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GASTKOMMENTAR: Strafrechtsänderung bei Tierquälerei – eine vertane Chance?
20.01.2016 / News

Dr. Reinhard Kaun ist Fachtierarzt für Pferdeheilkunde, Fachtierarzt für physikalische Therapie & Rehabilitationsmedizin sowie Allgemein beeideter & gerichtlich zertifizierter Sachverständiger.
Dr. Reinhard Kaun ist Fachtierarzt für Pferdeheilkunde, Fachtierarzt für physikalische Therapie & Rehabilitationsmedizin sowie Allgemein beeideter & gerichtlich zertifizierter Sachverständiger. / Foto: privat

Mit Anfang des Jahres 2016 trat die verschärfte Strafbestimmung zum § 222 StGB – Tierquälerei in Kraft: die angedrohte Freiheitsstrafe wurde, wie auch von ProPferd berichtet, um das Doppelte auf nunmehr bis zu zwei Jahre angehoben.

Die Säule des Tierschutzes wird vom § 285 a ABGB (erster Satz) gebildet: „Tiere sind keine Sachen; sie werden durch besondere Gesetze geschützt.“ Diese „besonderen Gesetze“ sind z. B: das Bundestierschutzgesetz mit den Tierhaltungsverordnungen, das Tiertransportgesetz, die Tierhaltungsgewerbeverordnung – und eben auch das Strafgesetz mit seinem § 222 StGB als stärkste Waffe.

Die nunmehrige Verschärfung dieses Paragraphen ist ganz ohne Zweifel ein begrüßenswerter Schritt, damit der Straftatbestand der Tierquälerei künftig nicht mehr als Bagatelldelikt (also als „Straftat mit geringer Bedeutung“) behandelt wird – sondern als ein zutiefst verabscheuungswürdiger Akt, den es gesellschaftlich und somit auch strafrechtlich stärker zu ahnden und zu ächten gilt. Ja, man könnte mit einiger Berechtigung meinen, dass die Erhöhung des Strafrahmens nicht weit genug gehe und eine Strafandrohung für besonders schwere Angriffe auf ein Tier auf drei Jahre Freiheitsstrafe wünschenswert gewesen wäre, wie es in der Schweiz und in Deutschland bereits der Fall ist. Auch ich neige dieser Ansicht zu – und zwar aus folgendem Grund:

Tatsache ist, dass der gewaltbehaftete Umgang mit Tieren im öffentlichen und häuslichen Bereich in einem erschreckenden Ausmaß zunimmt. Medien berichten nahezu täglich – und auch ich habe in meiner Tätigkeit als Gerichtsgutachter vermehrt mit dem Phänomen der Gewalt gegen und Missbrauch von  Tieren zu tun.  In der öffentlichen Diskussion wird jedoch meist ein beunruhigender Aspekt dieses insgesamt unerfreulichen Themas übersehen: dass nämlich Tierquälerei nicht selten einen „Erprobungsvorgang“ für spätere Gewalt an Menschen darstellt.

Von wissenschaftlicher Seite hat sich F. R. Ascione in seinen Arbeiten (1992 – 2003) am längsten mit dem Tatbestand der Tierquälerei und ihrem Bezug zu Gewalt an Menschen beschäftigt und seiner Definition kann wohl jeder schlüssig folgen: Es handelt sich bei Tierquälerei  um ein sozial nicht akzeptiertes Verhalten, das absichtlich auf unnötige Schmerzen und Leiden eines Tieres oder auch auf dessen Tod ausgerichtet ist.

Als Täter werden zunehmend Jugendliche bzw.  auch ältere Kinder ausgeforscht – und dies ist der Punkt, auf den das  Augenmerk der Justiz und der sozialen und psychologischen Experten  zu legen ist: einschlägige und seriöse  Studien (z. B. Nadja Weltzien: Klinisch-psychologische Aspekte der Mensch-Tier-Beziehung, Wien 2009) haben ergeben, dass Täter, welche Gewalt an anderen Menschen ausüben, zu einem hohen Prozentsatz  (Gewalttäter > 25-30 %, „hands on“- Pädophile > 25 %, Vergewaltiger > 48 %, Kindesmissbraucher > 30%) Tierquälerei in einem früheren Entwicklungsstadium ihrer Biografie aufweisen.

In vielen Fällen dienen Tiere als frühe „Versuchsobjekte“ für Gewalttaten verschiedener Ausprägung, bis dann der dabei empfundene „Kick“ an Menschen perfektioniert wird. Etwa 50 % der Gewalttaten an Tieren resultieren aus Ärger und Wut, Rache, Bestrafung des Besitzers, Verbesserung der Stimmungslage oder Enthemmung, 30 % haben Jux, Tollerei und „Eindruck schinden“ (vor allem bei älteren Kindern und  Jugendlichen) als Hintergrund und der Rest hat  Kontrolle über Tiere, Angst vor Tieren, Abreagieren von allgemeinen Aggressionen und Langeweile als Motiv.

Man kann also bei näherer Betrachtung durchaus davon sprechen, dass eine der Wurzeln  zwischenmenschlicher Gewalt bei Tierquälerei zu suchen ist – und ein aktiv betriebener Tierschutz, der auch eine entsprechende Strafdrohung mit einschließt, letztlich auch dem Schutz des Menschen dient.

PS: Noch eine letzte Anmerkung aus der Praxis: Bedauerlicherweise führen in der Regel nur wenige Tierquälerei-Prozesse tatsächlich auch zu einer Verurteilung der beschuldigten Täter, was jedoch nicht an der mangelhaften Ausstattung des Gesetzes liegt, sondern in erster Linie an der defizitären Beweislage, die dem Gutachter konkrete Aussagen verwehren und im Strafrichter Zweifel aufkommen lassen. Tierquälerei anzuzeigen ist natürlich positiv, jedoch müssen mit der Anzeige klare Beweise in Form von Zeugenaussagen, Lichtbildern, Videos und forensische Untersuchung des (der) gequälten Tiere geliefert werden, um Exekutive und Staatsanwaltschaft auf den Plan zu rufen und in der Folge Gutachtern und Richtern Arbeitsgrundlagen zu bieten. Die Grundlage für aktiven Tierschutz durch den Bürger besteht in Zivilcourage und der Sammlung belastbarer Beweise – nur dann hat die Strafverfolgung eine sichere Basis und kann den Schutz von Tier und Mensch effektiver und  präventiv  durchsetzen.

Univ.Lektor VR Mag. Dr. Reinhard Kaun ist Fachtierarzt für Pferdeheilkunde, Fachtierarzt für physikalische Therapie & Rehabilitationsmedizin sowie Allgemein beeideter & gerichtlich zertifizierter Sachverständiger (Sachverständigenbüro für klinische und forensische Veterinärmedizin, Tierhaltung & Pferdewissenschaften) Kontakt: 2070 Retz, Herrengasse 7, Web: www.pferd.co.at | www.pferdesicherheit.at

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