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Wie pferdefreundlich ist Monty Roberts Join Up-Methode?
26.04.2016 / News

Der Moment des Join Up – das Pferd hat sich dem Menschen angeschlossen und folgt ihm durch den Round-pen.
Der Moment des Join Up – das Pferd hat sich dem Menschen angeschlossen und folgt ihm durch den Round-pen. / Foto: Archiv

Polnische Psychologen haben einen kritischen Blick auf die Join Up-Methode von Monty Roberts geworfen – und beanstanden vor allem sein Verständnis von Pferdeverhalten.

 

Monty Roberts zählt zweifellos zu den bekanntesten Pferdetrainern weltweit – die von ihm entwickelte ,Join Up'-Methode hat er durch seine Bücher ebenso populär gemacht wie durch zahllose Vorträge, Tourneen und Messe-Auftritte, die er in den letzten 30 Jahren weltweit absolvierte.  Mittlerweile ist Roberts 80 Jahre alt – aber noch immer fleißig unterwegs, um seine Mission zu erfüllen und seine Botschaft der gewaltfreien Pferdeausbildung in die Welt hinaus zu tragen.

Während Monty Roberts' Trainingsmethode lange Jahre viel Begeisterung und Bewunderung hervorgerufen hat, sind in den letzten Jahren auch immer mehr kritische Stimmen darüber laut geworden. Der wesentliche Vorwurf: Monty Roberts wende bei seiner Art des Pferdetrainings zwar keine offene Gewalt an, setze die Pferde jedoch durch gezielte Angstreize unter erheblichen psychischen Druck und Stress, um kurzfristige Erfolge zu erzielen. Und diese Art des Trainings sei weder pferdefreundlich noch besonders effektiv.

Dem Chor der Kritiker schließen sich nun auch drei polnische Psychologen an, die in der Zeitschrift ,Psychologie' einen „kritischen Kommentar zu Monty Roberts Interpretation von Pferdeverhalten" (,A Critical Comment on the Monty Roberts Interpretation of Equine Behavior', so der Originaltitel) veröffentlicht haben. Dabei wird an der Arbeit und an den Ansichten von Monty Roberts kaum ein gutes Haar gelassen.

Die Autoren weisen entschieden den Anspruch von Monty Roberts zurück, gleichsam der ,Erfinder' der gewaltlosen Pferdeausbildung zu sein. Das mag mit gewissen Einschränkungen auf die USA bzw. den amerikanischen Kontinent zutreffen, doch insbesondere in Europa – und speziell in Polen – gäbe es eine jahrhundertealte Tradition der Pferdeausbildung, die auf Respekt vor dem Pferd und dem Verzicht auf Gewalt beruhe. Diese Errungenschaft eines achtsamen Umgangs mit Pferden im Namen einer revolutionären, neuen Methode in Frage zu stellen oder gar zu negieren, weise auf mangelndes hippologisches Wissen hin, so die Autoren.

Auch der Kern von Monty Roberts Pferdeausbildung – die Join Up-Methode – bleibt nicht ungeschoren: „Die Philosophie des Join Up ist eine Über-Interpretation des Verhaltens eines Pferdes im Round-pen und ein Ergebnis des Wunschdenkens von Monty Roberts, das sich nicht durch die Verhaltensforschung rechtfertigen lässt", so die Autoren. Und weiter: „Menschen werden von Pferden nicht wie Artgenossen behandelt. Vorzutäuschen, man wäre ein Pferd oder sich wie ein Pferd zu benehmen, ist eine seltsame Form einer „Verpferdlichung" (,centaurism'), die möglicherweise erhebliche Gefahren in sich birgt."

Konkret beanstanden die polnischen Psychologen fünf „unerwünschte Eigenschaften" bzw. problematische Punkte in Monty Roberts Ausbildungsmethode:

1) Partnerschaft: Die Aussage von Monty Roberts, daß Gewalt und folglich auch Dominanz in der hierarchisch geordneten Welt von Pferden reduziert werden kann, könnte zu einer Art ,antiautoritärer' Behandlung von Pferden führen, die wenig sinnvoll erscheint und sogar gefährlich sein kann.

2) Die Freiheit zu wählen, aber in einem Käfig: Das Pferd kann im Round-pen eine freie Entscheidung treffen – aber nur innerhalb der Bedingungen, die Monty Roberts vorgibt. Das Fehlen einer Peitsche bedeutet nicht dasselbe wie eine echte Freiheit der Wahl, sondern nur weniger Stress.

3) Vertrauen: Nachdem ein Pferd 20 Minuten lang durch den Round-pen gejagt wurde und dabei Druck angewendet oder wieder vermindert wurde, wird sein Verhalten nicht von einem Gefühl der Sicherheit geleitet, sondern nur von einer Verringerung oder völligen Ausschaltung des Drucks. Ruhe und Vertrauen sind wohl beim Trainer als auch beim Pferd entscheidend. Das ist die wahre Bedeutung von Vertrauen. Monty Roberts behauptet, daß er das Vertrauen ein Pferdes in druchschnittlich ca. 30 Minuten gewinnen kann, wie er es bei insgesamt 6.000 Pferden, die zum ersten Mal geritten wurden, geschafft hat. Ein solches Bekenntnis zeigt die wahre „Qualfikation" dieses Trainers: Das Vertrauen zwischen Mensch und Pferd aufzubauen benötigt Zeit – und sie zu reduzieren ist extrem riskant und kann zu einem dauerhaften Trauma führen. Die tägliche Arbeit mit einem jungen Pferd ist die Basis, um echtes Vertrauen zu entwickeln.

4) Gewaltlosigkeit: Gewalt ist niemals die Antwort, schreibt Monty Roberts. Diese elementare Botschaft basiert aber nicht auf dem natürlichen Verhalten von Pferden, noch wird sie von Monty Roberts selbst konsequent befolgt oder angewendet: Filmmaterial einer Vorführung in Deutschland zeigen eine Araberstute, die Monty Roberts zum Stehen bringt, indem er scharf an der Führungsleine zieht, was definitv schmerzvoll für das Pferd ist. Ein großes Publikum hat dabei zugesehen. Möglicherweise war der Schmerz-Level gering, aber eine solche Behandlung kann man zweifellos nicht als ,gewaltfrei' bezeichnen.

5) Ungenauigkeit: Monty Roberts behauptet, daß er positive Verstärkung bei seiner Arbeit einsetzt, aber im Round-pen verwendet er meist positive Bestrafung (d.h. er jagt das Pferd und bedroht es mit visuellen Zeichen bzw. Signalen) und negative Verstärkung (er verringert den angewendeten Druck). Ein weiteres Beispiel für seine Ungenauigkeiten sind seine Ausführung über die Pferdesprache, die man aber nicht als die ,Sprache der Pferde' bezeichnen kann. Es ist letztlich eine schlampige Beschreibung der Realität, indem bestimmte Tatsachen einfach weggelassen oder als ,grausam' bezeichnet werden, wenn sie nicht zur eigenen Methode passen. Das mache eine ernsthafte Analyse der Texte von Monty Roberts so schwierig, so die Autoren.

Der Aufsatz ,A Critical Comment on the Monty Roberts Interpretation of Equine Behavior'von Paweł Muller, Anna Chrzanowska und Wojciech Pisula ist in der Zeitschrift ,Psychology' 7/2016 erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.

PS: Monty Roberts ist übrigens gerade auf Europa-Tournee, die ihn auch nach Österreich führt: Am 5. Mai tritt er im Magna Racino in Ebreichsdorf/NÖ auf, am 7. Mai im Pferdezentrum Stadl-Paura/OÖ. Alle Infos dazu gibt‘ s hier.

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