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Jan Pedersen: „Wir haben die Talsohle erreicht!“
02.11.2015 / News


Jan Pedersen ist Präsident der ,World Breeding Federation for Sport Horses' (WBFSH). Foto: Ridehesten

Anlässlich der in Wien abgehaltenen Generalversammlung der WBFSH (World Breeding Federation for Sport Horses) sprach ProPferd mit Präsident Jan Pedersen über aktuelle Probleme der Pferdezucht und die Herausforderungen der kommenden Jahre.

 

ProPferd: Die WBFSH hat vor kurzem eine Zusammenarbeit – konkret ein sogenanntes ,Memorandum of Understanding’ – mit der FEI unterschrieben. Welche konkreten Ziele verfolgen Sie damit?

Jan Pedersen: Wir haben stets eine sehr enge Zusammenarbeit mit der FEI angestrebt, weil wir uns als ,natürlicher’ Partner der FEI sehen: Wir züchten die Pferde ja für den Sport – und deshalb gehören wir zusammen: Die FEI braucht uns – und wir brauchen die FEI. Wir brauchen die Auswertungen der Turnierergebnisse, um unsere Pferdezucht zu verbessern – und der Sport braucht wiederum Pferde, die immer besser werden. Nun haben wir eine gemeinsame, offizielle Plattform, und das halte ich für außerordentlich wichtig.

ProPferd: Die WBFSH ist vor allem bekannt durch die Herausgabe der Zucht-Weltranglisten und durch die jährliche Organisation der Zucht-WM in den drei olympischen Pferdesportdisziplinen – also Springen, Dressur und Vielseitigkeit. Soll sich an diesen beiden Schwerpunkten in Zukunft irgendetwas ändern – wo sehen sie Änderungsbedarf bzw. Entwicklungsmöglichkeiten?

Jan Pedersen: Ich sehe einen gewissen Änderungsbedarf beim Berechnungsmodus der Zucht-Weltranglisten, weil im derzeitigen Berechnungssystem nicht die Größe des jeweiligen Zuchtbuchs berücksichtigt wird. Es gibt ja sehr kleine Zuchtgebiete, die gegen sehr große antreten – ohne daß die Größenverhältnisse in irgendeiner Weise miteinbezogen werden. Das empfinden immer mehr Zuchtgebiete als Mangel und als unfair, und ich sehe das auch so. Wir möchten daher einen Berechnungsmodus entwickeln, der uns ein klareres Bild der tatsächlichen Leistungsfähigkeit eines Zuchtgebiets gibt.

ProPferd: Gibt es dazu schon konkrete Ideen, wie dieser Modus aussehen könnte?

Jan Pedersen: Leider nein, wir haben uns darüber bereits den Kopf zerbrochen, aber noch keine zufriedenstellende Lösung gefunden. Das Problem ist: Wir kennen die Größe eines Zuchtbuchs, wir kennen die Anzahl der geborenen Fohlen usw. – aber die Zuchtverbände können keine exakte Zuordnung angeben, wieviele davon springbetonte, dressurbetonte oder für den Einsatz in der Vielseitigkeit gezogene Fohlen sind. Aber wir diskutieren das sehr intensiv und hoffen, dafür irgendwann eine taugliche Lösung anbieten zu können.

ProPferd: Ein Projekt der WBFSH, das weniger im Licht der Öffentlichkeit steht, ist das sogenannte ,International Young Breeder’-Programm, also das Jungzüchter-Programm, das sich sehr positiv entwickelt hat und für das es seit einigen Jahren auch eine eigene WM gibt. Was ist das Geheimnis dieses Erfolgs?

Jan Pedersen: Der Erfolg kommt aus meiner Sicht vor allem daher, daß sehr gute Leute hinter diesem Programm stehen und diese in den jeweiligen Zuchtverbänden einfach eine tolle, bewundernswerte Arbeit machen. Sie alle haben erkannt, daß es unsere Verantwortung und Aufgabe ist, die nächste Züchter-Generation heranzubilden und sie bestmöglich zu fördern und zu unterstützen. Wir erachten dieses Programm daher als außerordentlich wichtig, um die Zucht auch in Zukunft attraktiv und wettbewerbsfähig zu erhalten.

ProPferd: Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen haben sich in den letzten Jahren insgesamt deutlich verschlechtert – die Folgen der seit 2007/2008 herrschenden Krise sind überall zu spüren. Wie sehen sie weitere Entwicklung – ist die Pferdezucht bereits an ihrem Tiefpunkt angekommen, oder liegt dieser noch vor uns?

Jan Pedersen: Ich glaube – und es sprechen einige Anzeichen dafür – dass wir die Talsohle erreicht haben und daß es langsam besser wird. Klar ist aber, daß wir wohl nie wieder jenes Niveau erreichen, das wir vor der Krise hatten. Und ich glaube, daß wir das auch nicht anstreben sollten: Wir hatten damals eine enorm hohe ,Produktion’ mit riesigen Belegzahlen – und das war aus meiner Sicht auch mit ein Grund, warum der Markt zusammengebrochen ist. Diese Bereinigung war notwendig – auch wenn sie natürlich viele negative Begleiterscheinungen mit sich gebracht hat. Ich glaube, daß jetzt eine Stabilisierung eingesetzt hat – wir sehen, daß die Belegungen und die Zahl der geborenen Fohlen wieder leicht nach oben gehen und sich auch die Preise erholt haben. Die Situation wird besser.

ProPferd: Vor allem viele kleine Zuchtverbände wurden von der Krise hart getroffen – und mussten in einigen Fällen sogar mit größeren Verbänden fusionieren. Haben kleine Zuchtverbände wie Österreich mit wenigen Hundert Fohlen pro Jahr in Zukunft überhaupt noch eine Überlebenschance?

Jan Pedersen: Kleine Zuchtgebiete sind natürlich in einer schwierigen Situation. Wenn man nicht eine bestimmte Größe erreicht, fehlt auch die finanzielle Basis, die man für eine sinnvolle und effiziente Zuchtarbeit benötigt. Und man braucht eine gewisse Populationsgröße, um entsprechend zu selektieren und Zuchtfortschritte erzielen zu können. Das alles macht es für kleine Zuchtgebiete sehr schwer. Ich sehe die Probleme deutlich – habe aber in dieser Frage keine Patentlösung und, was die Zukunft der kleinen Zuchtgebiete betrifft, ehrlich gesagt wenig optimistisch. Ich kann nur den Ratschlag geben, sich noch mehr um ein hohes züchterisches Qualitätsniveau zu bemühen und auch den Anschluss an internationale Entwicklungen nicht zu verpassen. Gerade eine Plattform wie die WBFSH ist für kleine Verbände wichtig, um in ein internationales Netzwerk eingebunden zu sein und auf neue Informationen und Entwicklungen unmittelbaren Zugriff zu haben.

ProPferd: Sie sprachen vorhin von einer ,gewissen Populationsgröße’, die Zuchtgebiete erreichen sollten – was ist denn aus Ihrer Sicht diese kritische Größe, die man fürs Überleben braucht?

Jan Pedersen: Das ist eine schwierige Frage. Ich glaube nicht, daß man hier eine Zahl nennen kann, die in allen Fällen gültig wäre. Es gibt Beispiele von relativ kleinen Zuchtgebieten, die sehr gut zurechtkommen und sich positiv entwickeln – und es gibt relativ große, die sich sehr schwer tun. Es ist nicht allein eine Frage der Größe.

ProPferd: Wie macht’s ihre Heimat Dänemark?

Jan Pedersen: Wir haben uns schon sehr früh auf eine bestimmte Sparte – nämlich die Dressur – spezialisiert und darauf unsere gesamte Zuchtarbeit ausgerichtet. Das ist vielleicht auch ein Tipp für Zuchtgebiete, die nicht allzu groß sind – sich auf eine bestimmte Zucht, etwa jene von Dressur- oder Springpferden, zu konzentrieren und zu versuchen, darin wirklich gut zu werden. Denn für einen kleinen Zuchtverband ist es noch schwieriger, alle wichtigen Disziplinen gleichermaßen abzudecken.

ProPferd: Wieviele Stuten bzw. Fohlen gibt’s in Dänemark pro Jahr?

Jan Pedersen: Wir haben etwa 4.000 Mitglieder und zuletzt ca. 2.500 Fohlen pro Jahr – das ist also doch etwas größer als Österreich, daher tun wir uns natürlich bei gewissen Dingen auch leichter.

ProPferd: Bei der Generalversammlung 2015 wurde eine umfassende Strukturreform der WBFSH beschlossen – können Sie uns kurz darlegen, was die Eckpunkte dabei sind?

Jan Pedersen: Die Strukturreform war längst überfällig und soll im Wesentlichen zwei Ziele verfolgen: nämlich eine noch effizientere, professionellere Führungsarbeit gewährleisten und auch mehr Möglichkeiten der Mitbestimmung und der Teilhabe für unsere Mitglieder sicherstellen. Die WBFSH ist in den letzten 20 Jahren sehr stark gewachsen, wir haben mit 24 Mitgliedsverbänden begonnen und sind jetzt über 70 – und auch die damit verbundene Arbeit wächst ständig. Deshalb werden wir künftig einen hauptberuflich tätigen Geschäftsführer haben.

ProPferd: Gibt es aktuell besondere Herausforderungen auf europäischer Ebene zu bewältigen – in den letzten Jahren hat es u. a. bedeutende Veränderungen bei der Registrierung und Kennzeichnung von Pferden gegeben.

Jan Pedersen: Die Kennzeichnung von Equiden war tatsächlich ein sehr ernstes Thema, das uns einige Jahre beschäftigt hat. Es bestand zu einem bestimmten Zeitpunkt die Gefahr, daß die traditionelle Lebensnummer für Pferde, die heutige UELN (Unique Equine Life Number, Anm.), möglicherweise abgeschafft und durch die Chip-Nummer ersetzt werden würde – zumindest wurde das in EU-Kreisen diskutiert. Das hätte für die Pferdezucht sehr negative Folgen gehabt – aber wie ich höre, ist diese Diskussion mittlerweile wieder beendet.

Das Interview mit Jan Pedersen führte Leopold Pingitzer.

Jan Pedersen ist seit 1994 Präsident des Dänischen Warmblutzuchtverbandes (Dansk Varmblod) und seit 1999 Präsident der WBFSH.

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