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Toter Friesenwallach in NÖ: Infektionen nach Zeckenbefall häufig unerkannt
30.09.2023 / News

Der Friese hatte Schwierigkeiten beim Gehen und andere offenkundige neurologische Probleme.
Der Friese hatte Schwierigkeiten beim Gehen und andere offenkundige neurologische Probleme. / Symbolfoto: Archiv/Pixabay

Ein 16-jähriger Friesenwallach in Niederösterreich musste nach schweren neurologischen Problemen eingeschläfert werden. Wie sich herausstellte, litt er an einer durch Zecken übertragenen Enzephalitis – eine Infektion, für die Pferde besonders anfällig sind, die aber zu selten diagnostiziert werde, so das Forscherteam.


Phebe de Heus von der Veterinärmedizinischen Universität Wien und ihre KollegInnen wiesen einleitend darauf hin, dass serologische und epidemiologische Studien darauf hindeuten, dass Infektionen bei Pferden mit dem durch Zecken übertragenen Enzephalitis-Virus in Endemiegebieten häufig vorkommen – dass es aber nur sehr wenige Berichte über klinische Fälle gebe, was vermutlich mit einer ganzen Reihe diagnostischer Herausforderungen zusammenhängt, so die AutorInnen.

Einen konkreten klinischen Infektionsfall konnte das Forscherteam nun in der Zeitschrift ,viruses' detailliert beschreiben. Ein 16-jähriger Friesenwallach war im Juni 2021 mit einer plötzlich auftretenden neurologischen Erkrankung in die Klinik eingeliefert worden. Er war unsicher auf den Beinen und zeigte beim Gehen einen auffälligen Drang nach links. Weitere offenkundige neurologische Probleme und auch eine mutmaßliche Sehstörung (möglicherweise Blindheit) verschlimmerten das Krankheitsbild.

Der Besitzer gab an, dass sich der Wallach einige Tage zuvor an einem Stacheldrahtzaun verletzt habe, was mit den Sehproblemen zusammenhängen könnte. Darüber hinaus bemerkte der Besitzer beim Pferd einen schlechten Appetit, es setzte weniger Kot ab und hatte darüberhinaus Fieber (38,8 °C).

Das Tier wurde zunächst vor Ort tierärztlich behandelt. Das Pferd war vier Monate zuvor gekauft und zusammen mit vier anderen Pferden, die keine klinischen Symptome aufwiesen, in Niederösterreich auf der Weide gestanden worden. Der Besitzer erwähnte einen starken Zeckenbefall des Pferdes.

Bei der ersten Vorstellung in der Klinik war der Wallach lethargisch. Er konnte im Untersuchungsstand problemlos untersucht werden und blieb ruhig stehen. Mehrere oberflächliche Schürfwunden und Narben bedeckten den gesamten Körper. Die Herzfrequenz und die Atemfrequenz waren erhöht. Die Schleimhäute waren trocken und mäßig gerötet. Bei der neurologischen Untersuchung zeigte das Pferd keine Reflexantwort links, verzögerte Pupillenlichtreflexe in beiden Augen, einen steifen Gang, zwanghaftes Gehen mit Drang nach links und leichte Hypermetrie (überschießende Bewegungen). Zu den klinischen Symptomen gehörten auch das Knirschen bzw. Aneinanderpressen der Zähne.

Auf dem Weg zurück zum Stall kam es zu einer plötzlichen Verschlechterung, die sich in hochgradiger Ataxie, zitterndem Maul und einem Drehen des Kopfes nach links äußerte und weniger als eine Minute anhielt. Am nächsten Tag zeigte sich außerdem eine Überempfindlichkeit bei Geräuschen sowie bei Berührungen und eine Lähmung des linken Gesichtsnervs.

Der Wallach wurde mit nichtsteroidalen entzündungshemmenden Medikamente und Glukokortikoide gegen eine vermutete Enzephalitis behandelt, akute Anfallsaktivität bei Bedarf mit Diazepam. Nach vier Behandlungstagen war keine Besserung der klinischen Symptome festzustellen, es kam auch zu weiteren Anfällen, was zu Selbstverletzungen f+hrte und ein erhebliches Weichteiltrauma um das linke Auge verursachte. Phenobarbital zur Reduzierung von Anfällen wurde bereits vor dem Trauma mit dem Besitzer besprochen. Eine weitere antiepileptische Behandlung wurde jedoch aus finanziellen Gründen abgelehnt. Vier Tage nach der Aufnahme wurde schließlich die Entscheidung getroffen, das Pferd einzuschläfern.

Das Studienteam untersuchte weiterhin die Ursache der Erkrankung des Pferdes, einschließlich Blutuntersuchungen an zuvor entnommenen Proben sowie virologischen Untersuchungen und Analysen von Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeiten. Es wurde eine Autopsie durchgeführt, die auch eine Untersuchung des Gehirngewebes beinhaltete.

Mit molekularbasierten Methoden wurden Gehirngewebeproben auf das Vorhandensein von Nukleinsäuren des durch Zecken übertragenen Enzephalitisvirus, des Equiden-Alphaherpesvirus 1, des Borna-Virus 1, des West-Nil-Virus und des Usutu-Virus, des Rustrela-Virus sowie des Ost-, West- und Ost-Enzephalitis-Virus getestet Venezolanische Pferdeenzephalitisviren.

In den Gehirnproben wurden Nukleinsäuren des durch Zecken übertragenen Enzephalitis-Virus identifiziert. Die genetische Sequenzierung ergab, dass der westeuropäische (ehemals mitteleuropäische) Subtyp des Virus der Erreger ist. Im Serum des Pferdes wurde ein hoher Anteil spezifischer neutralisierender Antikörper gegen das Virus gefunden. Es wurden keine weiteren Krankheitserreger oder Nukleinsäuren nachgewiesen.

Bei der Diskussion dieser Ergebnisse wies das Studienteam darauf hin, dass Pferde anfällig für eine Infektion mit dem durch Zecken übertragenen Enzephalitis-Virus seien, was durch die hohe Antikörperprävalenz in Endemiegebieten belegt werde. Allerdings sind Fälle von klinischer Zeckenenzephalitis bei Pferden aufgrund verschiedener diagnostischer Einschränkungen und Herausforderungen selten oder werden zu selten diagnostiziert. „Die Diagnose mutmaßlicher Fälle, die in den letzten Jahrzehnten gemeldet wurden, basierte hauptsächlich auf klinischen Anzeichen, serologischen Befunden und manchmal auch Histopathologie“, so das Forscherteam

Eine eindeutige Diagnose des Virus als Krankheitsursache sei oft nicht möglich, hieß es. Mit dem Virus infizierte Pferde können je nach betroffener Region des Nervensystems unterschiedliche klinische Symptome aufweisen. Die bisher bei Pferden festgestellten klinischen Symptome sind Anorexie (Magersucht) veränderte geistige Aktivität, Unsicherheit, Anfälle mit oder ohne plötzlichen Krämpfen, Lähmungen und ein beeinträchtigter Allgemeinzustand.

Die ForscherInnen sagten, dass das Virus als Differenzialdiagnose in Betracht gezogen werden sollte, wenn Pferde von neurologischen Symptomen betroffen sind und sich etwa zwischen Mai und Oktober in Endemiegebieten des Zeckenenzephalitis-Virus befunden haben. Ein Zeckenbefall würde ebenfalls eine vorläufige Diagnose stützen, so die AutorInnen. Bei dem von ihnen untersuchten Friesenpferd wurde auf der Grundlage der Blutbefunde vor dem Tod eine vorläufige Diagnose einer durch Zecken übertragenen Enzephalitis gestellt und durch postmortale Analysen des Gehirngewebes mit molekularen Methoden bestätigt.

Die AutorInnen sagten, dass fortgeschrittene Technologien heute eine eindeutige Diagnose von durch Zecken übertragenen Enzephalitis-Virus-Infektionen ermöglichen. Sie sagten, sie hofften, dass ihr Bericht andere Tierärzte dazu ermutigen könnte, das Virus als Differenzialdiagnose in ähnlichen Fällen in Betracht zu ziehen. Auch weitere diagnostische Ansätze sollten berücksichtigt oder kombiniert werden, da die durch Zecken übertragene Enzephalitis bei Pferden immer noch eine zu selten diagnostizierte Krankheit sei.

Die Studie „Severe Neurologic Disease in a Horse Caused by Tick-Borne Encephalitis Virus, Austria, 2021" von Phebe de Heus, Zoltán Bagó, Pia Weidinger, Dilara Lale, Dagmar S. Trachsel, Sandra Revilla-Fernández, Kaspar Matiasek und Norbert Nowotny ist am 29. Sep. 2023 in der Zeitschrift ,viruses' erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.

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