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Atypische Weidemyopathie: Nicht alle Ahorn-Arten enthalten das tödliche Gift
17.04.2016 / News

Vorsicht: Häufig werden Samen, Laub oder Sprösslinge von Pferden aufgenommen, wenn die Weide karg oder das Raufutter-Angebot zu gering ist.
Vorsicht: Häufig werden Samen, Laub oder Sprösslinge von Pferden aufgenommen, wenn die Weide karg oder das Raufutter-Angebot zu gering ist. / Symbolfoto: Irene Gams
Achtung: Die Sprösslinge des Bergahorns weisen eine besonders hohe Konzentration des Gifts Hypoglycin A auf.
Achtung: Die Sprösslinge des Bergahorns weisen eine besonders hohe Konzentration des Gifts Hypoglycin A auf. / Foto: C.M. Westermann et. al.

Wissenschaftler der Universität Utrecht konnten nachweisen, daß nicht jede Ahorn-Art das für Pferde gefährliche Gift Hypoglycin A enthält, das die atypische Weidemyopathie auslösen kann.


Lange Zeit gab der plötzliche Tod von Weidepferden, der vor allem im Frühjahr und im Spätherbst zu beobachten war, Tierärzten und Wissenschaftlern Rätsel auf. Erst im Jahr 2012 gelang es, die Ursache der bis dahin rätselhaften sogenannten „atypischen Weidemyopathie" (AM) aufzudecken: Wissenschaftler der University of Minnesota in St. Paul (USA) um Dr. Stephanie Valberg konnten in einer Studie nachweisen, daß ein Gift hinter der meist tödlich verlaufenden Muskelerkrankung steckt, konkret eine abnormale Aminosäure namens Hypoglycin A bzw. deren Metaboliten (Stoffwechselprodukte) MCPA. Hypoglycin A – kurz HGA genannt – kommt in den Samen des Eschen-Ahorns (Acer Negundo) vor und führt zu einer massiven Schädigung der aeroben Muskelfasern, die in der Mehrzahl der Fälle tödlich endet – man geht von einer Todesrate bis zu 70 % aus.
Hypoglycin A wurde in dieser Untersuchung in den Samen des Eschen-Ahorns (Acer negundo) auf nordamerikanischen Betrieben nachgewiesen – eine Ahorn-Art, die in Europa nicht weit verbreitet und meist in Parks oder Gärten, nicht jedoch auf Koppeln und Weiden anzutreffen ist. Daß auch andere Ahorn-Arten die gefährliche Substanz enthalten, haben im Jahr 2015 deutsche Wissenschaftler herausgefunden: Sie konnten im Rahmen einer Studie nachweisen, daß auch der in Europa weit verbreitete Bergahorn (Acer pseudoplatanus) das tödliche Hypoglycin A aufweist (siehe auch unsere Meldung dazu).

Nun haben Wissenschaftler der Veterinärmedizinischen Fakultät Utrecht sowie des Instituts RIKILT Wageningen UR (das sich mit der Sicherheit von Lebens- und Futtermitteln beschäftigt) untersucht, ob auch bei anderen, in Europa heimischen Ahorn-Arten dieses Gift nachweisbar ist. Dr. Cornélie Westermann und ihre Kollegen haben dabei Pferdebesitzer in den ganzen Niederlanden aufgefordert, ihnen Muster von Ahornbäumen (Blätter, Samen, Sprösslinge) aus ihrer Umgebung für eine labortechnische Untersuchung zuzusenden. Sie erhielten insgesamt 278 Proben der drei häufigsten Ahorn-Arten in den Niederlanden: nämlich des Bergahorns (Acer pseudoplatanus), des Feldahorns (Acer campestre) sowie des Spitzahorns (Acer platanoides).

Das durchaus interessante Ergebnis: Hypoglycin A konnte weder beim Feldahorn noch beim Spitzahorn nachgewiesen werden – dafür enthielt nahezu jede Probe des Bergahorns die für Pferde so gefährliche Substanz. Die größte Gefahr geht lt. den Forschern von den Sprösslingen sowie von den Ahorn-Samen aus, die z. T. extrem hohe HGA-Konzentrationen aufweisen können – beim Verzehr von Blättern ist die Vergiftungs-Gefahr am geringsten.

In ihrem Resümee kommen die Forscher zu dem Schluss, daß sowohl der Feldahorn (Acer campestre) als auch der Spitzahorn (Acer platanoides) auf oder in unmittelbarer Nähe von Koppeln oder Weiden für Pferde unbedenklich sein dürften – der Bergahorn (Acer pseudoplatanus) jedoch hohe Konzentrationen von HGA aufweisen und für Pferde somit eine erhebliche Gefahr darstellen kann. Vor allem Sprösslinge und Samen des Bergahorns gelte es zu vermeiden: „Die Tatsache, daß die Konzentration von Hypoglycin A in Bergahorn-Sprösslingen sehr hoch ist, sollte Pferdebesitzer zu erhöhter Vorsicht veranlassen, wenn sie solche Sprösslinge auf ihren Weiden entdecken. Wir raten dazu, derartige Weideflächen zu mähen und das gemähte Material zu entfernen. Generell ist aber dringend zu empfehlen, daß Pferde weder Sprösslinge, noch Samen oder Blätter des Bergahorns – oder eine Kombination davon – zu sich nehmen sollten, während dies beim Feld- und Spitzahorn ungefährlich sein dürfte."

Sinnvolle Maßnahmen, um Pferde von den gefährlichen Bäumen fernzuhalten, wären u. a.:
– Pferde auf eine andere, sichere Weide zu verlegen
– die Größe von Koppeln oder Weiden einzuschränken (weg von den Ahornbäumen)
– Samen und Blätter mittels Laubbläser zu entfernen
– Weiden mit Sprösslingen mähen, das Mähgut entfernen

Entscheidend ist jedoch in jedem Fall, seine Pferde mit ausreichend Raufutter zu versorgen, insbesondere auf spärlich bewachsenen, unergiebigen Weideflächen und während jener Zeiträume (also im Frühjahr sowie im Herbst), in denen das Risiko einer atypischen Weidemyopathie am höchsten ist.

Die Studie „Hypoglycin A Concentrations in Maple Tree Species in the Netherlands and the Occurrence of Atypical Myopathy in Horses" von C.M. Westermann, R. van Leeuwen, L.W.D. van Raamsdonk und H.G.J. Mol ist im  ,Journal of Veterinary Internal Medicine' erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.

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