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Clickertraining für Pferde – Vertrauen statt Dominanz
22.01.2016 / Wissen

Die Motivation des Pferdes ist der Schlüssel zu einer harmonischen Zusammenarbeit mit feinen Hilfen.
Die Motivation des Pferdes ist der Schlüssel zu einer harmonischen Zusammenarbeit mit feinen Hilfen. / Foto: Nadine Golomb
Clickertraining motiviert Pferde zu Höchstleistungen – gleich welcher Rasse sie angehören.
Clickertraining motiviert Pferde zu Höchstleistungen – gleich welcher Rasse sie angehören. / Foto: Nadine Golomb
Clickertraining macht einen feinen einen Dialog zwischen Pferd und Mensch möglich.
Clickertraining macht einen feinen einen Dialog zwischen Pferd und Mensch möglich. / Foto: Nadine Golomb
Der Clicker ist ein ernstzunehmendes Ausbildungsinstrument, das selbstverständlich auch die gymnastische Grundausbildung umfasst.
Der Clicker ist ein ernstzunehmendes Ausbildungsinstrument, das selbstverständlich auch die gymnastische Grundausbildung umfasst. / Foto: Nadine Golomb
Sylvia Czarnecki mit ihrem 15-jährigen Rheinisch Deutschen Kaltblut Tarek.
Sylvia Czarnecki mit ihrem 15-jährigen Rheinisch Deutschen Kaltblut Tarek. / Foto: Nadine Golomb

Clickertraining ist ein Ausbildungskonzept für Pferd UND Mensch, das auf positiver Verstärkung und nicht auf der Vorstellung einer Rangordnung basiert: Es setzt auf Vertrauen statt Dominanz und ist die ideale Grundlage für einen respektvollen Umgang miteinander.

 

Es hat sich bereits herumgesprochen, dass Pferde durch Futterlob besonders gerne mitarbeiten. Wer einmal erlebt hat, wie motiviert Pferde mit Futter lernen und wie schnell sie Dinge begreifen, der kommt von diesem Zauber nicht mehr los. Denn nicht nur das Pferd wird durch diese Form des Trainings motiviert, auch der Mensch erfährt fortlaufend Bestärkung für sein Tun.

Futter ist ein so genannter primärer Verstärker. Es befriedigt ein natürliches Bedürfnis des Pferdes, während die meisten anderen Belohnungen so genannte sekundäre Verstärker sind und erst durch einen Lernprozess zu einer Belohnung werden. Das Pferd kommt z. B. nicht mit dem Verständnis für die menschliche Stimme zu Welt, sondern lernt erst im Laufe seines Lebens dessen Bedeutung kennen. Futter ist außerdem praktisch, da es gut portionierbar und schnell aufgefressen ist, während andere Verstärker wie Kraulen mehr Zeit in Anspruch nehmen und erst noch beendet werden müssen. Wer Pferde ohne Druck trainieren möchte, der ist auf einen hochwertigen Verstärker angewiesen, der das Pferd motiviert, Verhalten anzubieten, ohne das zuvor Druck aufgebaut wurde.

Training mit dem Clicker
Noch effektiver wird das Training mit Futter durch den Einsatz eines Markers, der die Belohnung ankündigt und so die Zeit bis zur eigentlichen Belohnung überbrückt. Denn das punktgenaue Markieren eines Verhaltens ist wichtig, um dem Pferd genauestens zu erklären, was wir von ihm möchte. Im Clickertraining ist das Markersignal in der Regel ein mechanischer Clicker (ähnlich einem „Knackfrosch“), den man in der Hand hält und betätigt. Theoretisch kann der Marker auch ein Wort oder ein Schnalzen sein. Der Clicker hat jedoch einige deutliche Vorteile: Er hebt sich durch seine Frequenz deutlich von anderen Umweltreizen ab und ist damit unverwechselbar. Der Click wird nahezu selbst zu einer Belohnung (ersetzt jedoch niemals das folgende Futter). Dadurch werden bereits beim Click Glückshormone ausgeschüttet und das Pferd quasi doppelt belohnt – einmal wenn es clickt und einmal, wenn die tatsächliche Belohnung erfolgt. (Denken Sie einmal an Ihre Kindheit zurück, wenn Sie sich sehr auf ein angekündigtes Ereignis, wie zum Beispiel den Freizeitpark, gefreut haben). Und er ist schnell. Denn wer ein Wort als Marker nutzt, muss erst Einatmen, bevor ihm ein „Prima“ über die Lippen kommt. Dadurch kann es passieren, dass das Verhalten bereits vorbei ist, bevor man sein Markerwort fertig ausgesprochen hat, so dass man ungewollt etwas Falsches bestärkt.

Ein respektvolles Miteinander
Damit das Pferd die Bedeutung des Clickers lernt, muss das Pferd auf den Clicker konditioniert werden. Durch eine einfache Lernaufgabe, wie zum Beispiel das Berühren eines Gegenstandes, lernt es, dass der Marker das Zeichen für „Richtig gemacht! Du bekommst eine Belohnung für das Verhalten, was du beim „Click“ gezeigt hast“ ist. Viele Pferdebesitzer scheuen das Training mit Futterbelohnung, da sie befürchten, dass Pferde betteln oder aufdringlich werden. Bereits bei der Konditionierung lernt das Pferd deshalb, dass der Mensch kein Selbstbedienungsladen ist, sondern nur nach dem Click eine Belohnung folgt, denn sonst kann das Training mit Futter auch unschöne Nebeneffekte haben. Leider werden Pferde nicht höflich geboren, sondern müssen den Umgang mit Futterbelohnung – übrigens genau so wie ihre Besitzer – erst lernen. Insbesondere dann, wenn bereits weniger wünschenswerte Vorerfahrungen vorhanden sind. Ein höfliches Miteinander im Training entsteht durch das Verständnis des Pferdes dafür, dass die Belohnung an bestimmte Bedingungen geknüpft ist – keine Belohnung ohne „Click“ UND richtiges Verhalten.

Vertrauen statt Dominanz
Ethologen und Verhaltensforscher sind heute der Ansicht, das eine Rangordnung artübergreifend nicht stattfindet, sondern das Pferd aufgrund seiner Lernerfahrung handelt. Ein positives Miteinander ist daher von großer Bedeutung für die Beziehung zwischen Mensch und Pferd. Konventionelle Trainingssysteme und auch die meisten „natürlichen“ Trainingsmethoden basieren auf dem so genannten „Pressure & Release“ – System. Über einen Initialdruck wird das Pferd aufgefordert, etwas zutun, z. B. sich in Bewegung zu setzen oder dem Druck nachzugeben. Reagiert das Pferd richtig, nimmt man den Druck weg und belohnt das Pferd ggf. zusätzlich. Kommt keine oder nicht die gewünschte Reaktion, wird der Druck aufrechterhalten oder sogar erhöht. Das Pferd lernt, dass es besser ist, die gewünschte Reaktion zu zeigen, da dies sonst eine unangenehme Konsequenz nach sich zieht. Freiwillig ist ein über negative Verstärkung trainiertes Verhalten also nicht, auch wenn Pferde „ihren“ Job durchaus mit Freude machen können.

Nachteile negativer Verstärkung
Im lerntheoretischen Kontext spricht man hier von negativer Verstärkung – nicht, weil die Konsequenz negativ ist, sondern weil das Pferd belohnt wird, indem man etwas entfernt. Die Begriffe positive und negative Verstärkung sind also zunächst erst einmal wertfrei im Sinne von additiv und subtraktiv zu betrachten. Bei der positiven Verstärkung wird das Pferd belohnt, indem man eine Belohnung (Futter, Kraulen) hinzufügt, bei der negativen Verstärkung indem man etwas entfernt, was das Pferd vermeiden möchte (Druck oder dessen Androhung).

Negative Verstärkung ist nicht grundsätzlich abzulehnen, beinhaltet jedoch eine gänzlich andere Grundmotivation des Pferdes. Denn im Zweifel heißt es „Mach es trotzdem!“, wenn das Pferd die richtige Verhaltensantwort aus verweigert. Training über positive Verstärkung kommt ohne „Mach es trotzdem“ aus. Für jemanden, der sich mit dieser Form des Trainings noch nicht auseinandergesetzt hat, klingt dies sicher ungewöhnlich und auch ein Stück weit unrealistisch. Schließlich haben die meisten von uns gelernt, dass sich das Pferd dem Menschen unterordnen und ihm gehorchen soll – zumindest dann, wenn es brenzlig wird. Dies ist verständlich, denn Pferde sind große und starke Tiere. Es mag unglaublich klingen, doch über positive Verstärkung trainierte Pferde haben selten einen Grund, die Entscheidungen ihres Menschen zu hinterfragen – es lohnt sich schließlich viel mehr, dessen Ideen aufzugreifen und mitzuarbeiten und hat sich bewährt, auf dessen souveräne, friedliche Führung zu vertrauen, selbst dann, wenn es einmal schwierig wird.

Auch Pferde haben das Recht, „Nein“ zu sagen
Wir alle haben gelernt, uns durchsetzen zu müssen, wenn das Pferd sich widersetzt. Wer positiv trainiert, sieht auch hier die Dinge anders. Sagt das Pferd „Nein“, wird Ursachenforschung betrieben, denn grundsätzlich gibt es hier nur drei Möglichkeiten, warum das Pferd sich nicht wie gewünscht verhält:
–  Das Pferd hat nicht verstanden, was es tun soll
–   Das Pferd ist nicht motiviert
–   Das Pferd kann die Verhaltensantwort aufgrund körperlichen oder psychischen Problemen (Blockade, Schmerzen, Stress, etc.) nicht leisten

Es gibt also in jedem Falle eine pferdegerechte Lösung mit Fehlverhalten umzugehen, ohne das Verhalten über Druck durchsetzen zu müssen. Vorausschauendes Training kann darüber hinaus die meisten Situationen im Vorfeld bereits entschärfen. Im Notfall ist gutes Management gefragt – so wenig Druck wie möglich um die Situation so schnell wie möglich zu beenden und danach: Trainingsdefizite aufarbeiten, damit eine solche Situation nicht noch einmal vorkommt. Strafe ist dabei selten notwendig und geht immer zu Lasten der Beziehung. Dazu kommt, das Strafe Verhalten lediglich unterdrückt, die Motivation dazu jedoch nicht ändert. Letztlich ist sie häufig ein Zeichen von Hilflosigkeit oder Unkenntnis. Wer seine Defizite kennt und ehrlich damit umgeht, kann diese durch Training beheben.

Verhalten trainieren ohne Druck
Die einfachste Möglichkeit, Verhalten zu trainieren ist zufällig gezeigtes Verhalten einzufangen, indem man es belohnt. Dazu muss dieses Verhalten natürlich häufig genug gezeigt werden, damit das Pferd versteht, was von ihm erwartet wird und man das Verhalten mit einem Signal (ein Wort oder Körpersignal) verknüpfen kann.

Doch wie bekomme ich Verhalten, dass das Pferd von sich aus nicht anbietet?
Es gibt eine ganze Reihe von Möglichkeiten, um Verhalten auch ohne Druck zu trainieren. Das Training findet in kleinen Einzelschritten statt, welche beginnend von einem Verhaltensansatz bis zum fertigen Zielverhalten ausgebaut werden. Dabei spielen vor allen Dingen Timing, das Kriterium für die Belohnung und die Belohnungsrate (Häufigkeit und Qualität der Belohnung) eine wichtige Rolle.

Durch „simples“ Locken lässt sich in vielen Fällen bereits ein deutlicher Verhaltensansatz erzielen, der sich dann entsprechend ausbauen lässt. Auch die Arbeit mit Targets, bei denen das Pferd mit einem Körperteil einen Zielpunkt berühren lernt, bietet ein großes Spektrum an Möglichkeiten. So lässt sich zum Beispiel das Seitwärts wunderbar erarbeiten, indem das Pferd lernt, mit der Hinterhand einem Ziel zu folgen. Statische Targets, wie zum Beispiel am Boden liegende Matten, erleichtern die Arbeit im Stehen oder geben bei Bewegungsanforderungen eine Orientierung vor.

Aktive Mitarbeit fördern
Ist das Pferd bereits clickererfahren, lassen sich viele Dinge auch ganz frei erarbeiten, mit dem so genannten Free Shaping, bei dem der Mensch lediglich clickt und belohnt, was das Pferd anbietet und so nach und nach ein fertiges Verhalten bekommt.

Darüber hinaus kann man die Umgebung mit Hilfsmitteln oder Reizen so gestalten, das Verhalten wahrscheinlicher wird oder das Pferd direkt beeinflussen, indem man zum Beispiel den Huf in die Hand nimmt, damit es einen entsprechenden Ansatz zeigt – vorausgesetzt das Pferd fühlt sich mit dieser Technik wohl.

Auch das wegweisende Einwirken auf das Pferd ist denkbar, wenn es entsprechend aufgebaut ist und für das Pferd eine Information mit Aussicht auf Belohnung darstellt, statt die Androhung von weiterem Druck.

All diese Techniken fördern die aktive Mitarbeit des Pferdes und erziehen das Pferd dabei zu einem cleveren und motivierten Trainingspartner mit Spaß am Training, das sich nicht nur auf Tricks und Zirkuslektionen bezieht, sondern eine ganzheitliche und umfassende Möglichkeit zur Pferdeausbildung darstellt.

Achtung, Respekt und Freude
Das Pferd im Umgang mit uns zu schulen, ihm zu erklären, wie es sich uns gegenüber verhalten soll, ist stets Aufgabe des Menschen. Zu häufig wird ausreichend Zeit, ein logischer Trainingsaufbau, gutes Timing und Belohnung durch die pauschale Anwendung von Druck ersetzt, statt an seinen Qualitäten als Trainer zu arbeiten. Dabei ist das Training mit positiver Verstärkung weit mehr als eine Technik zum Training von Verhalten, es ist vielmehr eine Einstellung zum Pferd und die von Achtung und Respekt geprägte Freude am gemeinsamen Miteinander.
Sylvia Czarnecki

ZUR AUTORIN
Im Leben von Sylvia Czarnecki spielten Pferde schon immer eine wichtige Rolle. Bereits früh stellte sie fest, dass für sie nicht der sportliche Nutzen des Pferdes, sondern ein partnerschaftliches Miteinander zwischen Pferd und Mensch im Vordergrund steht. So begann Sie, sich mit alternativen Trainingskonzepten auseinander zu setzen und den Schwerpunkt ihrer Arbeit auf freiwillige Mitarbeit des Pferdes zu legen.

Sylvia Czarnecki lebt und unterrichtet im Raum NRW und gibt deutschlandweit und im angrenzenden Ausland Kurse und Seminare zu unterschiedlichen Themen, vorrangig jedoch im Bereich positive Verstärkung und Zirkuslektionen.

Ihr Buch „It's Showtime: Zirkuslektionen – Lernspass für Pferd und Mensch" erschien 2011 im Cadmos Verlag und gehört seitdem zu den Standardwerken in diesem Bereich. Ihr neues Buch „Ehrlich motiviert – Positives Training mit Pferden“ erscheint am 23.02.2016 ebenfalls im Cadmos Verlag und beschäftigt sich mit den Grundlagen positiven Trainings.
Auf Ihrer Website www.motionclick.de führt Sylvia Czarnecki außerdem einen Blog zum Thema Ausbildung und Umgang.

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