß, befand sich aber in einem eher kleinen Stall und wollte sich daher nur ungern hinlegen. Stattdessen schlief sie im Stehen ein – und fiel immer wieder hin.“

Auch Schmerzen könnten ein weiterer Faktor sein, so Prof. Houpt. Pferde, die Schmerzen haben, weigern sich möglicherweise, sich hinzulegen, weil das Hinlegen oder Wiederaufstehen zu große Beschwerden verursachen könnte. Dies gilt insbesondere für ältere Pferde, da diese aufgrund von Arthritis Schmerzen und Steifheit verspüren. In solchen Fällen können schmerzstillende Mittel und manchmal psychoaktive Medikamente eingesetzt werden, um zu versuchen, die Bereitschaft oder körperliche Fähigkeit der Pferde, sich hinzulegen, zu verbessern: „Man geht dabei oft nach dem ,Versuch-und-Irrtum’-Prinzip vor, um herauszufinden, was dem jeweiligen Pferd hilft“, so Prof. Houpt.

Auch gestresste Pferde können dazu neigen, weniger zu schlafen, insbesondere im Tiefschlaf. Besitzer von Turnierpferden sollten sich daher darüber im Klaren sein, dass ihre Pferde möglicherweise nicht genug Schlaf bekommen, wenn sie von einem Turnierort zum nächsten reisen.

Überwachen Sie die nächtlichen Gewohnheiten Ihres Pferdes!

Mit den heutigen modernen Technologien ist es für Besitzer von Sport- und Freizeitpferden sehr einfach, die Schlafzyklen ihrer Pferde zu überwachen – und das können und sollten sie auch tun, so Prof. Houpts Ratschlag. Videoüberwachung oder tragbare Monitore können Besitzern wertvolles Feedback darüber geben, ob und wie lange ihre Pferde nachts liegen – und ob sie die für ihr Wohlbefinden und ihre Entspannung so wichtigen Tiefschlaf-Phasen genießen können.

Ein Mangel an REM-Schlaf ist jedenfalls ein ernstes Gesundheitsproblem, das jede/r Pferdebesitzer/in ernst nehmen und angehen sollte, sobald er es bei seinen Pferden bemerkt.

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