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Drama um Polizeipferd Shaktiman endet tödlich
25.04.2016 / News

Auch eine aus den USA eingeflogene Beinprothese konnte das Leben von Shaktiman nicht retten.
Auch eine aus den USA eingeflogene Beinprothese konnte das Leben von Shaktiman nicht retten. / Foto: The Maya Foundation

Einen Monat lang haben indische Tierärzte um das Leben des schwer verletzten Polizeipferds Shaktiman gekämpft – letzte Woche ging dieser Kampf verloren: Das wohl berühmteste Pferd Indiens wachte aus einer Narkose nicht mehr auf.

 

Einen Monat lang hielt das Schicksal des Polizeipferds Shaktiman eine ganze Nation in Atem, und in diesem Fall ist dieser oft leichtfertig gebrauchte Ausdruck tatsächlich angebracht: Nahezu im Stundentakt versorgten Indiens Medien – allen voran die zahlreichen Fernsehstationen und News-Kanäle, aber auch Tageszeitungen und soziale Netzwerke – eine gebannte Öffentlichkeit mit Updates zum Gesundheitszustand des Polizeipferds. Die Dramaturgie dieser nationalen Nachrichten-Show erinnerte frappierend an die emotionale Berg- und Talfahrt eines Bollywood-Films, nur daß in diesem Fall keiner der bekannten indischen Schauspiel-Stars im Mittelpunkt stand, sondern ein zuvor völlig unbekanntes Pferd – und die Handlung nicht der Fantasie eines Drehbuch-Autors entsprungen war, sondern der traurigen Realität.

Shaktiman – ein 14 Jahre altes Polizeipferd, das seinen Dienst in der berittenen Polizeieinheit in Dehradun, der Hauptstadt des Bundesstaats Uttarakhand im Norden Indiens, leistete – wurde am 14. März 2016 während einer politischen Demonstration schwer verletzt. Obwohl Video-Aufnahmen von dem Vorfall existieren, sind die genauen Umstände der Verletzung noch immer Anlass für zahlreiche Spekulationen: Ob es ein gezielter Schlag mit einem Stock war, der sein Bein zerschmettert hat, ob er von Demonstranten niedergerissen oder beim Zurückweichen vor der drohenden Menge unglücklich weggerutscht ist und sich dabei verletzt hat – das alles ist bis zum heutigen Tag nicht restlos geklärt.  

Für zusätzliche Aufmerksamkeit – und auch für politische Sprengkraft – sorgte der Umstand, daß ein prominenter Abgeordneter der konservativen Regierungspartei BJP (Bharatiya Janata Party), Ganesh Joshi, auf den Video-Aufnahmen inmitten des wütenden Mobs zu sehen war, wild gestikulierend und einen Stock schwingend. Prompt wurden Vorwürfe erhoben, der Politiker selbst sei es gewesen, der Shaktiman attackiert und die schwere Verletzung zugefügt hatte. Ganesh Joshi wies die Anschuldigungen vehement von sich, wurde aber kurz nach dem Vorfall und den auf allen Kanälen gesendeten Video-Aufnahmen der Demonstration in Haft genommen, später aber gegen Kaution wieder auf freien Fuß gesetzt. Doch die nächste Brennstufe des Pferde-Dramas war damit gezündet – ganz Indien war jetzt auf den Fall aufmerksam geworden, der nun auch eine politische Dimension erhalten hatte.

Ins Zentrum des öffentlichen Interesses rückte vor allem auch das weitere Schicksal von Shaktiman. Nachdem die Tierärzte das katastrophale Ausmaß seiner Verletzung – ein völliger Durchbruch des linken hinteren Röhrbeins – festgestellt hatten, entschlossen sich die Polizeibehörden, Shaktiman nicht einzuschläfern, sondern den Versuch zu wagen, das verletzte Bein zu operieren und zu erhalten. Die erste Operation, durchgeführt am Dienstag, den 15. März, dauerte fünf Stunden und versuchte das verletzte Bein durch sogenannte ,externe Fixation' zu stabilisieren. Doch der Versuch misslang – die Blutversorgung der Beinteile unterhalb der Bruchstelle konnte nicht wiederhergestellt werden. Am Donnersag, den 17. März, musste Shaktimans linkes Hinterbein schließlich amputiert werden.

Bereits während der Amputation war die Amerikanerin Jamie Vaughan von der Tierschutzorganisation ,The Maya Foundation' anwesend, die durch soziale Netzwerke auf Shaktimans Schicksal aufmerksam geworden war und sich fortan intensiv für das verletzte Polizeipferd engagierte, Spenden und Ausrüstung organisierte und für eine umfassende Pflege des Pferdes sorgte. Sie war es auch, die in den USA eine passende Bein-Prothese für Shaktiman beschaffen konnte und diese nach Indien transportieren ließ. Jamie Vaughan kümmerte sich rund um die Uhr um das Polizeipferd, das so tapfer alle Schmerzen ertrug und dessen Lebenswille ein ganzes Volk faszinierte.

Während die Operationswunde verheilte, trug Shaktiman eine einfache, provisorische Beinstütze, mit der Shaktiman nicht wirklich gut zurechtkam. Umso größer waren die Erwartungen, als schließlich Mitte April die endgültige Bein-Prothese angeschnallt werden konnte. Neue Hoffnung keimte auf, als die Medien berichteten, wie gut Shaktiman mit seinem künstlichen Hinterbein zurechtkam, daß er es bereits belasten konnte und wieder gut fressen würde. Noch am 19. April berichteten die News-Kanäle von seinen Fortschritten und seinem eindrucksvollen Kampf zurück ins Leben – doch einen Tag später stürzte die unfassbare Nachricht eine ganze Nation in tiefste Verzweiflung: Shaktiman war tot, er war während einer Operation nicht mehr aus der Narkose aufgewacht. Sein großes Herz hatte aufgehört zu schlagen.

Und wieder wurde Shaktimans Schicksal von der Politik ausgeschlachtet, vor allem Funktionäre der oppositonellen BJP gingen nun in den Angriff über: Die Regional-Regierung hätte dabei versagt, Shaktiman eine adäquate medizinische Versorgung angedeihen zu lassen, meinte etwa BJP-Vorsitzende Ajay Bhatt – und auch Ganesh Joshi, der für die angebliche Attacke auf Shaktiman in Haft genommen worden war, sprach von einer „politischen Verschwörung" und einer Instrumentalisierung des ganzen Falls, um politische Vorteile daraus zu ziehen. Selbst indische Tierschutz-Aktivisten wie Gauri Maulekhi hegten einen ähnlichen Verdacht: „Shaktiman ist an dem Tag gestorben, an dem er attackiert und sein Bein gebrochen wurde. Pferde mit einem so großen Gewicht haben nur minimale Chancen, auf drei Beinen leben zu können. Wir waren geistig auf seinen Tod vorbereitet – aber die Parteien haben ihre politischen Spielchen gespielt."

Die bewegendsten Worte zu Shaktimans Tod kamen von Jamie Vaughan, die sich mit soviel Hingabe um das verletzte Pferd gekümmert hatte. Drei Tage lang schwieg sie, ehe sie am 23. April auf ihrer Facebook-Seite ein berührendes, emotionales Statement veröffentlichte: „Er (Shaktiman) war keine politische Ikone – und sollte auch niemals eine sein. Er hat sich nie um Politik und den Unsinn anderer gekümmert. Er war ein Pferd, ein Familienmitglied, ein Soldat und ein Freund. Er war ein unschuldiges Geschöpf, das sein Leben in letzter Konsequenz im Dienst für andere hingegeben hat. (...) Er war ein beherztes, tapferes Pferd, das Respekt verdient wie alle anderen Tiere auch – ebenso wie Menschen, die man gedankenlos aufgegeben hat, weil es unbequem wäre, sich um sie zu kümmern. Bitte, vergessen sie ihn nicht und schließen sie ihn in ihre Gebete ein, weil sein Tod in unseren Herzen eine schreckliche Leere hinterlassen hat. Und – bitte – wenn sie das nächste Mal jemanden sehen, der in Not ist – sei es ein Mensch oder ein Tier – unternehmen sie etwas. Den meisten von uns geht es besser als vielen anderen, wir haben ein Telefon, ein Zuhause, ein Dach über dem Kopf, Essen auf unseren Tellern – doch was ist mit denen, die weniger Glück hatten? Wenn sie irgendetwas unternehmen können, um das Leid eines anderen zu verringern, dann – bitte – tun sie es. Wir lieben Dich, Shakti."

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