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Was der Gesichtsausdruck eines Pferdes alles sagt
06.08.2015 / News

Hier die „Ausgangsposition" (A) der Pferdeohren – und nachdem die Muskeln zum Ohren-Drehen und Ohren-Anlegen betätigt wurden (B).
Hier die „Ausgangsposition" (A) der Pferdeohren – und nachdem die Muskeln zum Ohren-Drehen und Ohren-Anlegen betätigt wurden (B). / Foto: doi:10.1371/journal.pone.0131738.g015
Bild A zeigt einen „neutralen" Gesichtsausdruck – Bild B den Ausdruck, nachdem die Nüstern leicht angezogen wurden (Pfeilrichtung beachen).
Bild A zeigt einen „neutralen" Gesichtsausdruck – Bild B den Ausdruck, nachdem die Nüstern leicht angezogen wurden (Pfeilrichtung beachen). / Foto: doi:10.1371/journal.pone.0131738.g008
Hier wird die innere Augenbraue hochgezogen – eine Ausdrucks-Einheit, die bei Pferden oftmals zu beobachten ist.
Hier wird die innere Augenbraue hochgezogen – eine Ausdrucks-Einheit, die bei Pferden oftmals zu beobachten ist. / Foto: doi:10.1371/journal.pone.0131738.g004
Hier eine „Landkarte" des Pferdegesichts mit den wichtigsten Ausdrucks-Regionen.
Hier eine „Landkarte" des Pferdegesichts mit den wichtigsten Ausdrucks-Regionen. / Foto: doi:10.1371/journal.pone.0131738.g002
Hier die Gesichtsmuskulatur des Pferdes – wie sich zeigt, sind vor allem die Muskeln rund um Ohren, Lippen und Nase außerordentlich groß und komplex.
Hier die Gesichtsmuskulatur des Pferdes – wie sich zeigt, sind vor allem die Muskeln rund um Ohren, Lippen und Nase außerordentlich groß und komplex. / Foto: doi:10.1371/journal.pone.0131738.g001
Hier die 17 eigenständigen „Ausdrucks-Einheiten" des Pferdegesichts im Überblick – viele davon haben Pferde mit dem Menschen gemein.
Hier die 17 eigenständigen „Ausdrucks-Einheiten" des Pferdegesichts im Überblick – viele davon haben Pferde mit dem Menschen gemein. / Foto: doi:10.1371/journal.pone.0131738.t001

Pferde haben eine große Bandbreite an mimischen Ausdrucksmöglichkeiten, und viele davon gleichen jenen des Menschen – das konnten britische Forscher im Rahmen einer aktuellen Studie nachweisen.

 

„Was uns überrascht hat, war die große Zahl komplexer Gesichtsbewegungen bei Pferden – und daß viele davon jenen des Menschen sehr gleichen. Abgesehen von den Unterschieden in der Struktur und der Bemuskelung des Gesichts zwischen Menschen und Pferden konnten wir – vor allem hinsichtlich der Bewegungen von Lippen und Augen – einige sehr ähnliche Gesichtsausdrücke entdecken", so eine der Leiterinnen der Studie, Jennifer Wathan, von der Universität von Sussex. Einige Gesichtsausdrücke glichen auf frappierende Weise jenen von Menschen und Schimpansen, so die Forscher, die ihre Ergebnisse kürzlich im Journal PLOS ONE veröffentlichten.

Wie andere Säugetiere – und wie auch der Mensch – verwenden Pferde die unter dem Gesicht liegenden Muskelstrukturen, einschließlich Nüstern, Lippen und Augen, um durch ihre Mimik in unterschiedlichen sozialen Situationen zu kommunizieren und Gemütszustände auszudrücken. Wie bereits frühere Studien gezeigt haben, ist dies für Pferde ein wichtiger Mechanismus, um miteinander zu kommunizieren. „Pferde sind vor allem visuelle Tiere, ihr Sehvermögen ist sogar jenem vom Hauskatzen oder Hunden überlegen – dennoch hat man vielfach ihre mimischen Ausdrucksmöglichkeiten übersehen", so Jennifer Wathan.

Um diese Möglichkeiten in ihrer gesamten Bandbreite darstellen zu können, haben die Forscher ein spezielles Kodierungs-System entwickelt, um die einzelnen Gesichtsausdrücke auf der Basis der darunterliegenden muskulären Strukturen beschreiben zu können. Sie nannten es das ,Equine Facial Action Coding System' (EquiFACS) – frei übersetzt: equines Gesichts-Ausdrucks-System. Die Forscher analysierten umfangreiches Video-Material, das natürliches Pferde-Verhalten dokumentierte, um möglichst alle unterschiedlichen Ausdrucksweisen zu identifizieren, die Pferde mit ihrem Gesicht darstellen können. Insgesamt wurden 86 Pferde unterschiedlichen Alters und verschiedener Rassen in die Untersuchung einbezogen.

Das Gesichts-Ausdrucks-System (Facial Action Coding System = FACS) wurde ursprünglich für den Menschen entwickelt. Um es auch auf Tiere und im konkreten Fall auf Pferde anwenden zu können, mussten in einem ersten Schritt die Anatomie und die muskulären Strukturen des Pferdegesichts genau analysiert werden. Dabei zeigte sich, daß die Muskeln rund um Ohren, Lippen und Nase des Pferdes außerordentlich groß und komplex waren. Anschließend konnten sich die Forscher daran machen, die auf den Video-Aufzeichnungen dokumentierten eigenständigen Gesichtsbewegungen den zugrundeliegenden Gesichtsmuskeln zuzuordnen.
Auf diese Weise konnten sie insgesamt 17 eigenständige ,Action Units', also Ausdrucks-Einheiten bzw. Ausdrucks-Möglichkeiten, bei Pferden identifizieren. Beim Menschen sind es übrigens 27 –  beim Schimpansen 13, bei Orang-Utans 16, bei kleinen Menschenaffen und bei Hunden 16 und bei Katzen – die in dieser Hinsicht dem Menschen am nächsten kommen – sind es 21. Für die Wissenschaftler war es  eine interessante Entdeckung, daß Pferde mehr ,Ausdrucks-Einheiten' besitzen als die meisten anderen Tierarten, für die ein solches System bereits entwickelt wurde.
In einem letzten Schritt wurden schließlich die 17 eigenständigen Gesichtsbewegungen bzw. Ausdrucks-Einheiten detailliert beschrieben – darunter waren etwa das ,Anheben der inneren Augenbraue', das ,Schließen bzw. Blinzeln der Augen' und eine breite Palette von Lippen-, Ohren- und Nüstern-Bewegungen sowie Bewegungen des Mauls, des Kiefers und des Kinns.

Prof. Karen McComb von der Universität Essex: „Früher dachte man, daß – je weiter eine Spezies vom Menschen entfernt wäre – auch die Ausdrucksmöglichkeiten des Gesichts zusehends weniger ausgeprägt wären. Durch die Entwicklung von EquiFACS haben wir erkannt, daß Pferde mit ihrem komplexen, stets in Veränderung begriffenem Sozialsystem ebenfalls über eine enorme Bandbreite von mimischen Ausdrucksmöglichkeiten verfügen – und daß sie viele davon mit dem Menschen und anderen Tieren gemeinsam haben. Das bestärkt uns in der Annahme, daß nicht nur evolutionärer Druck, sondern auch soziale Faktoren einen bedeutenden Einfluss auf die Entwicklung mimischer Ausdrucksmöglichkeiten haben."

Die Forscher weiter: „Durch jüngere Forschungsarbeiten ist deutlich geworden, daß Pferde durchaus komplexe mimische Ausdrucksweisen beherrschen – und daß bestimmte Ausdrucks-Merkmale mit Schmerz in Verbindung stehen (Anm.: siehe auch diesen Artikel dazu). Aber bis jetzt gibt es kaum Studien, die untersuchen, welche Bandbreite an Informationen Pferde durch ihre vielfältigen mimischen Ausdrucksmöglichkeiten vermitteln können. So wissen wir von keinen Forschungsarbeiten, in welchen etwa die Gesichts-Ausdrücke von Pferden im Zusammenhang mit positiven Erfahrungen oder Emotionen aufgezeigt werden – und das ist zweifellos ein wichtiger, bislang kaum verstandener Aspekt des Wohlbefindens von Pferden."

Die Forscher hoffen, mit dem von ihnen entwickelten Gesichts-Ausdrucks-System die Basis dafür gelegt zu haben, diese Forschungslücke zu schließen – denn eine systematische Aufzeichnung und Analyse von Gesichtsausdrücken kann in vielerlei Hinsicht nützlich sein, so Prof. McComb abschließend: „Mit EquiFACS können wir den Gesichtsausdruck in unterschiedlichen sozialen und emotionalen Situationen dokumentieren und so Einblick in die Art und Weise gewinnen, wie Pferde gerade ihre soziale Umgebung wahrnehmen. Das wird unser Verständnis ihres Verhaltens, ihrer Kommunikation und ihrer Psyche verbessern – und kann uns wertvolles Wissen liefern, um ihre medizinische Versorgung oder ihre Haltungsbedingungen zu optimieren."

Die Studie „EquiFACS: The Equine Facial Action Coding System" von Jen Wathan, Anne M. Burrows, Bridget M. Waller und Karen McComb ist in der August-Ausgabe des Journals PLOS ONE erschienen und kann in voller Länge hier nachgelesen werden.

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