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Übergewicht ist immer größere Gefahr für die Pferdegesundheit
01.12.2015 / News

Übergewicht ist für immer mehr Pferde ein Problem – Tierärzte fordern nun eine entschlossene nationale Gegenstrategie.
Übergewicht ist für immer mehr Pferde ein Problem – Tierärzte fordern nun eine entschlossene nationale Gegenstrategie. / Foto: HorseWorld

Britische Veterinäre schlagen Alarm: Jüngste Studien und Umfragen zeigen, daß Übergewicht bei Pferden dramatisch zunimmt – und auch die damit verbundenen gesundheitlichen Probleme. Tierärzte fordern eine entschlossene Gegenstrategie – und mehr Ehrlichkeit gegenüber den Pferdebesitzern.

 

Seit einigen Wochen liegt der ,National Equine Health Survey' (NEHS = Nationale Umfrage zur Pferdegesundheit) 2015 vor und gibt wieder interessante Aufschlüsse über die häufigsten Krankheiten und gesundheitlichen Probleme der britischen Pferdepopulation. Die Online-Befragung wurde zum siebenten Mal durchgeführt und hat sich längst zu einer angesehenen und anerkannten Informationsquelle entwickelt, deren Ergebnisse auch von Experten sehr ernst genommen werden. An der Befragung 2015 nahmen fast 5.000 Pferdebesitzer teil, die Angaben zum Gesundheitsstatus von insgesamt 15.000 Pferden einbrachten. Die Resultate – die zuletzt bei der Jahreskonferenz der Tierschutzorganisation ,World Horse Welfare' (WHW) diskutiert wurden – geben in mehrfacher Hinsicht Anlass zur Sorge.

Vor allem das Phänomen, daß Übergewicht unter britischen Pferden offenbar sprunghaft ansteigt, beschäftigt Experten und Tierärzte. Aus den Resultaten ergibt sich, daß mittlerweile 23,2 % der Pferdebesitzer ihr/e Pferd/e als übergewichtig klassifizieren – gegenüber 16,9 % im Jahr 2014 und 7,8 % im Jahr 2013. Fast zwei Drittel der Befragten (64 %) gab an, für die Gewichtskontrolle sogenannte ,Gewichts-Bänder' zu verwenden – im Jahr 2014 waren es nur 51 %. Im Bericht heißt es dazu: „Diese Ergebnisse bestätigen die Warnungen von Tierschutzorganisationen, daß Übergewicht ein wachsendes Problem ist und daß mehr Anstrengungen notwendig sind, um damit fertig zu werden."

Diese Einschätzung teilt auch Dr. Sue Dyson von der Organisation ,Animal Health Trust', die bei der WHW-Jahreskonferenz meinte, daß Übergewicht immer öfter ein „stummer Folterknecht" für Pferde wäre. Übergewicht ist zwar an sich keine Krankheit, aber ein Zustand, der das Risiko für ernsthafte und möglicherweise sogar lebensbedrohende Erkrankungen zum Teil drastisch erhöhe. Bei vielen Pferdebesitzern herrsche nach wie vor eine völlig falsche Vorstellung davon, was ein gesundes Körpergewicht ist – und sie ermahnte auch ihre Berufskollegen, bei diesbezüglichen Aussagen deutlicher zu sein: „Wir müssen Klartext reden und es den Leuten unmissverständlich sagen, wenn ihre Pferde zu fett sind."

In ihrer eigenen Praxis schicke sie mittlerweile jeden achten Pferde-Patienten mit einem Diätplan nach Hause. Immer öfter bemerke sie, daß durch das zu hohe Körpergewicht nicht nur sogenannte ,Zivilisations-Krankheiten' wie EMS (Equines Metabolisches Syndrom), Cushing oder Insulin-Resistenz befördert, sondern auch andere Erkrankungen und gesundheitliche Probleme verschärft werden, etwa die Neigung zu Hufrehe, ein allgemein erhöhtes Verletzungsrisiko und Arthrose. Dr. Dyson: „Übergewicht kann die klinischen Symptome von Arthrose deutlich verschlimmern – wir wissen auch, daß durch den Fettstoffwechsel chemische Mediatoren freigesetzt werden, die den Arthroseprozess verschärfen können."

Sie wies auch darauf hin, daß es vor allem Pferde im Freizeit- und Hobby-Bereich sind, die von diesem Problem betroffen sind – und nur in seltenen Fällen Pferde aus dem Leistungssport: „Wir sehen keine übergewichtigen Rennpferde, Distanzpferde, Vielseitigkeitspferde oder Poloponys. Aber wir sehen übergewichtige Showponys, Dressurpferde und Turnierpferde in den unteren Klassen", so Dr. Dyson. Auch andere aktuelle Studien in Großbritannien belegen das Ausmaß des Problems: So zeigte eine Untersuchung aus dem Jahr 2015, daß von 792 tierärztlich behandelten Pferden nicht weniger als 31,2 % übergewichtig waren – bei einer Studie aus dem Jahr 2014 waren es 20,6 %. Auch andere internationale Studien zeigen, daß im Durchschnitt jedes vierte bzw. fünfte Pferd von Fettleibigkeit betroffen ist – Tendenz steigend.

Immerhin zeigen die NEHS-Ergebnisse auch, daß die große Mehrheit der betroffenen Pferdebesitzer das Problem erkannt und auch diverse Maßnahmen zu seiner Bekämpfung gesetzt hat. Doch dabei müssen die Besitzer noch besser unterstützt und begleitet werden, so Sam Chubbock von ,World Horse Welfare': „Die Pferdebesitzer müssen das Selbstbewusstsein und das Vertrauen haben, die notwendigen Schritte zur Gewichtsabnahme auch durchzuziehen – was sehr schwierig sein kann, da in vielen Einstellbetrieben ein großer Gruppen-Druck herrscht. Wenn etwa alle Pferde auf der Koppel in dicke Decken eingepackt sind, dann ist es für einen einzelnen Besitzer enorm schwierig, sein Pferd ohne Decke grasen zu lassen. Dabei ist auch das Teil des Problems – eingedeckte Pferde benötigen nicht soviel Energie, um ihren Körper warmzuhalten, der Rest wird dann in Form von Körperfett gespeichert."

Sinnvolle Maßnahmen, um überschüssige Kilos loszuwerden, wären etwa das Einweichen von Heu, die Verwendung engmaschiger Heunetze oder von Fressbremsen, die Gabe von Kraftfutter mit niedrigem Energiegehalt, keine Leckerlis, mehr Arbeit mit dem Pferd und das Weglassen von Pferdedecken. Tierärztin Dr. Pat Harris von Waltham Equine Studies ergänzte, daß Vorbeugung auch in diesem Fall besser als Heilen ist – und daß es mit einer Reduzierung der aufgenommenen Energiemenge allein nicht getan ist: Pferde benötigen beim Abnehmen auch eine optimale Versorgung mit Proteinen, Vitaminen und Mineralstoffen, daher sind entsprechende Abnehm-Programme stets in Absprache mit dem Tierarzt zu entwerfen. Und man muss bei alledem auch berücksichtigen, daß Pferde gleichsam ,tröpfchenweise' essen, daß man sie also nicht längere Zeit ohne Raufutter lassen darf.

Den vollständigen ,National Equine Health Survey' 2015 gibt's hier zum Download (in englischer Sprache).

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