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Umstrittenes Sieger-Selfie: Darf ein Fremder mein Pferd fotografieren?
09.02.2016 / News

Das umstrittene Selfie: David Bellis mit seinem Sohn Jacob und Pferd Betty im Hintergrund.
Das umstrittene Selfie: David Bellis mit seinem Sohn Jacob und Pferd Betty im Hintergrund. / Foto: Catersnews.com

Ein kurioser Zwist um ein Selfie, das bei einem Fotowettbewerb gewonnen hatte, beschäftigte tagelang die britischen Medien – und zeigt einmal mehr, daß das Internet kein Ponyhof ist.

 

Wohl selten zuvor hat es soviel Wirbel um ein Selfie gegeben: Der 31-jährige David Bellis aus dem walisischen Prestatyn machte mit seinem dreijährigen Sohn Jacob einen Spaziergang, der sie an einer Pferdekoppel vorbei führte. Das Pferd Betty kam interessiert näher, und der kleine Jacob machte mit dem Handy ein Selfie, einfach zum Spaß und um seiner Mama später zu zeigen, was sie auf dem Spaziergang alles gesehen und wieviel Spaß sie gemeinsam hatten.

Zuhause sah sich David das Selfie nochmals in Ruhe an – und entdeckte, daß das Pferd im Hintergrund im Moment des Auslösens ein witziges Gesicht gemacht hat, als würde es in die Kamera grinsen: Was für ein lustiges, originelles Foto! Die ganze Familie war entzückt und freute sich. Das war im November letzten Jahres.

Im Jänner erfuhr David Bellis von einem Fotowettbewerb, den gerade der Reiseveranstalter ,Thomson Holidays' durchführte und der unter dem Motto ,Made me smile' stand. Ihm fiel dieses witzige Foto mit dem Pferd ein, das perfekt zu diesem Thema passte – und schickte es kurzerhand ein. Und siehe da: Das Foto gefiel auch der Jury und gewann den ersten Preis, einen Urlaubs-Gutschein im Wert von 2.000,– Pfund! David Bellis konnte sein Glück kaum fassen – und Sohn Jacob platzte vor Stolz, schließlich hatte er das lustige Selfie mit dem grinsenden Pferd gemacht.

Die Freude währte allerdings nur kurz: Denn sobald sich die Nachricht vom Sieg des Selfies mit Pferd und damit auch das Foto verbreitete, meldete sich die Besitzerin des Pferdes, Nicola Mitchell: Sie sei wirklich verärgert gewesen, als sie gehört habe, daß David Bellis einen 2.000-Pfund-Urlaub gewonnen hat – mit einem Foto ihres Pferdes, das ohne ihre Erlaubnis fotografiert worden war. „Er hätte unser Einverständnis einholen müssen", so Nicola gegenüber der Zeitung ,Daily Post'. Und weiter: „Ich habe ihm nicht erlaubt, unser Pferd bei einem Wettbewerb zu verwenden. Ich werde bei Thomson Holidays anrufen und ihnen erzählen, was passiert ist – aber ich weiß nicht, ob sie irgendetwas tun werden. Aber ich werde ihnen sagen, daß ich mit alldem nicht glücklich bin. Es sollte irgend ein Zeichen der Anerkennung geben, nachdem es unser Pferd ist, das wirklich den Urlaub für sie gewonnen hat."

Damit fing das Drama an: Die schöne Geschichte vom grinsenden Pferd namens Betty wurde im Handumdrehen zur Geschichte seiner missgünstigen und egoistische Besitzerin, die einem dreijährigen Jungen den Urlaub neidig ist. Während sich einige Freunde von Nicola Mitchell noch auf ihre Seite schlugen und das Verhalten von David Bellis als „beschämend und blöd" bezeichneten, war die überwältigende Mehrheit der Kommentare ganz auf der Seite des kleinen Jungen und seiner Familie – und quittierte das Verhalten von Nicola Mitchell mit völligem Unverständnis: „Glaubt sie etwa, dass sie eine Art ,Pferde-Copyright' besitzt? Vielleicht mache ich ein Foto von ihrer Koppel – und werde dann von ihr verklagt, weil ich ihre ,Gras-Rechte' verletzt habe." Ein anderer schrieb: „Wenn sie nicht möchte, daß andere Leute Fotos von ihrem Pferd machen, dann muss sie eine drei Meter hohe Wand rund um ihre Koppel bauen!" Und eine Leserin ergänzte: „Wenn das mein Pferd gewesen wäre, hätte ich mich für den kleinen Jungen riesig gefreut – gibt's etwas Schöneres als so ein kleines Glück?" Und auf Facebook meinte eine Leserin: „Herzliche Gratulation zum Gewinn des Urlaubs. Das Pferd sieht sehr glücklich aus, auf diesem Bild zu sein und hat gelächelt. Schade, daß es die Besitzerin nicht lehren kann, ein bißchen glücklicher zu sein und etwas mehr Gemeinschaftssinn zu haben."

Die Solidarität mit den Gewinnern des Urlaubs-Gutscheins war so groß, daß von einer Pferdebesitzerin sogar eine Crowdfunding-Aktion ins Leben gerufen wurde, um die Reisekassa für die junge Familie aufzufüllen. Offizieller Titel: „Wir möchten 1.000,– Pfund Urlaubsgeld für David Bellis und seine Familie auftreiben, weil nicht alle Pferdebesitzer so sind." In kürzester Zeit erreichte die Aktion über 1.200,– Pfund – ein weiterer Sieg für David Bellis.

Auch rechtlich stand Nicole Mitchell auf verlorenem Posten. Wayne Beynon, Rechtsanwalt einer renommierten Londoner Kanzlei und Spezialist für Urheberrecht, stellte klar, daß es für eine allfällige Klage der Pferdebesitzerin keinerlei rechtliche Grundlage gäbe: „Die Beschwerde der Pferdebesitzerin wird vom Gesetz nicht gestützt. Der Vater und sein Sohn befanden sich auf einem öffentlichen Fußweg, es gibt also keinerlei Besitzstörung. Ein Fotograf besitzt automatisch das Copyright an den von ihm gemachten Bildern und braucht auch keine Erlaubnis des Pferdes (oder seines Besitzers), um ein Foto zu machen – genauso wie Fotografen auch keine Erlaubnis brauchen, wenn sie berühmte Persönlichkeiten in der Öffentlichkeit fotografieren. Eine Verletzung geistigen Eigentums könnte allenfalls in der Frage begründet sein, ob David, der Vater, die Erlaubnis seines Sohnes als Inhaber des Foto-Copyrights gehabt hat, sein Bild beim Fotowettbewerb einzuschicken – aber nachdem er dadurch zu einem Urlaub kommt, würde ich stark vermuten, daß er dieses Einverständnis selbstverständlich gehabt hat."

Mittlerweile hat auch ,Thomson Holidays' offiziell bestätigt, daß David Bellis und seine Familie den Urlaubs-Gutschein definitiv behalten dürfen – ungeachtet eines allfälligen Protests oder Einspruchs durch Nicole Mitchell.

Für Nicole Mitchell ist die Sache leider nicht ganz so gut ausgegangen: Ihre Familie wurde – nach einem veritablen Shit-Storm im Internet – auch telefonisch beschimpft und bedroht. Wie Nicoles Vater Philip Dunn der ,Daily Post' berichtete, habe ein Erwachsener seiner Enkelin sogar angedroht, vorbeizukommen und ihr die Beine zu brechen. Die ganze Sache sei völlig aus dem Ruder gelaufen – und seine Tochter nun angeblich die meistgehasste Frau Großbritanniens, so Dunn weiter. Er habe Anzeige erstattet und die Sache der Polizei übergeben, die nun weiter ermittelt.

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