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Gerüche können Umwelt und Leben von Pferden bereichern 20.10.2023 / News
Gerüche können gezielt dafür eingesetzt werden, um das Umfeld von Pferden zu bereichern und ihre Lebensqualität zu verbessern, darauf weisen erste wissenschaftliche Arbeiten hin, doch die Forschung dazu steckt noch in den Anfängen. Hier ein Überblick über das, was man bislang aus Studien und Untersuchungen weiß.
Die Geruchswahrnehmung hat für Pferde einen hohen Stellenwert und ist eine wichtige Möglichkeit, arttypische Verhaltensmuster auszuüben. Symbolfoto: Pixabay
Die brasilianische Wissenschaftlerin Ana Caroline Bini de Lima und ihre Kolleginnen untersuchten in einer gerade veröffentlichten Übersichtsstudie den Einsatz geruchsbasierter Stimulation als Mittel zur Bereicherung der Umwelt für Pferde.
Sie stellten einleitend fest, dass das Wohlergehen der Pferde die Aufmerksamkeit sowohl der wissenschaftlichen Gemeinschaft als auch der Öffentlichkeit auf sich gezogen habe.
Im häuslichen Umfeld werden Pferde häufig unter Bedingungen gehalten, die die Ausprägung arttypischer Verhaltensweisen einschränken und ihr Wohlergehen beeinträchtigen. Strategien zur Umweltanreicherung wurden als interessante Option identifiziert, um die häusliche Umgebung interaktiver und komplexer zu gestalten und so die Lebensqualität zu verbessern.
Im Allgemeinen umfassen derartige „Bereicherungsstrategien“ die Bereitstellung von Sinnesreizen, neuen Objekten, sozialen Kontakten und die Möglichkeit freiwilliger Bewegung, die es den Tieren ermöglicht, arttypische Verhaltensmuster auszuüben.
Die olfaktorische Stimulation ist eine Form der sensorischen Bereicherung der Umwelt, die darauf abzielt, den Geruchssinn durch die Einführung von Gerüchen zu aktivieren – und dies hat sich für Pferde als vielversprechend herausgestellt: „Gerüche“, so die Autorinnen, „sind relativ günstig, einfach aufzubewahren und können zeitlich und räumlich dynamisch werden, was einen Aspekt der Neuheit darstellt, der die olfaktorische Stimulation aus praktischer Sicht interessant macht.“
Pferde haben einen gut entwickelten Geruchssinn. Daher scheinen die aus Geruchsreizen gewonnenen Informationen für sie wichtig zu sein.
Hier ein Überblick über die anatomischen und zellulären Strukturen, die mit dem Riechsystem des Pferdes verbunden sind. Eine wichtige Schaltstelle ist das sogenannte Vomeronasalorgan (auch ,Jacobsonsches Organ' genannt), ein chemorezeptives Organ, mit dessen Hilfe Pferde sehr feine Duftstoffe wie z.B. Pheromone wahrnehmen können. Bildnachweis und Illustration: A.C. Bini de Lima
Die Autorinnen untersuchten daraufhin die Geruchswahrnehmung bei Pferden, ihre Rolle bei Stress und den Einsatz olfaktorischer Stimulation zur Bereicherung der Umwelt.
Tiere können auf unterschiedliche Weise mit Geruchsreizen konfrontiert werden – so können Geruchspräsentationen in konzentrierter, halbkonzentrierter oder dispergierter Form erfolgen.
Bei der konzentrierten Präsentation wird der Geruch in oder auf einem Behälter (Tuch, Becher und Holzscheite) bereitgestellt, während bei der halbkonzentrierten Präsentation das riechende Material in einem Sack oder einem ähnlichen Behälter deponiert wird, der normalerweise von den Tieren zerrissen wird. Dadurch wird der Geruch durch physikalische Einwirkung im gesamten Gehäuse verteilt.
Bei der dispergierten Präsentation hingegen handelt es sich um das Füllen des Gehäuses mit Geruch. Dies kann durch Auftragen auf die verschiedenen im Gehäuse vorhandenen Gegenstände oder durch Beduften der Luft durch Diffusoren oder Sprays erfolgen.
Konzentrierte und halbkonzentrierte Darbietungen ermöglichen den Tieren eine größere Autonomie bei der Interaktion mit dem Geruch, wohingegen verteilte Darreichungen den Individuen nicht die Möglichkeit bieten, sich vom Geruch zu entfernen, was bei der Verwendung potenziell aversiver Gerüche berücksichtigt werden muss. „Der Erfolg der olfaktorischen Stimulation als Methode zur Bereicherung der Umwelt könnte von der untersuchten Spezies abhängen, so die AutorInnen.
Abbildung a: Flehmen eines Hengstes nach olfaktorischer Stimulation mit ätherischem Pfefferminzöl (Bildnachweis: M.S.P. Hernandes); Abbildung b und c: Hengst zeigt Geruchsuntersuchung, gefolgt von Flehmen-Reaktion, nachdem er Stutenkot ausgesetzt wurde (Bildnachweis: M.S.P. Hernandes); Abbildung d: Infografik der Prozesse, die an der Flehmen-Reaktion beteiligt sind. (Illustration: A.C. Bini de Lima).
Für Pferde, eine Tierart, bei der chemische Kommunikation ein wichtiger Teil ihrer sozialen Interaktion ist, birgt die olfaktorische Stimulation ein erhebliches Potenzial. Zu den biologisch relevanten Gerüchen zählen solche, die vom Körper, Urin oder Fäkalien ausgehen.
Vor allem ein Punkt sei aber entscheidend, so die Forscherinnen: „Es ist wichtig zu betonen, dass die Verwendung biologisch relevanter Gerüche die Übertragung chemischer Informationen beinhaltet; Daher ist die Identifizierung des Senders und Empfängers dieser Informationen für den Erfolg der olfaktorischen Stimulation und die Vermeidung unerwünschter Ergebnisse von entscheidender Bedeutung.“
Die Vermeidung der Verwendung von Gerüchen gestresster Pferde sowie von Pferden, die aggressive Interaktionen mit dem Tier hatten, dem der Geruch ausgesetzt wird, kann eine wichtige Maßnahme sein, um zu verhindern, dass beim Empfänger eine mögliche Stressreaktion ausgelöst wird.
Die Autorinnen wandten sich anschließend den Gerüchen zu, die sie als „biologisch irrelevant“ bezeichneten: „Obwohl ätherische Öle und andere pflanzliche Gerüche für viele Tiere nicht als biologisch relevant angesehen werden, können sie den Ergebnissen neuerer Arbeiten zufolge das Wohlergehen bestimmter Arten verbessern. Während einige dieser Gerüche offenbar zur Entspannung anregen und Stress abbauen, scheinen andere eine eher anregende Wirkung auf Tiere zu haben.“
Die meisten mit Pferden durchgeführten Forschungen konzentrierten sich auf die Verwendung von ätherischem Lavendelöl. Dieses ätherische Öl ist allgemein für seine angstmindernde Wirkung in Tiermodellen bekannt. Aktuellen Studien zufolge hat es bei Pferden das Potenzial, die Intensität von Stressreaktionen zu reduzieren.
Neuere Forschungen haben begonnen, die Wirkung einer breiteren Palette ätherischer Öle zu untersuchen. Forscher testeten in einer Studie die beruhigende Wirkung von Vetiver (Vetiveria zizanioides), Indischer Narde (Nardostachys jatamansi) und römischer Kamille (Anthemis nobilis). Die Forscher dieser Studie kamen zu dem Schluss, dass Nardenkraut und römische Kamille Pferde offenbar besser beruhigen als Lavendel. Während die Indische Narde einen entspannteren Gesichtsausdruck hervorruft, ist die römische Kamille besser für die Muskelentspannung geeignet.
Das Studienteam sagte, dass der Geruchssinn des Pferdes, obwohl er im Vergleich zu anderen Sinnen noch wenig erforscht sei, in mehrerlei Hinsicht relevant sei: „Bisherige Untersuchungen haben gezeigt, dass mehrere Komponenten des Verhaltensrepertoires von Pferden durch olfaktorische Stimulation beeinflusst werden können. Geruchsreize haben das Potenzial, die Verhaltensvielfalt und die Fähigkeit von Tieren, mit Herausforderungen umzugehen, zu erhöhen und arttypische Verhaltensweisen anzuregen.“
Dennoch ist festzuhalten, dass es in diesem Forschungsgebiet noch immer viele offene Fragen gibt, die angegangen werden müssen, so die Autorinnen: So müssten etwa die Auswirkungen verschiedener Formen der Geruchspräsentation, das ideale Intervall zwischen der Einführung verschiedener Gerüche, der Einfluss des Gewöhnungsprozesses, langfristige Auswirkungen und mögliche Gesundheitsrisiken (z. B. Toxizität und Übertragung von Krankheitserregern und Parasiten) noch näher untersucht werden.
Ihr Rat daher an Pferdebesitzer: „Wenn Fachleute, die mit Pferden arbeiten, die olfaktorische Stimulation als Bereicherung für die Umgebung nutzen, sollten sie darauf achten, olfaktorische Reize zu verwenden, die bereits in wissenschaftlichen Umgebungen getestet wurden und für diese Tierart als sicher und wirksam gelten.
Darüber hinaus müssen olfaktorische Reize „in ähnlichen Kontexten verwendet werden, wie sie in Experimenten getestet wurden (z. B. ätherisches Lavendelöl zur Stressreduzierung). Dies kann auf der Grundlage der in dieser Arbeit vorgestellten wissenschaftlichen Studien erreicht werden, so die Forscherinnen.
Ihr Resümee ist indes eindeutig – und kann durchaus als Auftrag für die Zukunft verstanden werden: „Eine anregende Umgebung kann das Wohlergehen von Pferden verbessern, und die olfaktorische Stimulation kann ein nützliches Instrument sein, um die Umgebung von Hauspferden zu bereichern.“
Die Studie „Olfactory Stimulation as Environmental Enrichment for Domestic Horses — A Review" von Bini de Lima, Vanessa Cristini Sebastião da Fé, Maria Simara Palermo Hernandes und Viviane Maria Oliveira dos Santos ist am 12. Okt. 2023 in der Zeitschrift ,animals' erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.
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So lief der Test ab: Bild A zeigt einen Geruchsbehälter mit Drahtgitterdeckel. Darin befindet sich ein Ballaststein und Filterpapier (mit einer Geruchsprobe). Bild B zeigt den Behälter direkt vor dem Stall des Pferdes. Die Schnüffeldauer wurde ab dem Zeitpunkt gemessen, an dem sich das Maul des Pferdes innerhalb eines Abstands von 12 cm vom Eimer entfernt befand. / Foto: Maria Vilain Rørvang et.al.
Forscherinnen aus Schweden und Tschechien haben herausgefunden, dass die Geruchswahrnehmung von Pferden und ihr Interesse an Gerüchen mit dem Alter und der Trächtigkeit variieren. Aus vier überprüften Düften stach in den Tests einer ganz besonders hervor.
Pferde haben hochentwickelte Riechorgane, trotzdem ist ihr Geruchssinn bislang nur wenig erforscht, so Studien-Autorin Maria Vilain Rørvang von der schwedischen Universität für Agrarwissenschaften in Uppsala. Dabei sei evident, dass Pferde empfindlich auf Gerüche in ihrer Umgebung reagieren und von ihnen beeinflusst werden: „Diese Fähigkeiten werden in pferdewissenschaftlichen Büchern erwähnt, aber in der Praxis oft ignoriert. Wie Pferde auf Gerüche reagieren, ist wichtig, da dies eine Schlüsselrolle in ihrem täglichen Leben und damit in ihrem Wohlbefinden spielt“, so Rørvang weiter.
Die Reaktion von Pferden auf Gerüche – und die Fähigkeit, diese Reaktionen vorherzusagen – sind für den Menschen von entscheidender Bedeutung, um beim Umgang mit und dem Training von Pferden sicher agieren zu können. Ein Geruch kann für das Pferd neutral sein, er kann eine anziehende Wirkung haben oder auch Abwehr und Vermeidungsverhalten provozieren – je nachdem, wie das Pferd ihn wahrnimmt.
Das derzeitige begrenzte Wissen über das Geruchsempfinden von Pferden berge das Risiko, dass ihr Verhalten in bestimmten Situationen nicht den menschlichen Erwartungen entspricht, da Pferde möglicherweise ängstlich reagieren, wenn sie bestimmten Gerüchen ausgesetzt werden, die Menschen als harmlos oder sogar als angenehm empfinden. Mehr über Pferdegeruch zu erfahren, könnte daher unser Verständnis für das Verhalten von Pferden verbessern und das Risiko gefährlicher Situationen verringern, so die Autorinnen – zudem könnte es bislang unbekannte Möglichkeiten in der Verwendung von Gerüchen in verschiedenen praktischen Situationen geben, in denen Menschen mit Pferden interagieren.
In ihrer Studie untersuchte Rørvang zusammen mit ihren Kolleginnen Klára Nicova (Abteilung für Verhaltensforschung am Institut für Tierwissenschaften der Universität Prag) und Jenny Yngvesson (Universität für Agrarwissenschaften in Uppsala/Schweden) das Verhalten und die Geruchsempfindlichkeit von 35 Islandpferden. Die Pferde wurden in einem Versuchsprotokoll vier Duftölen – Pfefferminze, Orange, Lavendel und Zedernholz – ausgesetzt. Alle vier sind komplexe Gerüche, die ausgewählt wurden, da sie natürlichen Ursprungs und ungiftig, billig, zugänglich und leicht zu standardisieren sind.
Die vier Düfte wurden aus 36 möglichen Gerüchen ausgewählt, da die Forscher der Ansicht waren, dass sie den Pferden unbekannt sein müssten, da ihnen keiner der Gerüche bislang in ihrem Futter, Heu oder als Bestandteil von auf dem Bauernhof verwendeten Produkten wie Cremes oder Seifen begegnet war. Darüber hinaus stellten sie auf der Grundlage der menschlichen Wahrnehmung die Hypothese auf, dass die vier Gerüche als voneinander verschieden wahrgenommen würden.
Jeder Geruchsstoff (10 Tropfen Öl auf einem Stück Filterpapier) wurde in einen beschwerten Behälter gegeben, über dem ein feines Drahtgitter angebracht war. Jeder Behälter wurde dann so platziert, dass er sich von ihrem Stall aus in Reichweite befand. Ihre Interaktionen mit jedem Behälter wurden penibel überwacht und analysiert.
Jeder Geruch wurde dreimal hintereinander für eine Minute dargeboten, mit einer Pause von zwei Minuten dazwischen. Nachdem der erste Geruchsbehälter dreimal in Reichweite gebracht wurde, hatte das Pferd noch einmal zwei Minuten Pause, bevor ihm der nächste Geruchsbehälter mit einer anderen Duftnote präsentiert wurde.
Die Dauer des Schnüffelns war bei den Pferden unterschiedlich, während Verhaltensreaktionen hauptsächlich Lecken und Beißen beinhalteten, während Schnauben oder Zurückweichen nur selten beobachtet wurden. Es wurden aber nicht nur die Verhaltensreaktionen der Pferde untersucht, sondern auch der mögliche Einfluss von Alter, Geschlecht und Trächtigkeit.
Die Analyse zeigte, dass sich die Pferde im Verlauf der drei Versuche an jeden einzelnen Geruch gewöhnten, mit einer signifikanten Abnahme der Schnüffeldauer pro Präsentation. Das Interesse wurde erneuert, wenn ein frischer Geruch vorgestellt wurde – dann stiegen auch die Schnüffelzeiten wieder an. „Pferde konnten somit alle vier Gerüche erkennen und unterscheiden“, so das Studienteam.
Der wohl bemerkenswerteste Befund: Die Pferde verbrachten deutlich mehr Zeit mit dem Schnüffeln, wenn sie dem Pfefferminz-Duft ausgesetzt waren. Mehr Pferde zeigten Lecken, wenn ihnen Pfefferminze vorgesetzt wurden – verglichen mit Zedernholz und Lavendel. Die Pferde, sagten sie, könnten Pfefferminzgeruch als essbar wahrgenommen haben, obwohl keines der Pferde diesem Duft jemals zuvor in Leckereien oder Futter begegnet war.
Zwei weitere interessante Befunde: Trächtige Stuten (acht der Testpferde waren tragend) schnüffelten beim Kontakt mit den Gerüchen weniger als nicht tragende Stuten, fanden die Autoren heraus. Und junge Pferde (unter 5 Jahren) schnüffelten länger an Zedernholz als ältere Pferde. Das Geschlecht hatte keinen Einfluss auf die Reaktion der Pferde, fanden die Forscher heraus.
„Die Ergebnisse zeigen, dass das Erkundungsverhalten und das Interesse von Pferden an Gerüchen mit dem Alter und der Trächtigkeit variiert – und dass Pferde, denen der Geschmack eines Substrats nicht bekannt ist, möglicherweise in der Lage sind, den Geruch mit Geschmack zu verknüpfen, was zuvor noch nicht beschrieben wurde“, so die Wissenschaftlerinnen weiter.
Das Resümee der Autorinnen: „Die Ergebnisse können helfen, die Verhaltensreaktionen von Pferden auf verschiedene Gerüche zu verstehen, und es könnte in Zukunft möglich sein, diese mit der Physiologie und Gesundheit von Pferden in Verbindung zu bringen. Gerüche können für Pferde eine Bereicherung ihrer Umwelt darstellen – entweder direkt als angenehme Düfte oder auch als neue Düfte in Verbindung mit bereits vorhandenen Materialien oder Gegenständen.“
Die Studie „Horse odor exploration behavior is influenced by pregnancy and age" von
Maria Vilain Rørvang, Klára Nicova und Jenny Yngvesson ist am 28. Juli 2022 in der Zeitschrift ,Frontiers in Behaviorla Neuroscience' erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.
02.08.2018 - Lavendelduft hat beruhigende Wirkung auf Pferde
Lavendelduft hat beruhigende Wirkung auf Pferde
02.08.2018 / News
Lavendelduft hat eine beruhigende Wirkung auf Pferde – allerdings nur, während er unmittelbar eingeatmet wird. / Foto: Wikimedia Commons/Laslovarga
Amerikanische Forscher fanden heraus, dass der Duft von Lavendel einen beruhigenden Einfluss auf Pferde hat – auch wenn sie nicht durch äußere Faktoren unter Stress gesetzt werden.
Die Wirkung von Lavendelduft auf Pferde wurde bereits in mehreren Studien untersucht (siehe unseren Artikel dazu) – doch um den Einfluss nachzuweisen, wurden die Testpferde dabei stets einem externen Stress-Auslöser ausgesetzt, etwa der Prozedur des Verladens oder dem lauten Ton eines Signalhorns. Lavendelduft hatte dabei stets die Wirkung, die Stressbelastung – gemessen anhand der Cortisol-Werte bzw. der Herzschlagrate oder der Atemfrequenz – zu senken.
Keine dieser Studien hat jedoch bislang die Reaktion eines Pferdes auf eine Lavendel-Behandlung ohne einen ,künstlich’ erzeugten Stress-Auslöser untersucht, und es wurde dabei auch niemals die Herzschlag-Variabilität – also die Veränderungen des zeitlichen Abstands zwischen den Herzschlägen – untersucht. Und genau dies wollten Dr. Isabelle Chea und Prof. Ann Linda Baldwin von der Universität von Arizona (USA) näher analysieren: „Wir wollten normale Pferde untersuchen, die nicht durch äußere Einflüsse unter Stress gesetzt wurden“, so Prof. Baldwin, die selbst aktive Dressurreiterin ist.
Sie stellte mit Hilfe anderer Reiter und Pferdebesitzer aus ihrem Stall eine Gruppe von insgesamt neun Dressurpferden zusammen, die hinsichtlich Rasse und Alter bunt gemischt waren. Jedes Pferd wurde auf eine kleine Koppel gebracht und mittels Diffusor einem Gemisch von Lavendelöl und Wasserdampf ausgesetzt. Auf einem Kontrollgerät wurde insgesamt 21 Minuten lang die Herzschlagrate sowie die Herzschlag-Variabilität gemessen – und zwar sieben Minuten vor Anwendung des Diffusors, sieben Minuten mit dem Diffusor und sieben Minuten nach Entfernung des Diffusors.
Das interessante Ergebnis: „Die Herzschlagrate hat sich während dieses Zeitraums nicht verändert; was sich geändert hat, das war die paraympathische Komponente der Herzschlag-Variabilität“, so Prof. Baldwin gegenüber dem Portal Horsetalk.co.nz. „Einer der Parameter der Herzschlag-Variabilität ist RMSSD (engl. root mean square of the successive differences, sinngemäß: Wurzel-Mittelwert der sukzessiven Differenzen, Anm.), welcher den parasympathischen Einfluss – also die Entspannungs-Komponente des vegetativen Nervensystems – darstellt. Wenn RMSSD nach oben geht, zeigt dies an, dass das Pferd entspannt ist. Wir fanden heraus, dass RMSSD – im Vergleich zum Ausgangswert – signifikant angestiegen ist, wenn die Pferde den Lavendelduft inhalierten.“
Dieses Ergebnis wurde auch durch das beobachtete Verhalten der Pferde bestätigt, das oft eindeutige Entspannungs-Signale wie das Absenken des Halses oder auch Lecken und Kauen beinhalteten, wenn Lavendelduft eingeatmet wurde.
In der Folge wurde das Experiment auch mit Wasserdampf und Kamille wiederholt – jedoch zeigte sich dabei keine ähnlich beruhigende Wirkung bzw. Erhöhung von RMSSD.
Bemerkenswert war, dass sich der beruhigende Effekt des Lavendeldufts nur während der Inhalationsphase nachweisen lässt – bereits unmittelbar danach konnte keinerlei Wirkung mehr festgestellt werden.
Die Wissenschaftler sind überzeugt, dass diese Form der Aromatherapie eine natürliche und kurzfristig einsetzbare Alternative zu anderen Beruhigungsmitteln sein könnte, wenn man in bestimmten Situationen ein ängstliches oder nervöses Pferd beruhigen möchte: Manche Pferden mögen es etwa nicht, wenn sie beschlagen werden, und hier ließe sich die Lavendel-Aromatherapie auf einfache Weise anwenden, so Prof. Baldwin: „Man braucht dazu auch wirklich keinen Diffusor. Man gibt einfach ein paar Tropfen ätherisches Lavendelöl auf seine Handfläche und lässt das Pferd daran schnuppern“, so Prof. Baldwin.
Die Studie ,Effect of Aromatherapy on Equine Heart Rate Variability’ von Ann Linda Baldwin und isabelle Chea wurde im ,Journal of Equine Veterinary Science’ veröffentlicht und kann in englischer Zusammenfassung hier nachgelesen werden.
04.05.2017 - Lavendelduft reduziert Stress bei Pferden
Lavendelduft reduziert Stress bei Pferden 04.05.2017 / News
Lavendelduft kann die Stressbelastung bei Pferden deutlich absenken und beruhigend wirken, das haben div. Tests und Untersuchungen ergeben. / Foto: Archiv
Aromatherapie ist auch bei Pferden sinnvoll einsetzbar: Das Einatmen von Lavendel konnte in einem Versuch die Stressbelastung von Pferden während eines Transports im Anhänger deutlich reduzieren.
Unter Aromatherapie versteht man den therapeutischen Gebrauch von aromatischen ätherischen Ölen, gewonnen etwa von Pflanzen wie Pfefferminze oder Lavendel, zur Heilung bzw. Behandlung verschiedenster Krankheitsbilder und Symptome – von Verdauungsproblemen bis zu Stress. Die wohltuende und heilende Wirkung ätherischer Öle ist in der Humanmedizin schon seit Jahrhunderten bekannt – und in den letzten Jahren auch zusehends in der Tiermedizin in Mode gekommen. Doch gerade bei Pferden oder anderen Nutzttieren ist die Wirkung der Aromatherapie wissenschaftlich kaum untersucht – und nicht zuletzt aus diesem Grund hat eine Kylie Heitman, eine Studentin des Albion College in Michigan, einfach die Probe aufs Exempel gemacht und einen überaus interessanten Versuch gemacht, den sie vor wenigen Tagen im Rahmen einer Konferenz der American Physiological Society in Chicago präsentierte.
Heitman hat dabei die Auswirkung von Lavendel-Inhalationen bei insgesamt acht Pferden während eines Transport mit dem Anhänger beobachtet. Lavendel ist ein traditionelles, vielfältig verwendbares ätherisches Öl, das Angstzustände und Stress beim Menschen reduzieren kann und auch auf Tiere eine beruhigende Wirkung haben soll. Die Pferde wurden jeweils einzeln im Hänger transportiert, wobei jeder Transport exakt 15 Minuten dauerte. In einer ersten Versuchsreihe wurden die Pferde einer mit Lavendelöl versetzten Diffusions-Lösung ausgesetzt, die sie während der Fahrt einatmeten – in einer zweiten Versuchsreihe (Kontrollgruppe) bestand die Diffusion nur aus destilliertem Wasser.
Heitman kontrollierte vor und nach jeder Fahrt sowohl die Herzschlagrate als auch den Cortisol-Spiegel im Blut, um die Stressbelastung festzustellen. Tatsächlich zeigte sich, dass die Cortisol-Werte jener Pferde, die der Lavendel-Lösung ausgesetzt waren, deutlich niedriger als jene der Kontrollgruppe waren. Auch die Herzschlagraten nach dem Transport waren geringfügig niedriger, wenn sie Lavendel inhaliert hatten. Die Resultate sind, so Kylie Heitman, vielversprechend und sollten weitere Untersuchungen anregen, die sich mit Lavendel als sinnvollem Mittel zur Stressreduktion bei Pferden befassen.
Die Ergebnisse des Versuchs entsprechen weitgehend jenen einer Studie, die bereits im Jahr 2012 an der Louisiana McNeese State University von Prof. Dr. Clarence E. Ferguson durchgeführt worden war und in der die Wirkungen von Lavendel-Aromatherapie bei akut gestressten Pferden („The Effect of Lavender Aromatherapy on Acute Stressed Horses") untersucht wurden.
Die Studie untersuchte konkret die Möglichkeiten der Lavendel-Aromatherapie, die Herzschlagrate und Atemfrequenz nach einem herbeigeführten akuten Stress – in diesem Fall ausgelöst durch ein lautes Signalhorn – bei Pferden zu senken und somit die Erholung zu verstärken bzw. zu beschleunigen.
Insgesamt sieben Quarter Horses vom McNeese Rodeo-Programm nahmen an der Untersuchung teil, wobei die Pferde nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppen (Untersuchungsgruppe und Kontrollgruppe) eingeteilt wurden. Zuerst wurden bei sämtlichen Pferden die Ruhewerte für Herz- und Atemfrequenz ermittelt und aufgezeichnet, während sie völlig entspannt im Stall standen. Danach wurden die Pferde beider Gruppen einer akuten Stress-Situation ausgesetzt, indem ein lautes Signalhorn betätigt wurde. Die Pferde durften sich kurz (60 Sekunden) erholen, ehe die Herzrate und Atemfrequenz nach der Stress-Situation gemessen wurde.
Anschließend wurde die Untersuchungsgruppe mit Aromatherapie – einer Mischung aus feuchter Luft und ätherischem Lavendelöl (Lavandula angustifolia) – behandelt, während die Kontrollgruppe nur feuchter Luft ausgesetzt war. Nach der Behandlung – die jeweils 15 Minuten dauerte – wurden erneut die Herschlag- und Atemraten gemessen. Schließlich wurden beide Gruppen getauscht und die gesamte Versuchsanordnung – innerhalb einer zweiwöchigen Periode – nochmals wiederholt.
Alle erhobenen Daten – also Herzrate und Atemfrequenz in Ruhe, Stress und Erholung – wurden am Ende ausgewertet, das Ergebnis war eindeutig: „Es gab generell keine statistischen Unterschiede zwischen den Pferden mit Kontrollbehandlung und Aromatherapie in den meisten Statistiken – außer einer: Es gab eine deutliche Senkung der Herzschlagrate zwischen Stress- und Erholungsphase bei den mit Lavendel behandelten Pferden im Vergleich zur anderen Gruppe", so Dr. Ferguson. „Das zeigt, dass eine 15-Minuten Aromatherapie mit ätherischen Lavendelölen die Herzschlagrate bei gestressten Pferden eindeutig reduzieren konnte."
Ferguson meinte abschließend, dass die Lavendel-Aromatherapie Pferdebesitzern als eine praktikable, kurzfristig einsetzbare Lösung dienen könnte, um etwa die Nervosität bei einer tierärztlichen Untersuchung, einem Transport oder nach dem Einsatz bei einem Wettbewerb zu reduzieren.
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