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Hufschmied verletzt – Pferdebesitzer haftet auch ohne Verschulden
19.06.2015 / News

Hufschmiede setzen sich beim Beschlagen zwar einer erhöhten Tiergefahr aus – die Haftung des Tierhalters berührt dies jedoch nicht.
Hufschmiede setzen sich beim Beschlagen zwar einer erhöhten Tiergefahr aus – die Haftung des Tierhalters berührt dies jedoch nicht. / Foto: Irene Gams

Ein deutscher Hufschmied wurde beim Beschlagen eines Pferdes schwer verletzt und hat nun Anspruch auf Schadenersatz vom Pferdebesitzer, obwohl diesen kein Verschulden trifft. In Österreich wäre das Urteil wohl anders ausgefallen.

 

Das vor kurzem vom Oberlandesgericht Hamm veröffentlichte Urteil hat für einige Aufregung in Pferdekreisen gesorgt: Einem Hufschmied, der 2010 beim Beschlagen eines Pferdes schwer verletzt worden war, wurde nun in zweiter Instanz Schmerzengeld und Schadenersatz seitens des Pferdehalters zugesprochen – und das, obwohl diesen keinerlei Mitverschulden an dem Unfall trifft. Das Pferd war ordnungsgemäß verwahrt worden – und das Gericht stellte auch keinerlei verletzte Warn- und Aufklärungspflichten fest.
Umgekehrt  gab es auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Hufschmied unsachgemäß vorgegangen oder dem Pferd Schmerzen zugefügt hätte und es so zum Ausschlagen bzw. Hochsteigen veranlasst habe – auch diesen trifft somit kein Mitverschulden.

Das Urteil des OLG Hamm wird insbesondere damit begründet, dass sich beim Beschlagen ein Hufschmied zwar einer erhöhten Tiergefahr aussetze, dies jedoch auf der Grundlage eines Beschlagvertrages basiere, der den Tierhalter grundsätzlich nicht von seiner gesetzlichen Haftung entbindet. Die Tierhalterhaftung sei nicht ausgeschlossen, weil der Kläger beim Beschlagen des Wallachs "auf eigene Gefahr" gehandelt habe. Beim Beschlagen setze sich ein Hufschmied zwar einer erhöhten Tiergefahr aus, dies aber auf der Grundlage eines Beschlagvertrages, der den Tierhalter eben nicht von seiner gesetzlichen Haftung entbinde – auch wenn ihn keinerlei Verschulden trifft. Anhaltspunkte für ein mit dem Beschlagen des Wallachs verbundenes erhöhtes Risiko habe der Kläger nicht gehabt. Er habe den zuvor als brav und gutmütig eingeschätzten Wallach bereits seit mehreren Jahren regelmäßig alle sechs bis acht Wochen beschlagen.

Der heute 49 Jahre alte Kläger, ein erfahrener Hufschmied aus Ochtrup, hatte im Auftrag des beklagten Pferdehalters im Dezember 2010 den seinerzeit 13-jährigen Wallach beschlagen. Dabei kam es zu dem folgenschweren Unfall, bei dem sich der Hufschmied eine schwere Verletzung seines rechten Fußgelenks und oberen Sprunggelenks zuzog, die in der Folgezeit mehrfach operativ behandelt werden musste und den Hufschmied nach wie vor in seiner Bewegung einschränkt. Der Schmied, der seit dem Unfall arbeitsunfähig ist, verlangte daraufhin Schadenersatz vom Pferdehalter, u.a. 50.000,– Euro materiellen Schaden, 30.000,– Euro Schmerzensgeld und eine monatliche Rente von 1.400 Euro.

Die genaue Höhe des Schadenersatz- bzw. Schmerzensgeld-Anspruchs muss noch in dem vor dem Landgericht fortzusetzenden Betragsverfahren geklärt werden.

Das Urteil des OLG Hamm sorgt seit seinem Bekanntwerden für heftige Diskussionen – insbesondere der Umstand, daß man als Pferdehalter schadenersatzpflichtig wird, auch wenn keinerlei Mitverschulden am Unfallgeschehen festgestellt werden kann, wird von vielen als unverständlich, ja, ungerecht empfunden. Doch die gesetzliche Lage in Deutschland ist relativ eindeutig – und das Urteil des OLG Hamm deckt sich mit der bisherigen Rechtssprechung.


Andere Rechtslage in Österreich
Wir haben Dr. Peter Lechner, Rechtsanwalt in Innsbruck, um einen kurzen Kommentar und eine Einschätzung des Urteils aus österreichischer Sicht gebeten. Er meinte, daß der Fall in Österreich vermutlich anders beurteilt worden wäre – die gesetzlichen Bestimmungen zwischen den beiden Ländern bezüglich der Tierhalterhaftung unterscheiden sich deutlich, so Dr. Lechner. Hier sein Kommentar:

„Die Verurteilung des Pferdehalters durch das OLG Hamm im Zusammenhang mit dem Hufschmied, der beim Beschlagen eines Pferdes schwer verletzt worden ist, stützt sich darauf, dass sich die Tierhalterhaftung gemäß § 833 des deutschen BGB von der Haftung des Tierhalters nach dem österreichischen § 1320 ABGB doch erheblich unterscheidet.

Während § 833 BGB den Tierhalter grundsätzlich für die Schäden haftbar macht, die das Tier anrichtet, und zwar auch ohne Verschulden des Halters, ist diese Haftung nach § 1320 ABGB doch erheblich eingeschränkt. Während § 833 BGB sohin ein Spezialfall der Gefährdungshaftung ohne Verschulden ist, ist nach dem österreichischen Recht die Haftung für durch Tiere verursachte Schäden dahingehend begrenzt, dass eine derartige Haftung nur dann besteht, wenn
a)    das Tier durch den in diesem Fall Haftenden dazu angetrieben oder gereizt wurde oder der Haftende das Tier zu verwahren vernachlässigt hat oder
b)    der Tierhalter nicht beweist, dass er für die erforderliche Verwahrung oder Beaufsichtigung gesorgt hat.

Die Tierhalterhaftung nach dem österreichischen Recht greift nur dann Platz, wenn eine Schädigung auf besondere Tiergefahr zurückzuführen ist. Eine derartige besondere Tiergefahr ist dann haftungsbegründend, wenn das Tier von Trieben und Instinkten geleitete Bewegungen ausführt, die nicht durch Vernunft kontrolliert werden. Dieser besonderen Tiergefahr muss durch sorgfältige Verwahrung des Tieres begegnet werden. So wurde judiziert, dass jeder Deckakt, den Tiere ohne Wissen und Willen ihrer Halter vollziehen, als Ausfluss dieser Tiergefahr zu beurteilen ist (EvBl. 1997/106). Die Rechtsprechung wendet sich auch in Österreich nunmehr in Richtung einer (Erfolgs-)Gefährdungshaftung, nachdem die neuere Rechtsprechung den Standpunkt vertritt, dass es ausschließlich nach objektiven Kriterien beurteilt werden muss, ob der Tierhalter die erforderliche Verwahrung oder Beaufsichtigung vorgenommen hat. Es bleibt somit gänzlich unbeachtlich, aus welchen Gründen er nicht in der Lage war, den erforderlichen Sorgfaltsmaßstab einzuhalten und ob ihn daran ein Verschulden trifft oder nicht (OGH 28.6.2012, 2 Ob 85/11 f).

Am leichtesten lässt sich dies an folgendem Beispiel (OGH 18.12.2009,  2 Ob 211/09 g) nachvollziehen:  

In dem zu beurteilenden Fall war ein ausgebildeter Trabrennfahrer mit seinem Pferdegespann im Begriff, eine Ausfahrt zu unternehmen. Nachdem er das Pferd eingespannt, die Tore seines Betriebes geöffnet und den Wagen bestiegen hatte, kollabierte er und stürzte bewusstlos zu Boden. Das herrenlose Pferd lief mit dem Wagen auf eine Landstraße und kollidierte dort mit einem Pkw. Die (Mit-)Haftung des Trabrennfahrers wurde festgestellt und damit begründet, dass es sich im Hinblick auf die aufgrund des Kollabierens des Fahrers fehlende Beaufsichtigung und Verwahrung des Pferdes als objektiver Sorgfaltsverstoß darstellt, der ungeachtet des mangelnden Verschuldens des Trabrennfahrers zur Haftung desselben für die eingetretenen Schäden führt.

Aus den zuvor aufgezeigten unterschiedlichen gesetzliche Grundlagen zwischen deutschem und österreichischem Tierhalter-Haftungsrecht ist abzuleiten, dass der anspruchstellende Hufschmied nach österreichischem Recht wohl keinen Anspruch durchsetzen hätte können, weil kein Anhaltspunkt dafür vorliegt, dass der Wallach nicht ordnungsgemäß verwahrt oder der Hufschmied über besondere Eigenheiten des Wallachs nicht ausreichend aufgeklärt worden wäre. Aus diesem Grunde wäre eine Haftung im Sinne des österreichischen Rechts nicht gegeben."            Dr. Peter Lechner

Dr. Peter Lechner ist Rechtsanwalt und gerichtlich beeideter Sachverständiger in Innsbruck (www.dierechtsanwaelte.com)

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