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Komplexes Darm-Mikrobiom: Warum man abrupte Futterumstellungen bei Pferden vermeiden sollte
05.09.2023 / News

Das Verdauungssystem des Pferdes ist ein komplexes Zusammenspiel von Millionen bzw. Milliarden mikrobieller Organismen – und wie in jedem Ökosystem können Veränderungen schädlich sein, so ExpertInnen.
Das Verdauungssystem des Pferdes ist ein komplexes Zusammenspiel von Millionen bzw. Milliarden mikrobieller Organismen – und wie in jedem Ökosystem können Veränderungen schädlich sein, so ExpertInnen. / Symbolfoto: Archiv/Pixabay

Wenn man die Ernährung seines Pferdes verändern oder anpassen muss, sollte man dies stets langsam und schrittweise tun – und zwar nicht nur bei Kraftfutter, sondern auch bei Heu und anderem Rauhfutter. Grund ist das sensible Mikrobiom des Pferdedarms und seine äußerst komplexe Funktionsweise, wie Fütterungsexperten erklären.
 

Pferde haben einen empfindlichen Verdauungstrakt, daher lassen viele Besitzer Vorsicht walten, wenn sie Futter- oder Ernährungsplanänderungen vornehmen. Ernährungswissenschaftler weisen jedoch darauf hin, dass Besitzer üblicherweise nicht so vorsichtig sind, wenn sie das Heu oder ein anderes Grundfutter ihrer Pferde wechseln, obwohl sie es auch in diesem Fall sein müssen.

Größere Umstellungen bzw. Anpassungen des Futters sind für Pferdebesitzer mitunter unvermeidlich – zum Beispiel, wenn sie den Einstellbetrieb wechseln, mit der Fütterung einer neuen Heulieferung beginnen, ihr Pferd wieder an die Weide gewöhnen usw. Die Pferdeindustrie konzentriert sich vor allem bei ergänzenden Futtermitteln auf langsame Umstellungen, doch Ernährungswissenschaftler empfehlen diese behutsame Vorgangsweise für alle Aspekte der Pferdefütterung – sowohl kommerzielle Futtermittel als auch Grün- bzw. Raufutter. Das Verständnis der zugrundeliegenden Physiologie des Magen-Darm-Trakts (GI) des Pferdes kann Besitzern helfen, die Bedeutung langsamer Futteranpassungen zu erkennen. Die von ErnährungsexpertInnen empfohlenen Methoden für diese Anpassungen können das Risiko von Magen-Darm-Problemen bei Pferden deutlich verringern.

Pferde haben eine große Population mikrobieller Organismen, die in ihrem Magen-Darm-Trakt leben, insbesondere im Hinterdarm, wo die Fermentation stattfindet. „Das Verdauungssystem des Pferdes ist mit Millionen/Milliarden mikrobieller Organismen gefüllt, hauptsächlich im Hinterdarm, aber zu einem gewissen Grad auch im Vorderdarm/Magen“, so Prof. Shannon Pratt-Phillips, Professorin für Tierwissenschaften an der North Carolina State University in Raleigh, gegenüber dem Portal TheHorse.com. „Daher können wir uns den Verdauungstrakt als ein Mikroökosystem dieser Mikroben vorstellen – und wie in jedem Ökosystem können Veränderungen schädlich sein.“ Indem wir also langsam Futterveränderungen einführen, geben wir diesen Mikroben Zeit, sich an neue Substrate anzupassen.“

Tatsächlich können sich sogar Veränderungen im Futter negativ auf die Mikroben im Darm des Pferdes auswirken. „Der Nährwert von Heu kann aufgrund der unterschiedlichen Reife des Schnittguts und der Artenzusammensetzung stark variieren, was sich letztendlich auf die im Heu vorherrschenden Fasertypen auswirkt – Hemizellulose, Zellulose, Lignin oder Zucker und Stärke“, so Prof. Pratt-Phillips . Wenn das Verdauungssystem des Pferdes an bestimmte Substrate gewöhnt ist, könnte eine schnelle Veränderung dazu führen, dass einige Mikroben absterben, was negative Auswirkungen haben könnte, wie etwa eine Erhöhung der Laktatproduktion, die den pH-Wert des Darms senken kann, fügt sie hinzu. Geschieht dies im Darm, kann es große Teile der Mikroben abtöten.

„Andere Probleme können die Darmschleimhaut schädigen und sie undicht machen, was zu Darmentzündungen führen kann“, so Pratt-Phillips. „Einige der Fermentationswege können auch zu einer stärkeren Gasproduktion führen, was in schlimmen Fällen zu (Gas-)Koliken führen kann.“

„Viele Pferde sind äußerlich ruhig und scheinen von plötzlichen Ernährungsumstellungen nicht betroffen zu sein, aber das zeigt nicht, was unter der Oberfläche vor sich geht“, bestätigt auch Rachel Mottet, Pferdeernährungsberaterin und Inhaberin von Legacy Equine Nutrition in Ocala, Florida. Wenn Sie die Ernährung Ihres Pferdes plötzlich umstellen, besteht ein großes Problem darin, dass bestimmte Mikrobiota, die eine bestimmte Faser fermentieren, durcheinander geraten und sich plötzlich verändern können, fügt sie hinzu. „Diese Veränderungen der Darmmikrobiota können ungünstig sein und möglicherweise zu Magen-Darm-Störungen, Koliken, Hufrehe oder anderen gesundheitlichen Problemen führen. Aus diesem Grund ist ,langsam und stetig’ das beste Prinzip, wenn es um Ernährungsumstellungen bei Pferden geht.“

Wenn Sie wissen, dass sich die Ernährung Ihres Pferdes ändern wird, kann die Erstellung eines Plans das Risiko von Magen-Darm-Beschwerden verringern, indem die Belastung der Mikrobenpopulation im Magen-Darm-Trakt gemindert wird. Unterschiedliche Futtermittel enthalten unterschiedliche Nährwerte und können bei abruptem Wechsel einen Schock für die Mikroben auslösen. „Während es beim Wechsel von einem Stall zum anderen oft nicht zu langsamen Futterübergängen kommt, kann man zumindest ein paar Tage Heu bekommen, das sich hervorragend zum Mischen eignet“, sagt Mottet.

„Meine allgemeine Empfehlung ist, (an den ersten ein bis zwei Tagen in einer neuen Einrichtung) zu 100 % die Ernährung zu erhalten, die das Pferd zuvor erhalten hat“, bemerkt Mottet. „Umzüge sind für Pferde extrem stressig und wenn sich alles schnell verändert, würde ich es vorziehen, wenn der Darm während dieses Übergangs so stabil wie möglich bleibt.“ Nach den beschriebenen ersten ein bis zwei Tagen empfiehlt sie, die beiden Diäten eine Woche lang zu mischen. Wenn Sie kein Heu aus dem vorherigen Stall bekommen können, versuchen Sie, etwas Kraftfutter mitzubringen, um die Konsistenz aufrechtzuerhalten. Wenden Sie diese Taktik unbedingt auch an, wenn Sie eine neue Charge Heu haben, und gehen Sie langsam von der vorherigen Charge zur neuen Charge über.

Wenn die Tagesration Ihres Pferdes beispielsweise aus Heu und Kraftfutter besteht, bringen Sie genug Heu aus dem vorherigen Stall mit, um Ihr Pferd vier oder fünf Tage lang füttern zu können. Für ein Pferd, das etwa 500 kg wiegt, wären dafür ca. 10 kg Heu pro Tag erforderlich. Füttern Sie der Empfehlung von Mottet folgend in den ersten beiden Tagen nur dieses Heu. Danach gehen Sie dazu über, eine Mischung aus gleichen Teilen Heu aus dem vorherigen Stall und dem Heu der neuen Anlage zu füttern, bevor Sie die Tiere vollständig vom alten Heu entwöhnen.

Bei einer Umstellung des Kraftfutters gehen Sie ähnlich vor. Füttern Sie in den ersten Tagen die gleichen Produkte und Mengen. Verringern Sie dann schrittweise die Menge des ursprünglichen Kraftfutters und beginnen Sie, die Menge des neuen Kraftfutters in der Ration zu erhöhen, bis das Pferd vollständig auf den neuen Plan umgestellt ist.

Das Mikrobiom des Pferdedarms ist komplex – unter der Oberfläche passiert enorm viel. Da es sich bei Pferden um Flucht- bzw. Beutetiere handelt, die Schwächen oder gesundheitliche Probleme nicht nach außen sichtbar machen wollen, bemerken Besitzer oder Betriebsleiter Magen-Darm-Beschwerden möglicherweise erst dann, wenn schwerwiegendere Probleme wie Koliken auftreten. Da sich die Mikrobenpopulation an die in der Nahrung bereitgestellten Substrate gewöhnt, führen alle Änderungen zu Störungen. Daher empfehlen FütterungsexpertInnen, die Ernährung der Pferde immer langsam umzustellen und Futteranpassungen stets behutsam und schrittweise durchzuführen.

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