News 

Rubrik
Zur Übersichtzurück weiter

Helfen Entzündungshemmer tatsächlich gegen Bauchschmerzen bei Pferden?
13.11.2023 / News

Aus den verfügbaren Studien lässt sich die Frage „Wie ist die klinische Wirksamkeit von NSAIDs im Hinblick auf die Schmerzlinderung bzw. -stillung?“  noch nicht ausreichend beantworten, so die überraschende Feststellung der AutorInnen.
Aus den verfügbaren Studien lässt sich die Frage „Wie ist die klinische Wirksamkeit von NSAIDs im Hinblick auf die Schmerzlinderung bzw. -stillung?“ noch nicht ausreichend beantworten, so die überraschende Feststellung der AutorInnen. / Symbolfoto: Archiv/Petr Blaha

Nach wie vor werden klassische nichtsteroidale Entzündungshemmer (NSAIDs) wie Flunixin und Phenylbutazon zur Behandlung von Schmerzzuständen bei Pferden verbreitet eingesetzt. Dabei ist die schmerzstillende Wirkung dieser Mittel nur unzureichend erforscht, wie WissenschaflerInnen der Universität Zürich nun herausfanden.

 

Gerardo Citarella und seine ForscherkollegInnen der Universität Zürich wiesen einleitend darauf hin, dass der Einsatz von NSAIDs nach wie vor ein unverzichtbares Hilfsmittel bei der Behandlung viszeraler Störungen bei Pferden mit Koliken oder Bauchschmerzen nach einer Kastration sei.

NSAIDs wirken hauptsächlich durch die Hemmung des Enzyms Cyclooxygenase (COX), das bei Entzündungen eine wichtige Rolle spielt. Es gibt zwei Formen – COX-1 und COX-2. Im Laufe der Zeit wurden neue Moleküle entwickelt, um NSAID-bedingte Nebenwirkungen zu begrenzen und gleichzeitig ihre schmerzstillende und entzündungshemmende Wirkung beizubehalten.

In den letzten Jahren konzentriere sich die Forschung mehr auf Moleküle, die auf COX-2 abzielen, das für die Auslösung von Schmerzen und Entzündungen als Reaktion auf Verletzungen verantwortlich ist. Dadurch bleibt die Funktionalität von COX-1 erhalten, das primär für die Aufrechterhaltung schützender und reparativer physiologischer Mechanismen verantwortlich sei, so die AutorInnen.

Erst kürzlich habe eine aktuelle Studie ergeben, dass die am häufigsten verschriebenen NSAIDs zur Behandlung von Koliken in Großbritannien, den Vereinigten Staaten und Kanada Flunixin-Meglumin und Phenylbutazon seien – beides traditionelle nicht-selektive NSAIDs. Frühere Studien lieferten ähnliche Ergebnisse in Südafrika.

Die ForscherInnen wiesen darauf hin, dass interessanterweise der Verschreibungstrend formal immer noch mit der Verwendung traditioneller nicht-selektiver COX-Hemmer verbunden sei, obwohl neuere Moleküle wie Meloxicam und Firocoxib verfügbar seien, die gezielter auf die COX-2 Isoform abzielen, um unerwünschte gastrointestinale Nebenwirkungen zu vermeiden. Dies sei offenbar auf eine gewisse Skepsis gegenüber der analgetischen (also schmerzstillenden) Wirksamkeit einiger NSAIDs der neueren Generation zurückzuführen, insbesondere Firocoxib – ein vollständig COX-2-selektives NSAID.

Angesichts der hohen Verschreibungsrate von NSAIDs und ihrer Rolle bei der Schmerzbehandlung bei Pferden sei es von entscheidender Bedeutung, die analgetische (schmerzstillende) Wirkung der verschiedenen Klassen von NSAIDs bei dieser Tierart zu verstehen und die klinische Praxis auf evidenzbasierter Forschung aufzubauen, so die AutorInnen. Ihr Ziel war es, die Belege für die analgetische Wirksamkeit von NSAIDs zur Behandlung von Bauchschmerzen bei Pferden zu identifizieren, zu synthetisieren und auszuwerten und, wenn möglich, festzustellen, ob es ein NSAID gibt, das im Vergleich zu anderen eine bessere schmerzstillende Wirkung aufweisen könnte.

Im Rahmen ihrer Übersichtsstudie wurden die zwischen 1985 und Ende Mai 2023 veröffentlichten Forschungsergebnisse in drei Datenbanken durchsucht: PubMed, Embase und Scopus. Insgesamt 10 Studien erfüllten die Einschlusskriterien. Das Risiko einer Verzerrung wurde mit einem anerkannten Tool bewertet und der Grad der Evidenz gemäß dem Oxford Centre for Evidence-based Medicine beurteilt.

In diesen 10 Studien wurde ein hohes Verzerrungsrisiko aufgrund des Vorliegens von Selektions-, Leistungs- und „anderen“ Arten von Verzerrungen festgestellt – in den meisten Fällen aufgrund des Fehlens eines validierten Schmerzscores. Tatsächlich beurteilte nur eine der Studien Pferdeschmerzen mit einem validierten Schmerzscore. „Daher ist Vorsicht bei der Interpretation der Ergebnisse einzelner Studien geboten“, sagten sie.

Die AutorInnen stellten fest, dass die wissenschaftlichen Erkenntnisse zur analgetischen Wirksamkeit von NSAIDs bei der Behandlung von Bauchschmerzen bei Pferden bislang ungewiss sind. Es gibt nur wenige Hinweise darauf, ob ein NSAID bei der Behandlung von Bauchschmerzen bei Pferden wirksamer sein könnte als ein anderes. „Diese systematische Überprüfung zeigte, dass die aktuelle wissenschaftliche Literatur die therapeutische Wahl eines NSAID gegenüber einem anderen zur Behandlung von Bauchschmerzen bei Pferden nicht ausreichend rechtfertigen kann.“  Daher seien weitere klinische Studien notwendig, um die schmerzstillende Wirkung von NSAIDs in solchen Fällen zu verstehen, so ihr Befund.

Bei der Diskussion seiner Ergebnisse stellte das Prüfteam, dass die Studien, die ihre Einschlusskriterien erfüllten, insgesamt 184 Pferde in Kastrationsstudien und 175 Pferde mit Koliken umfassten. „Trotz des weit verbreiteten Einsatzes von NSAIDs weltweit und des langen untersuchten Forschungszeitraums (1989–2023) scheint die Gesamtzahl der untersuchten Pferde relativ gering zu sein.“

Was die verwendeten Interventionen betrifft, war Flunixin am häufigsten. Es gelte immer noch als eine Art „Goldstandard", mit dem die Wirksamkeit anderer Medikamente verglichen werden könne. „Theoretisch sollten klinische Interventionen nur dann eingesetzt werden, wenn sie sich in gut strukturierten Studien als sicher und wirksam erwiesen haben. Diese systematische Überprüfung zeigt jedoch, dass evidenzbasierte Entscheidungen häufig aus unzureichend aussagekräftigen randomisierten Studien und unklarer Kontrolle der Verzerrung resultieren. Dennoch müssen die Ärzte entscheiden, ob sie glauben, dass die Intervention in der klinischen Praxis eingesetzt werden sollte oder nicht.“

Letzteres stelle einen interessanten Punkt dar, so die AutorInnen, da es den Anschein habe, dass der Schwerpunkt der wissenschaftlichen Bewertung von NSAID im Laufe der Jahre seine Richtung geändert habe. Tatsächlich wurde in den ausgewählten Studien speziell zu Kolikschmerzen eher auf die entzündungshemmenden und pharmakologischen Wirkungen auf die Darmschleimhaut als auf die schmerzstillende Wirkung geachtet: „Allerdings zielt der Einsatz von NSAIDs klinisch immer noch in erster Linie darauf ab, eine erwartete analgetische Wirkung zu erzielen, und nicht auf die Auswahl der besten NSAIDs hinsichtlich der COX-Selektivität.“

Zusammenfassend stellte das Prüfteam fest, dass experimentelle Studien eindeutig gezeigt haben, dass COX-nicht-selektive NSAIDs hinsichtlich der Schleimhautbeeinträchtigung schlechter sind als COX-selektive. COX-nicht-selektive NSAIDs sind jedoch immer noch die am häufigsten verwendeten Medikamente im klinischen Umfeld.

Die Erkenntnisse aus verfügbaren Studien können die zentrale Frage „Wie ist die klinische Wirksamkeit von NSAIDs im Hinblick auf die Analgesie?“ daher noch nicht ausreichend beantworten, so die Schlussfolgerung der AutorInnen. Bei vielen Studien war die schmerzstillende Wirkung nicht das Hauptergebnis, sondern ein sekundärer Bestandteil der Forschung.

Daher sind weitere klinische Studien erforderlich, die sich insbesondere auf die Schmerzbehandlung mit einem validierten, einfach anzuwendenden Schmerzscore konzentrieren, um die schmerzstillende Wirkung von NSAIDs bei der Behandlung von Bauchschmerzen bei Pferden vollständig zu untersuchen.


Die Studie „Analgesic Efficacy of Non-Steroidal Anti-Inflammatory Drug Therapy in Horses with Abdominal Pain: A Systematic Review" von Gerardo Citarella, Vanessa Heitzmann, Elisabeth Ranninger und Regula Bettschart-Wolfensberger ist am 8. Nov. 2023 in der Zeitschrift ,animals' erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.

Kommentare

Bevor Sie selbst Beiträge posten können, müssen Sie sich anmelden...
Zur Übersichtzurück weiter

 
 
ProPferd.at - Österreichs unabhängiges Pferde-Portal − Privatsphäre-Einstellungen