News 

Rubrik
Zur Übersichtzurück weiter

Bewegungsmangel und Überfütterung schaden den Hufen enorm
22.08.2023 / News

Eine aktuelle Studie unterstreicht die Risiken, die durch Stallhaltung und energiereiches Futter für die Hufgesundheit von Pferden entstehen: Mikroskopische Untersuchungen des Huflamellengewebes zeigten deutliche Unterschiede zwischen Stallpferden und freilebenden Pferden.

Viel Bewegung und eine ausgeglichene, nicht zu energiereiche Ernährung sind essentiell, um die Hufe gesund zu halten, so das Resümee der StudienautorInnen.

 

Die Studie, die vor kurzem in der Fachzeitschrift ,PLOS ONE' veröffentlicht wurde, umfasste insgesamt 20 Pferde der Rassen Marajoara und Puruca, die von Pferden abstammen, die vor 300 Jahren von Siedlern der Iberischen Halbinsel auf die Insel Marajó im brasilianischen Bundesstaat Pará gebracht wurden.

Die Marajoara-Rasse entstand durch die Kreuzung dieser Pferde mit Arabern und anderen reinrassigen Pferden iberischer Herkunft, während die Puruca-Rasse durch die Kreuzung von Marajoara-Pferden mit Shetlandponys entstand. Diese Pferde leben in Freilandhaltung und in Regionen, die sich durch karge Böden mit geringer Fruchtbarkeit auszeichnen, sie erhalten auch keine zusätzlichen Mineralien.

Ihre Hufe erfahren keinerlei menschlichen Eingriff – zeichnen sich aber dennoch durch eine erstaunliche Gesundheit und Robustheit aus. Es wird vermutet, dass sich während der Regenzeit Überschwemmungsgebiete bilden und die Pferdehufe auf dem weichen, durchnässten Boden nur geringfügig abgenutzt werden. Mit den steigenden Temperaturen im Sommer und dem Übergang zur Trockenzeit kommt es zu einer Verhärtung des Bodens, einer erhöhten Abnutzung der Hufe – und damit zu einem natürichen, selbständigen Gleichgewicht über die Jahreszeiten hinweg.

 

Das Mikroskop offenbart die Unterschiede: Huflamellen eines Stallpferdes der Rasse Mangalarga Marchador (A) im Vergleich zu einem halbwild lebenden Puruca Pferd (B). Foto: Bruno Dondoni Malacarne et.al.

 

Die ForscherInnen stellten die Hypothese auf, dass das Hufgewebe von Pferden, die unter halbwilden Bedingungen aufwuchsen – das heißt, die Möglichkeit ständiger Bewegung, nur begrenzten Zugang zu Nahrung und keinen Schutz vor Umwelteinflüssen und Krankheitserregern hatten – gesünderes Lamellengewebe aufweisen würde als von Pferden ähnlicher Abstammung, die aber unter intensiven Haltungsbedingungen lebten, in Ställen gehalten und mit energiereicher Nahrung, die insbesondere reich an nichtstrukturellen Kohlenhydraten ist, gefüttert werden. Wie sich herausstellen sollte, erwies sich diese Hypothese als zutreffend.

Von einer Ranch auf der Insel Marajó wurden Proben von sechs Marajoara-Pferden und sechs Puruca-Pferden entnommen. Obwohl angeritten, galten diese Pferde dennoch als halbwild, da sie seit Jahren nicht mehr geritten worden waren und auch keinen sonstigen Kontakt mehr mit Menschen hatten. Die Pferde wiesen Körperzustandswerte (BCS-Werte) zwischen 5 und 6 auf. Die acht vollständig domestizierten Pferde, die in der Studie verwendet wurden, gehörten der Rasse Mangalarga Marchador an und wiesen höhere BCS-Werte von 8 und 9 auf.

Die ForscherInnen verwendeten archivierte Huflamellen-Gewebeproben dieser Tiere, die in Ställen gehalten waren und über 150 Tage hinweg verdauliche Energie in Mengen erhielten, die dem Doppelten ihres eigentlichen Erhaltungsbedarfs entsprachen, wie in einer Studie aus dem Jahr 2020 beschrieben, in der Fettleibigkeit und Gewichtszunahme bei Mangalarga Marchador-Pferden bei besonders kalrienreicher Fütterung untersucht worden war. Die Hälfte ihres täglichen Energiebedarfs wurde damals als Kraftfutter, die andere Hälfte als Raufutter in einer Menge von 2 % des Körpergewichts gedeckt. Die AutorInnen wiesen darauf hin, dass Stallhaltung und übermäßiges, energiereiches Futter im modernen brasilianischen Pferdehaltungssystem weit verbreitet sind.

Alle Lamellenproben der 20 Pferde wurden einer histologischen Untersuchung unterzogen (sie wurden unter einem Mikroskop untersucht).

Erste Ergebnisse zeigten, dass die halbwild lebenden Pferde gesündere Huflamelleneigenschaften aufwiesen als Mangalarga Marchador-Pferde, die unter den Bedingungen von Stallhaltung und energiereicher Fütterung aufgewachsen waren. Die Puruca-Pferde hatten trotz ihrer kleineren Statur eine größere Länge und Breite ihrer primären und sekundären Epidermislamellen als andere Rassen. Die AutorInnen betonten zudem, dass die Mangalarga Marchador-Pferde die einzigen seien, die Anzeichen von Brüchigkeit im Lamellengewebe zeigten.

 

Die Huflamellen des Mangalarga Marchador, der unter Bedingungen intensiver Stallhaltung und energiereicher Fütterung gehalten wurde, weisen eine ganze Reihe von Abnormitäten auf (siehe Pfeile). Foto: Bruno Dondoni Malacarne et.al.

 

Bei der Erörterung ihrer Ergebnisse sagten die Forscher, ihre Studie zeige, dass halbwild lebende Pferde – trotz mikroskopischer Unterschiede, die auf Umgebung, Ernährung und die natürliche Selbstregulierung der Hufe zurückzuführen waren – gesünderes Lamellengewebe aufwiesen als Pferde, die in Intensivhaltung lebten.

Die Mangalarga Marchador-Pferde, die hohe Konzentrationen nichtstruktureller Kohlenhydrate erhielten, wiesen Läsionen in ihrem Lamellengewebe auf – was nicht überraschend ist, da in dieser Versuchsgruppe bereits zuvor hormonelle Ungleichgewichte festgestellt worden waren. Die AutorInnen dazu: „Diese Ergebnisse stimmten mit dem Anfangsstadium der Hufrehe überein, wobei Läsionen klassischerweise in natürlichen Fällen im Zusammenhang mit Hyperinsulinämie und in Modellen einer insulininduzierten Hufrehe beschrieben wurden.“

Die Mangalarga Marchador-Pferde befanden sich somit eindeutig im Frühstadium einer Insulin-Dysregulation, so die AutorInnen. Dies sei ein beunruhigender Befund, wenngleich man bei der Interpretation vorsichtig sein sollte und es wichtig sei, „mehrere unbestimmte Faktoren zu berücksichtigen, darunter etwa die geringe Stichprobengröße, Unterschiede in Alter, Geschlecht und Rasse zwischen den Gruppen sowie die unterschiedlichen geografischen Bedingungen." In diesem Sinne seien weitere Studien mit größeren Stichproben erforderlich, um die histologischen Muster halbwilder Pferde zu beschreiben.

Dennoch sollten die bislang gewonnenen Ergebnisse ernstgenommen und die Praxis der modernen Pferdehaltung in wichtigen Punkten hinterfragt bzw. adaptiert werden. Denn die vorliegende Untersuchung sei „die erste Studie, die zeigt, dass halb-wildlebende Pferde lamellare histologische Merkmale aufweisen, die sich stark von denen unterscheiden, die bei Pferden beobachtet werden, die eingestallt und übermäßig gefüttert werden, was im modernen brasilianischen Pferdemanagementsystem eine gängige Praxis ist.“

Die Studie „Histological comparison of the lamellar tissue of Iberian origin breed horses created in semi-feral conditions or in an intensive system" von Bruno Dondoni Malacarne, Rodrigo Ribeiro Martins, Cahuê Francisco Rosa Paz, João Victor Almeida Alves, Lucas Antunes Dias, Marina Alcantara Cavalcante, Alison Miranda Santos, André Guimarães Maciel Silva, Britta Sigrid Leise, Armando Mattos Carvalho und Rafael Resende Faleiros ist am 1. Juni 2023 in der Zeitschrift ,PLOS ONE' erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.

Kommentare

Bevor Sie selbst Beiträge posten können, müssen Sie sich anmelden...
Zur Übersichtzurück weiter

 
 
ProPferd.at - Österreichs unabhängiges Pferde-Portal − Privatsphäre-Einstellungen