News 

Rubrik
Zur Übersichtzurück weiter

Historischer Triumph: Erste Frau gewinnt Melbourne Cup
04.11.2015 / News

Michelle Payne mit ihrem Bruder Stevie beim Sieger-Interview auf ,ABC News
Michelle Payne mit ihrem Bruder Stevie beim Sieger-Interview auf ,ABC News'. / Foto: Screenshot Youtube-Video

Die 30-jährige Michelle Payne hat beim legendären Melbourne Cup Geschichte geschrieben und als erste Frau das wichtigste Galopprennen Australiens gewonnen – noch dazu mit einem 100:1-Außenseiter.

 

Es ist eine Geschichte, wie sie nur das Leben schreiben kann – und wie sie so wohl nur am Turf möglich ist: Beim traditionsreichen Melbourne Cup, dem höchstdotierten und prestigeträchtigsten Galopprennen Australiens, triumphierte gestern eine Reiterin, die – allen Widrigkeiten zum Trotz – ihren Weg niemals verlassen und ihren großen Traum nie verraten hat. Am 3. November 2015 ist er für Michelle Payne in Erfüllung gegangen, sie hat alles richtig gemacht an diesem Tag.

Der Melbourne Cup, mit 3.200 m das längste Handicap-Rennen im internationalen Turf, ist vor allem eine Frage der Strategie und der Einteilung – und auch der Geduld. Michelle Payne war an diesem Tag geduldig, sie fühlte sich gut und hielt sich zwei Drittel der Distanz im Feld, fand ihren Rhythmus und schonte die Kräfte ihres sechsjährigen Pferdes. Etwa 1.000 m vor dem Ziel öffnete sich plötzlich eine Lücke, sie gab die Zügel – und Prince of Penzance ließ sich nicht zweimal bitten: Unwiderstehlich zog er an allen vorbei und gewann das Rennen mit einer halben Länge Vorsprung. Michelle Payne: „Es war einfach irreal!" Selbst Trainer Darren Weir hätte seinem Schützling ein solches Resultat nicht zugetraut: „Wir wussten, daß Prince of Penzance in großartiger Form war und daß wir realistischerweise unter den Top Ten landen könnten." Daß es für den Sieg reichen könnte, hätte er nicht zu träumen gewagt.

Für Michelle Payne ist der Traum aber in Erfüllung gegangen – der Traum eines Lebens, das es ihr nicht immer leicht machte, das ihr aber auch eine unerschöpfliche Energiequelle schenkte: ihre Familie. Michelle Payne ist das jüngste von zehn Geschwistern – und sieben davon verdienen bzw. verdienten ebenfalls ihr Geld mit Pferden. Ihre Brüder Andrew und Patrick wurden Jockeys und starteten auch im Melbourne Cup, Patrick ist heute Trainer. Ihr Bruder Stevie, der Down-Syndrom hat, arbeitet als Pfleger – auch für seine kleine Schwester Michelle. Schon früh lernte Michelle die schönen und die dunklen Seiten des Pferde-Gewerbes kennen: Als sie 20 war, stürzte sie schwer, erlitt einen Schädelbruch und eine Gehirnschwellung – und ihre Familie bekniete sie, mit dem Reiten aufzuhören. Doch das kam nicht in Frage, Pferde blieben ihr Leben – auch dann noch, als ihre Schwester Brigid drei Jahre später an den Folgen eines schweren Trainingssturzes verstarb.

Es war nicht die einzige Tragödie im Leben von Michelle Payne. Sie war erst sechs Monate alt, als sie durch einen tragischen Autounfall ihre Mutter verloren hatte. Ihr Vater Paddy, der selbst Jockey war und später als Pferdetrainer arbeitete, musste die zehn Kinder und die Pferdefarm alleine durchbringen. Man musste zusammenhalten und hart arbeiten, um über die Runden zu kommen, und das taten die Paynes: Die älteren Geschwister kümmerten sich um die jüngeren – und alle zusammen um die Pferde, so auch die kleine Michelle: Seit ihrem fünften Lebensjahr gab es keinen schöneren Ort als den Pferdestall für sie. Ihr Vater erzählte, daß Michelle immer am Abend zu ihm ins Bett hüpfte, seine Hand schnappte und er versprechen musste, daß er sie am nächsten Morgen mit in den Stall nehmen würde. Und wenn er es einmal vergaß, lief sie ihm in den Stall nach und machte ihm endlose Vorwürfe.

Mag sein, daß es die vielen Tiefschläge und Hürden waren, die Michelle so stark gemacht und die sie letztlich auch zum Melbourne Cup gebracht haben. Sie war erst die vierte Frau in der 155-jährigen Geschichte, die bei diesem Rennen am Start war – und die erste, die es gewann, und auch das macht diesen Sieg für sie so wertvoll: „Es ist ein von Männern dominierter Sport – und viele glauben noch immer, daß wir Frauen nicht stark genug dafür sind und so weiter – aber es geht nicht nur um Kraft. Viele andere Dinge sind genauso wichtig – man muss das Pferd in einen Rhythmus bringen und vor allem muss man sein Herz gewinnen." Mit ihrem Triumph hat Michelle alle ihre Kritiker Lügen gestraft – denn unter den Besitzern von Prince of Penzance gab es auch einige, die einen anderen Jockey auf das Pferd setzen wollten. Doch Trainer Darren Weir hat das nicht zugelassen und ist immer zu Michelle gestanden. Dafür ist sie ihm auch in der Stunde des Triumphs sehr dankbar: „Darren hat mir in diesem chauvinistischen Sport eine Chance gegeben – obwohl einige der Mitbesitzer mich loswerden wollten. Er und John Richards sind immer hinter mir gestanden – ich kann gar nicht sagen, wie dankbar ich ihnen dafür bin."

So ging Michelle ihren Weg – mit einem unwiderstehlichen Optimismus, den man als typisch australisch bezeichnen mag, vor allem aber auch mit dem Rückhalt und der Unterstützung ihrer Familie und mit ihrem Bruder Stevie an der Seite, mit dem sie eine ganz besonders enge Beziehung verbindet. Er war der erste, den sie nach ihrem historischen Sieg umarmte – und mit dem sie auch gemeinsam ihr großes Sieger-Interview auf ,ABC News' gab. Es hatte eine tiefere Botschaft: Wir sind eine Familie, und nichts bringt uns auseinander – nicht einmal der Sieg im Melbourne Cup.

Den historischen Sieg im Melbourne Cup 2015 kann man sich hier ansehen – und das sympathische Sieger-Interview von ,ABC News' mit Michelle und ihrem Bruder Stevie sollte man sich ebenfalls nicht entgehen lassen:

ACHTUNG: Der gewünschte Beitrag kann aufgrund Ihrer persönlichen Datenschutzeinstellung nicht angezeigt werden. Bitte akzeptieren Sie die entsprechenden Cookies, um die gewünschten Inhalte anzusehen.
(YouTube)

Kommentare

Bevor Sie selbst Beiträge posten können, müssen Sie sich anmelden...
Zur Übersichtzurück weiter

 
 
ProPferd.at - Österreichs unabhängiges Pferde-Portal − Privatsphäre-Einstellungen