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Die andere Seite des Distanzreitens
09.03.2016 / News

Sophie Mauritsch und ihre spanische Stute Jima im Wettkampf: „Zum Distanzreiten gehört viel mehr dazu als sich nur draufzusetzen und zu reiten – Pferde funktionieren eben nicht wie Maschinen."
Sophie Mauritsch und ihre spanische Stute Jima im Wettkampf: „Zum Distanzreiten gehört viel mehr dazu als sich nur draufzusetzen und zu reiten – Pferde funktionieren eben nicht wie Maschinen." / Foto: privat

Kaum eine andere Pferdesport-Disziplin steht seit Jahren so sehr in der Kritik wie das Distanzreiten. Doch es gibt auch eine andere Seite – die Mehrzahl der Aktiven pflegt ein besonders faires und kameradschaftliches Verhältnis zu ihrem Partner Pferd, so auch die Wienerin Sophie Mauritsch.

 

Der Distanzsport steht seit Jahren im Rampenlicht einer zusehends kritischeren Öffentlichkeit – auch ProPferd hat darüber ausführlich berichtet. So verständlich die heftigen öffentlichen Reaktionen angesichts von Todesfällen, Doping etc. sind, so wichtig ist es festzuhalten, daß die aufgedeckten Missstände nur eine Handvoll Länder betreffen und der größte Teil der aktiven DistanzreiterInnen sich um einen Sport bemüht, der von Horsemanship und dem gemeinsamen Bewältigen von körperlichen und mentalen Herausforderungen geprägt ist. Der Distanzreitsport hat auch eine andere Seite, in der gilt: Der Weg ist das Ziel – und Sieger ist, wer sich und sein Pferd fit und gesund ins Ziel bringt. Disziplin und Verantwortungsgefühl sind gefragt, das „Wie“ steht im Vordergrund: der Ritt, das Tempo bestimmt durch Gelände, die Elemente und die richtige Einschätzung der eigenen Kräfte.

Um die spezielle Faszination des Distanzreitens zu verstehen, haben wir Sophie Mauritsch (26)  zum Interview geladen. Die junge Wienerin ist eine der Hoffnungsträgerinnen im österreichischen Distanzsport. Nicht nur weil die amtierende Staatsmeisterin sportlich erfolgreich ist – sondern vor allem, auf Grund der Art und Weise wie sie es macht.
Die Familie Mauritsch ist seit den 90er Jahren ein Fixstern der heimischen Distanzszene. Schon Mutter Christine und Schwester Maria, selbst Staatsmeisterin und WM/EM Starterin, waren im Sport aktiv, bevor Sophie ihr Debut über 50 km, 11-jährig im Sattel von Darika gab, der damals EM-qualifizierten Vollschwester vom familieneigenen Deckhengstes Dalmaz. Familie Mauritsch ist ein Team, freundlich, hilfsbereit – die Pferde und deren Wohlergehen immer im Fokus. Menschen wie Sophie stehen für das, was der Sport in Wirklichkeit ist: eine Passion, eine Lebensart und dafür, dass man auch mit der richtigen Einstellung, viel Horsemanship und dem nicht „perfekten“ Pferd erfolgreich sein kann.

ProPferd: Sophie, Du und Deine Familie – ihr seid schon seit langem ein fixer Bestandteil der österreichischen Distanz-Szene. Bezeichnend für eure Herangehensweise  ist die Geschichte von Deinem Meisterschaftspferd Jima, die laut Dir nicht immer das einfachste Pferd ist?

Sophie Mauritsch: Die schwarze Stute Jima, eine gebürtige Spanierin mit erlesener persischer Abstammung, war ein Hochzeitsgeschenk meines Vaters an meine Mutter. Die spanische Prinzessin gab uns in den letzten Jahren einiges aufzulösen. Anders als unsere selbstgezogenen Vollblutaraber  ist sie äußerst schwer zu reiten und zu trainieren. Sie kann widersetzlich sein, ist dabei aber äußerst sensibel und vergibt dem Reiter nicht, wenn der einmal die Nerven verliert. Doch ich habe unglaublich viel mit ihr gelernt. Darüber, wie ich mit ihren Unruhen umgehen kann, was ich tun muss, um sie abzufangen. Es ist wie Meditation, über Rhythmus und Atmung habe ich gelernt im richtigen Moment zu reagieren. Auch die regelmäßige Dressurarbeit mit meiner Mutter ist sehr wichtig für sie.  Anders als meine Stute Dalmatina kann ich mit Jima ein 25 km Training nicht in einer Stunde locker absolvieren – sie benötigt dafür mindestens zwei Stunden, weil sie ihre Ruhephasen braucht. Natürlich wäre es auch in der gleichen Zeit möglich, dann wäre aber das Ziel, ein ruhiges und produktives Training, nicht erreicht worden. Im Bewerb hingegen zeigt sich Jima von einer völlig anderen Seite, sie ist ruhig und gelassen, das perfekte Wettkampf-Pferd. So musste ich das Gleichgewicht mit Jima finden und es hat mich daher besonders gefreut, als sie 2015 die Schärpe als Österreichische Staatsmeisterin über 120 km umgelegt bekam.

ProPferd: Oft wird der Distanzsport in der Öffentlichkeit nur in seinen Extremen gesehen – doch eigentlich ist es ein Sport, der vielen Menschen und ihren Pferden einen Platz bietet, da man sich und seinem Pferd ganz persönliche Ziele setzen kann....?

Mauritsch: Ja, das stimmt. Es ist ein toller Sport, der in der Natur stattfindet. Es ist schön, viele verschiedene Gelände und Gegenden kennenzulernen und dort reiten zu dürfen. Man lernt viele interessante Menschen kennen – und es schweißt das ganze Team zusammen. Man darf es aber nicht mit dem Wanderreiten verwechseln, denn die Distanzen und das Tempo sollte man nicht unterschätzen.  Obwohl das Tempolimit für die Einsteigerritte – also über 20–40 km - sehr niedrig ist, verlangt es doch einiges von einem Pferd ab. Vor allem ist es sehr wichtig, sein Pferd ganz genau zu kennen und zu fühlen, wann es unsicher ist und deine Unterstützung braucht.
Zum Distanzreiten gehört viel mehr dazu als sich nur draufzusetzen und zu reiten – Pferde funktionieren eben nicht wie Maschinen. Wenn man einmal einen längeren Distanzritt geritten ist bzw. das Pferd dorthin trainiert hat, dann weiß man, dass noch sehr viel mehr mitspielt. Ich für meinen Teil möchte mich mit diesen oft nicht sehr einfachen Aspekten auseinandersetzen, bevor ich meinem Pferd etwas abverlange.  

ProPferd: In kaum einer anderen Pferdesportart gibt es so strenge Gesundheitskontrollen wie im Distanzsport. Wie bereitest Du Dich und Deine Pferde vor, wie setzt Du Deine Schwerpunkte im Training, damit Deine Pferde gesund und lange einsetzbar bleiben?

Mauritsch: Meine Devise ist: Etwas weniger ist besser als zu viel! Gerade im Distanzsport, wo die Beine der Pferde sehr belastet werden, kann es schnell zu Verletzungen kommen. Im Winter stehen daher Dressurarbeit und gemütliche Ausritte am Programm. Junge Pferde reiten wir sehr schonend und trainieren das langsame Tempo, wir schauen darauf, dass sie alle Geländearten kennenlernen und routiniert bergauf, bergab, über Steine und Asphalt laufen können. Die älteren Pferde, die bereits längere Distanzritte absolviert haben sind bereits wesentlich gefestigter und können schon flottere Einheiten bewältigen. Mein Trainingsplan ist für jedes Pferd individuell aufgebaut und orientiert sich an den Zielen, die ich mir für dieses Pferd konkret setze.
Auch die Fütterung spielt eine wichtige Rolle. Unser Grundfutter ist Hafer, den wir angepasst an das jeweilige Pferd mit speziellen Müslis, Zusatzfuttermitteln und Kuren zur Wettkampfvorbereitung ergänzen.

ProPferd: Wie meisterst Du die physische und mentale Herausforderung bei einem Langstreckenritt – welche Tipps kannst Du Neueinsteigern geben?

Mauritsch: Durch das Trainieren mit den Pferden, trainiere ich mich gleichzeitig mit, das ist natürlich sehr praktisch (lacht). Die Zeitspanne zwischen Rückkehr von der Teilstrecke und dem Zeitpunkt wo man das Pferd dem TA vorstellt, ist sehr wichtig, da hier die Reitzeit weiterläuft. Hier kann man andere Pferd/Reiter Paare überholen oder selber überholt werden. Es sind sehr „anstrengende“ Minuten.  Das Pferd wird abgesattelt, laufend gekühlt, eventuelle Gamaschen abmontiert etc. Währenddessen wird ständig Puls gemessen. Hier sind die Grooms, also die Betreuer, sehr wichtig, je mehr umso besser, es reicht aber auch einer für Einsteigerritte. Unsere goldene Regel lautet: Jeder hat seine Aufgabe – und es redet nur der, der den Puls vom Pferd ansagt. So entsteht keine Hektik und vor allem das Pferd kommt zur Ruhe.
Außerdem sollte man sich mental so einstellen, dass man sich nur auf sich und sein Pferd konzentriert. Ich bin der Meinung, Neid und negative Gedanken sind äußerst schlecht für den eigenen Erfolg.

ProPferd: Erwähnenswert ist sicher auch, daß man den Distanzreitsport bis ins hohe Alter ausüben kann – der aktuelle Tevis Cup-Sieger Potato Richardson gewann im Alter von 72 Jahren den sagenumwobenen 100 Meilenritt...

Mauritsch: Potato Richardson durfte ich schon persönlich kennenlernen, als ich damals in Amerika war und selber den Tevis Cup geritten bin. Er ist ein wirklich toller Pferdemann, ich ziehe meinen Hut vor dieser Leistung, denn dieser Ritt ist der schwierigste der Welt und er konnte ihn erneut gewinnen.

ProPferd: Wie siehst Du die Zukunft des Distanzsports in Österreich?

Mauritsch: Ich hoffe, dass sich der Distanzsport die nächsten Jahre weiterentwickeln wird und wir viele neue Reiter gewinnen können. In den letzten Jahre ist die Anzahl der Distanzreiter leider wieder gesunken, vor allem haben wir fast keine jungen Reiter dazubekommen. Das ist sehr schade, gerade deshalb, weil wir hinter den Reitern eigentlich ein tolles Team haben, das regelmäßig Kurse veranstaltet mit international bekannten Kursleitern. Unsere Disziplin ist zwar sehr aufwändig, nimmt viel Zeit in Anspruch und ist dazu recht unbekannt in Österreich, dennoch glaube ich, dass sie wieder ansteigen wird.  Ich kann nur jedem raten der ein Pferd hat, es einmal auszuprobieren, es finden regelmäßig Reitertreffen in den verschiedenen Bundesländern statt.

ProPferd: Dann alles Gute für die Zukunft – und herzlichen Dank für das Gespräch!

Das Interview mit Sophie Mauritsch führte Daniela Vadehra.

Weitere Infos zum Distanzreiten findet man auf www.distanzreiten.at und  www.teviscup.org

Buchtipp:
Nancy S. Loving: Distanzsport, Marathon unter dem Sattel, Georg Olms Verlag, 2004, 277 Seiten, ISBN 978-3487084282

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