Korrekt gelagertes Heu bleibt über viele Monate intakt und bietet ihrem Pferd eine stabile Grundversorgung mit wichtigen Nährstoffen. Im Auge behalten sollte man jedoch die abnehmenden Vitamin A- und E-Gehalte – und gegebenenfalls reagieren.
Während der Protein-, Energie- und Mineralstoffgehalt von Heu im Laufe der Zeit weitgehend gleich bleibt, nimmt der Gehalt an Vitamin A und E ab. Im Falle von Vitamin A gehen tatsächlich Carotinoide verloren, die als Provitamine wirken, wobei Beta-Carotin das wichtigste ist. Beta-Carotin kann intakt aus dem Verdauungstrakt aufgenommen oder in der Darmschleimhaut in Retinol, die aktive Form von Vitamin A, umgewandelt werden. Retinol kommt in pflanzlichen Futtermitteln, die an Pferde verfüttert werden, nicht natürlich vor.
Der Großteil dieser Nährstoffverluste durch Heu entsteht – wie die Fütterungsexpertin Clair Thunes auf dem Portal TheHorse.com betont – während des anfänglichen Trocknungsprozesses. Berichten zufolge gehen bis zu 80 % des Beta-Carotins im Futter während der Trocknung verloren, wobei pro Monat Lagerung ein zusätzlicher Verlust von etwa 7 % bzw. – bei nicht optimalen Lagerbedingungen – von bis zu 10 % hinzukommt. Daher kann ein 6 Monate alter Ballen Grasheu gerade einmal 10 % des Beta-Carotin-Gehalts aufweisen, den dasselbe Gras direkt vor der Ernte hatte.
Daher ist es durchaus empfehlenswert, vor allem im Winter bei Stallhaltung und Heufütterung die ausreichende Vitamin-Versorgung von Pferden zu überprüfen. Die Farbe des Heus ist meist ein guter erster Indikator für den aktuellen Beta-Carotin-Spiegel, so Clair Thunes: Grüneres Heu hat einen höheren Gehalt als vergilbtes Heu. Bei der Beurteilung sollte man sich jedoch nicht auf die Farbe allein verlassen: Öffnen Sie die Ballen und nehmen Sie auch die Farbe im Inneren unter die Lupe. Der Blattgehalt ist ein weiterer guter Indikator: Je höher der Blattanteil im Heu ist, desto mehr Beta-Carotin wird es vermutlich enthalten.
Timothee-Heu verliert bis zu 60 % seines Vitamin E, wenn es vier Tage lang in Schwaden getrocknet wird. Andere Untersuchungen haben gezeigt, dass Luzerne, die drei Monate lang bei 30 °C gelagert wurde, einen Vitamin-E-Verlust von 54–73 % erlitt. Je mehr ultraviolettem Licht das Futter während der Trocknung ausgesetzt ist, desto größer ist der Verlust sowohl an Beta-Carotin als auch an Vitamin E. Interessanterweise gilt das Gegenteil für Vitamin D, das während der Trocknung unter ultraviolettem Licht zunimmt. Der Kompromiss mit einem höheren Vitamin-D-Gehalt auf Kosten von Beta-Carotin und Vitamin E wird jedoch nicht als lohnenswert erachtet.
Aus all dem folgt, so Clair Thunes, dass „das Vitaminprofil eines beispielsweise 8 Monate alten Heus tatsächlich ganz anders ist als zu dem Zeitpunkt, als der Landwirt es frisch vom Feld geholt hat". Die Frage ist aber: Ist das ein Problem fürs Pferd?
Unter bestimmten – ungünstigen – Umständen kann das sehr wohl ein Problem darstellen, so Thunes, denn beide Vitamine sind wichtig für die Vitalität und Gesundheit des Pferdes: Sowohl Vitamin A als auch E spielen als Antioxidantien eine wichtige Rolle, vor allem bei der Aufrechterhaltung der sogenannten Epithelintegrität (Epithel ist die oberste Zellschicht des Haut- und Schleimhautgewebes), sprich: Vitamin A unterstützt Aufbau und Funktion von Haut und Schleimhäuten und ist außerdem für die angeborene und adaptive Immunität von Bedeutung. Es soll zudem förderlich für die Fruchtbarkeit von Zuchttieren sein – und es ist allgemein bekannt, dass Vitamin A für das Sehvermögen wichtig ist.
Obwohl die Mengen dieser wichtigen Nährstoffe in gelagerten Futtermitteln im Laufe der Zeit erheblich abnehmen, kann Retinol im Falle von Vitamin A in Zeiten reichlicher Versorgung in der Leber gespeichert werden, um später bei unzureichender Zufuhr abgerufen zu werden. Man geht davon aus, dass diese Vorräte zwei bis sechs Monate lang halten.
Pferde, die mit einem gut zusammengestellten, angereicherten kommerziellen Futter versorgt werden, nehmen wahrscheinlich ausreichende Mengen an Vitamin A zu sich. Auf dem Papier sollten sie auch ausreichend Vitamin E zu sich nehmen – allerdings verwenden nicht alle Futtermittelhersteller natürliche Vitamin E-Quellen, welche die beste Bioverfügbarkeit gewährleisten. Darüber hinaus variiert die individuelle Verwertung von Vitamin E je nach Pferd stark, so Thunes. Daher der Tipp: Wenn Sie Bedenken hinsichtlich des Vitamin-E-Status Ihres Pferdes haben, ersuchen Sie Ihren Tierarzt, eine Blutprobe zu nehmen und den Vitamin-E-Spiegel zu testen. (Blut ist übrigens keine besonders genaue Methode zur Bestimmung des Vitamin-A-Status ihres Pferdes, da die Ergebnisse das in der Leber gespeicherte Vitamin A nicht berücksichtigen.)
Zu bedenken ist jedoch, dass sowohl ein Mangel als auch ein Überschuss schädliche Auswirkungen haben kann, so Thunes. Eine übermäßige Vitamin-A-Zufuhr kann zu Knochenbrüchigkeit, orthopädischen Entwicklungsstörungen, Bänderverhärtung, angeborenen Fehlbildungen, Muskelschwäche und anderen Erkrankungen führen. Obwohl die sichere Obergrenze relativ hoch ist, sollte man daher bei der Kombination von Futtermitteln und Nahrungsergänzungsmitteln vorsichtig sein, so Thunes – insbesondere, wenn das Vitamin A in Form von Retinylestern vorliegt.
Zum täglichen Bedarf an Vitamin A bei Pferden in unterschiedlichen physiologischen Zuständen sind z.T. recht unterschiedliche Zahlen zu finden. Folgt man den Empfehlungen der Gesellschaft für Ernährungsphysiologie (GfE), so beträgt die empfohlene Vitamin A-Versorgung pro Tag für ein 600 kg schweres Warmblut
– 27.200 IE für ein Pferd in Arbeit sowie
– 18.000 IE für ein Pferd in Erhaltung
Für Zuchtstuten bzw. Fohlen liegen die Werte entsprechend höher:
– 36.500 IE für eine tragende und säugende Warmblutstute sowie
– 19.500 IE für ein Warmblutfohlen im Alter von 7–12 Monaten
Vitamin E ist ebenfalls für die Aufrechterhaltung der Zellmembranintegrität verantwortlich und schützt sie vor oxidativen Schäden. Es hat viele zusätzliche Rollen, wie zum Beispiel die humorale Immunantwort (das ist der Anteil der Immunabwehr, der durch nicht-zelluläre Bestandteile – z.B. Antikörper – des Immunsystems vermittelt wird, Anm.) und die Genexpression.
Die empfohlene Vitamin E-Versorgung pro Tag für ein 600 kg schweres Warmblut liegt
– zwischen 1.220 und 2.420 mg für ein Pferd in Arbeit sowie
– zwischen 610 und 1.220 mg für ein Pferd in Erhaltung
Die Werte für Zuchtstuten bzw. Fohlen liegen bei
– 610 mg für eine tragende und säugende Warmblutstute sowie
– 660 mg für ein Warmblutfohlen im Alter von 7–12 Monaten
Diese Bedarfswerte liegen z.T. deutlich unter jenen, die noch in den 1990er Jahren veröffentlicht wurden – man geht also davon aus, dass heutzutage nur noch eine geringere Mineral- bzw. Vitaminergänzung über das Futter erforderlich ist. Vor allem ergänzende Vitamin-A-Quellen sind in kommerziellen Futtermitteln und Nahrungsergänzungsmitteln heute weit verbreitet – daher sollte man darauf achten, nicht zuviel zuzuführen, wie auch Clair Thunes betont.
Dennoch kann es – insbesondere in den späteren Wintermonaten – sein, dass allein mit Rau- und Kraftfutter eine ausreichende Vitaminversorgung nicht immer gewährleistet ist und eine entsprechende Ergänzung (z.B. über ein vitaminisiertes Mineralfutter oder ein Ergänzungsfutter in Pellet- oder Müsliform) notwendig ist.
Auch das Füttern von Karotten ist eine einfache Möglichkeit, ihrem Pferd mehr Beta-Carotin zur Verfügung zu stellen (noch dazu eine, die ihm bestimmt gefällt!), so Thunes, denn Karotten sind eine ausgezeichnete Quelle für Beta-Carotin. Nur als Anhaltspunkt: Ein Kilogramm Karotten enthält ca. 60 mg Carotin.
Auf den Punkt gebracht: Insbesondere für Pferde, die vor allem mit Heu ernährt und intensiver gearbeitet werden, empfiehlt sich die zusätzliche Versorgung mit Vitamin E. Für tragende oder säugende Stuten ist die Zugabe einer Beta-Carotin- oder Vitamin-A-Quelle ebenfalls empfehlenswert, da die Gehalte dieser beiden Vitamine im gelagerten Heu sukzessive abnehmen.