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Tödlicher Unfall beim Pferde-Verladen: "Eine der gefährlichsten Handlungen überhaupt!"
24.07.2023 / News

Eine bekannte Schweizer Militärangehörige erlitt beim Verladen eines Pferdes tödliche Verletzungen. Für die Verlade- und Transport-Spezialistin Claudia Wobornik zeigt der besonders tragische Fall, dass „das Verladen eine der gefährlichsten Handlungen überhaupt ist, die man mit Pferden machen kann" – und ein gewisses Restrisiko immer bestehen bleibt.

Das Verladen eines Pferdes ist eine Stress- und Gefahrensituation par excellence – und sollte niemals unterschätzt werden, wie ExpertInnen mahnen. Symbolfoto: Archiv Martin Haller


Der tödliche Unfall von Oberstleutnant Christine Hug am 10. Juli dieses Jahres sorgte in der Schweiz für große Aufmerksamkeit und Betroffenheit. Die genauen Hintergründe des Dramas blieben vorerst unbekannt – nun hat ein Bericht der renommierten ,Neuen Zürcher Zeitung' Details dazu enthüllt.

Demnach wollte Christine Hug mit ihrer Familie und ihren Pferden in die Sommerferien nach Ungarn fahren. Beim Verladen in den Anhänger soll eines der Pferde plötzlich eine abrupte Bewegung gemacht und Hug angerempelt haben: Diese stürzte daraufhin rückwärts und fiel auf den Hinterkopf. Frau und Tochter leisteten sofort Nothilfe und setzten die Rettungskette in Gang. Christine Hug wurde per Helikopter ins Krankenhaus geflogen, erlag dort jedoch ihren schweren Kopfverletzungen.

Christine Hug war als Oberstleutnant im Generalstab das erste hochrangige Mitglied der Schweizer Armee, das sich 2019 als Trans-Frau outete – und damit landesweit für Schlagzeilen sorgte, auch der Schweizer Rundfunk (SRF) widmete ihr eine ausführliche Doku. Christine Hug warb im Rahmen des Frauenförderungsprogramms der Schweizer Armee und hielt Vorträge zum Thema Diversity-Management – sie war damit eine Vorreiterin der Trans-Bewegung und wurde für ihre Offenheit und Charakterstärke von vielen geschätzt.

Privat waren Pferde ihre große Leidenschaft – Christine Hug war begeisterte Reiterin und züchtete auf einem kleinen Pferdehof im Kanton Solothurn Trakehner, sie erfüllte sich damit einen Lebenstraum.

Expertin: Verladen ist „eine der gefährlichsten Handlungen überhaupt"

Verlade-Spezialistin Claudia Wobornik: „Beim Verladen bitte niemals ablenken lassen! Bitte immer konzentriert bleiben und einen ruhigen Platz zum Verladen suchen – mit wenig Ablenkung fürs Pferd!" Foto: Sabine Tauscher
 

Für die Verlade- und Transport-Expertin Claudia Wobornik (www.pferde-transport.at) zeigt der besonders tragische Todesfall, dass „das Verladen eine der gefährlichsten Handlungen überhaupt ist, die man mit Pferden machen kann" – und ein gewisses Restrisiko auch bei noch so vorsichtiger Herangehensweise immer bestehen bleibt, selbst wenn man top vorbereitet ist, sehr viel Pferdeerfahrung hat und die eigenen Pferde sehr gut kennt, was bei Christine Hug zweifellos der Fall war.

„Gerade deswegen", so Claudia Wobornik weiter, „darf man auch bei den eigenen Pferden nicht den Respekt vor und die Einsicht in die Gefährlichkeit der Verladesituation verlieren, und das gilt auch bei anderen stressbehafteten Situationen: Pferde bleiben Fluchttiere, und auch wenn schon x-mal nichts passiert ist, ist es keine Selbstverständlichkeit, dass die Pferde ruhig auf den Hänger gehen und dort auch ebenso ruhig stehenbleiben. Man muss sehr konzentriert sein, um die Verladesituation zu überwachen, es sind ja meist auch noch andere Menschen involviert – und man braucht eine eigene blitzschnelle Reaktion in einer Gefahrensituation."

Damit hängt auch ein weiterer wesentlicher Punkt zusammen, so Claudia Wobornik: „Beim Verladen bitte niemals ablenken lassen!!! Bitte immer konzentriert bleiben, einen ruhigen Platz zum Verladen suchen mit wenig Ablenkung fürs Pferd, Zuschauer wegschicken, Zeit, Ruhe und Geduld nehmen, damit lässt sich das Risiko von Störungen und letztlich von Unfällen deutlich verringern."

Für Wobornik sind „Routine, Erfahrung und ein breites Wissen rund um Pferdepsyche bzw. Pferdeverhalten" wichtig und hilfreich, um Risiken zu minimieren: „Und ich sage auch immer: Man muss die Pferde „fühlen"! Ich kann es schwer beschreiben aber ich weiß ganz genau, wenn ein Pferd noch nicht soweit ist, um die hintere Stange zu schließen. Ich lasse die auch manches Mal nochmals aus- und wieder einsteigen – nicht beim Training, sondern bei wirklichen Transport-Terminen, damit die Pferde wirklich entspannt und innerlich „bereit" losfahren können."

Denn sie weiß aus Erfahrung: „Es sind wirklich oft unbewusste „Kleinigkeiten“, die zu Unfällen führen. Ich weiß von einem Fall, bei dem ein junger Mann sein Auge verloren hat, weil das Pferd den Kopf hochgerissen hatte und sich der Panikhaken vom Strick gelöst hatte und in seinem Auge gelandet ist. Das hätte nicht passieren müssen, wäre am Halfter ein Strick mit Karabiner oder ähnliches gewesen. Oder ein anderes Beispiel: Mir ist ein weiterer Vorfall bekannt, bei dem eine nicht pferdeerfahrene Person beim Verladen geholfen hat und dabei einen Finger verloren hat – das Pferd rannte aus dem Anhänger und der Strick hat sich am Finger/Daumen verfangen."

Viele Unfälle passieren schlicht deshalb, weil manche Pferdebesitzer sehr selten Pferde verladen und es ihnen daher an der Routine in den Abläufen und Verlade-Schritten fehlt. In ihren Schulungen, Workshops und Kursen sieht sie immer wieder typische Anfänger-Fehler, auf die sie auch unermüdlich hinweist – und gibt Tipps, wie man diese abstellt: „Wichtig: Bitte niemals direkt hinter dem Pferd stehen, um die Stange zu schließen, immer seitlich! Immer ein ordentliches langes Seil – 4 bis 5 m lang – mit ordentlichen Karabinern verwenden, ebenso ein passendes Stallhalfter – das wird von mir auch immer kontrolliert, bevor wir überhaupt mit dem Verladen beginnen; dazu gutes Schuhwerk, am besten Sicherheitsschuhe, und auch Handschuhe sind empfehlenswert."

Auch das Thema Sicherheitshelm – unter Pferdemenschen oft emotional aufgeladen – spricht sie in ihren Schulungen an: „Ich persönlich trage zwar keinen Helm – aber ich weise darauf hin, dass er in bestimmten Situationen absolut sinnvoll und ratsam ist. Es ist letztlich immer eine individuelle Entscheidung."

Schutzausrüstung kann lebensrettend sein

Die wissenschaftliche Evidenz zum letzten Punkt ist übrigens eindeutig: Untersuchungen und Statistiken zeigen, dass gerade die Gefährdung des sogenannten ,Bodenpersonals' – also Personen, die nicht auf, sondern beim bzw. neben dem Pferd sind – besonders hoch ist und dabei Kopfverletzungen eine herausragende Rolle spielen. Die klare Empfehlung lautet daher, bei jeglichem Umgang mit dem Pferd – ob nun auf dem Boden oder im Sattel – auf entsprechende Sicherheitsausrüstung und ganz besonders auch auf das Tragen eines Sicherheitshelms zu achten. Wie Daten der „US National Trauma Data Bank" aus den Jahren 2007 bis 2016 zeigen, sind von den 320 registrierten pferdebezogenen Todesfällen in diesem Zeitraum nicht weniger als 237 auf Kopf- und Halsverletzungen zurückzuführen (= 74,83 %). Allein diese tragische Größenordnung verdeutlicht, wie wichtig bzw. buchstäblich lebenswichtig es ist, beim Reiten und im Idealfall bei jeglichem Umgang mit Pferden einen Schutzhelm zu tragen.

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