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Studie: Zu enge Nasenriemen verursachen „Schmerzen, Stress und Unbehagen"
05.05.2016 / News

Der bloße Anblick tut weh: Ein derart zugeschnürtes Pferd leidet – so eng verschnallte Nasenriemen sind durch nichts zu rechtfertigen.
Der bloße Anblick tut weh: Ein derart zugeschnürtes Pferd leidet – so eng verschnallte Nasenriemen sind durch nichts zu rechtfertigen. / Foto: Kseniya Abramova/Fotolia.com
So sollte es sein: Zwei Finger sollten bequem zwischen Nasenriemen und Nasenrücken Platz finden.
So sollte es sein: Zwei Finger sollten bequem zwischen Nasenriemen und Nasenrücken Platz finden. / Foto: Archiv

Eine aktuelle australische Studie bestätigt: Zu eng verschnallte Nasenriemen führen bei Pferden zu erhöhtem Stress und unterbinden normale Verhaltensweisen wie Gähnen, Kauen oder Lecken.

 

Über die negativen Auswirkungen von zu eng verschnallten Nasenriemen ist in den letzten Jahren viel diskutiert und auch in beträchtlichem Umfang geforscht worden. Bereits im Jahr 2010 haben Dr. Kathrin Kienapfel und Prof. Holger Preuschoft eine vielbeachtete Untersuchung vorgelegt, die anhand der Anatomie eines Pferdeschädels zeigen konnte, daß es keine Rolle spielt, ob der Nasen- oder der Sperrriemen zu fest verschnallt wird – in beiden Fällen kann das Pferd das Maul nicht mehr öffnen und dadurch auch nicht kauen.

2013 untersuchten irische Wissenschaftler rund um Orla Doherty von der Universität Limerick, wie eng Nasenriemen in der Praxis verschnallt werden. Die Ergebnisse waren ernüchternd: Von 201 jungen Vielseitigkeits- und Hunterpferden, die untersucht wurden, hatten nur 12% die Nasenriemen locker genug angelegt, um zwei Finger darunter zu führen. 47% hatten die Nasenriemen so eng verschnallt, dass gar keine Finger darunter gepasst haben. Zudem entwickelten die Wissenschaftler erstmals eine Methode, um mittels spezieller Sensoren die Druckbelastung zwischen dem Nasenriemen und dem Nasenrücken bzw. der Pferdehaut überprüfen. Die Messungen zeigten deutliche Druckhöhepunkte bei bestimmten Reitlektionen, etwa bei Wendungen, Übergängen oder beim Rückwärtsrichten – demzufolge könnte die Druckbelastung durch zu eng verschnallte Nasenriemen zu ernsten Gewebe- und Nervenschäden führen. Es seien jedoch noch eingehendere wissenschaftliche Untersuchungen notwendig, um die Auswirkungen von hohen Druckbelastungen auf Tierverhalten und Tiergesundheit zweifelsfrei zu belegen, so Orla Doherty damals.

Diesen Nachweis konnte nun eine australische Forschergruppe im Rahmen einer umfangreichen Untersuchung erbringen. Das Ziel ihrer Studie mit dem Titel „The Effect of Noseband Tightening on Horses Behavior, Eye Temperature and Cardiac Responses" war es, die Verbindung zwischen zu eng verschnallten Nasenriemen und Verhaltensänderungen (insbesondere der natürlichen Maultätigkeit) sowie physiologischen Stress-Symptomen (etwa einem Anstieg der Augentemperatur oder der Herzschlagrate bzw. einer verringerten Herzschlagvariabilität) zu überprüfen.

In der Studie wurden insgesamt zwölf Reitpferde unterschiedlichen Geschlechts und unterschiedlicher Rassen (Durchschnittsalter 6,6 Jahre) eingesetzt. Die Pferde waren alle angeritten und auf unterschiedlichem Niveau ausgebildet worden – hatten jedoch bis zum Test keine Kandaren-Zäumung mit Nasenriemen getragen.

Die Test-Anordnung

Vor Beginn des Tests konnten sich die Pferde kurz akklimatisieren und an die Überwachungsgeräte (Herzschlag-Messgerät) sowie an das Kandaren-Gebiss gewöhnen, wobei der Nasenriemen vorerst noch unverschnallt blieb. Die Pferde wurden danach in zufälliger Reihenfolge in ein vorbereitetes Test-Abteil geführt, das man in einem Stallgebäude aus abgedeckten Strohballen gebaut hatte: Die Seitenwände waren 1 m noch, das Abteil hatte eine Fläche von 3 Meter mal 2 Meter, sodaß sich das Pferd nicht umdrehen und den Thermographie- und Video-Kameras nicht ausweichen konnte.

Nachdem das Pferd in das Test-Abteil geführt worden war, begann eine zehn Minuten lange Basis-Messung, bei der die Augentemperatur ebenso festgestellt wurde wie die Herzschlagrate. Auch das Verhalten des Pferdes wurde mittels Video-Aufzeichnung dokumentiert.

Danach wurden die Pferde dem eigentlichen Test unterzogen, in dem jeweils eine von vier verschiedenen Nasenriemen-Einstellungen angewendet wurde:
1. mit unverschnalltem Nasenriemen (UN = unfastened noseband)
2. mit regulärem Abstand unterhalb des Nasenriemens (CAUN = conventional area under noseband), sodaß zwei Finger zwischen Nasenriemen und Nasenrücken Platz hatten (gemessen mit der von der Internationalen Gesellschaft für Pferdewissenschaften ISES empfohlenen Schablone)
3. mit halbem regulärem Abstand unterhalb des Nasenriemens (HCAUN = half conventional area under noseband), sodaß ein Finger zwischen Nasenriemen und Nasenrücken Platz hatte
4. kein Abstand unterhalb des Nasenriemens (NAUN = no area under noseband), d. h. der Nasenriemen lag so eng am Nasenrücken, daß die ISES-Schablone nicht zwischen Nasenriemen und Nasenrücken geschoben werden konnte.

Jedes Pferd wurde einmal pro Tag einer dieser vier Test-Einstellungen unterzogen und absolvierte sämtliche vier Einstellungs-Varianten an vier aufeinanderfolgenden Tagen. Es wurden vier Pferde pro Tag getestet, und das über einen Zeitraum von drei Wochen (Juli/August 2015) hinweg. Jeder Test dauerte zehn Minuten (einschließlich des Anpassens des Nasenriemens). Während des Tests wurde das im Abteil stehende Pferd kontinuierlich überwacht, es wurden die erwähnten gesundheitlichen Parameter (Augentemperatur, Herzschlagrate) erhoben und auch das Verhalten des Pferdes mittels Video-Aufzeichnung dokumentiert.

Nach jedem Test wurde die Zäumung entfernt, das Pferd blieb aber noch für eine zehnminütige Erholungsphase – in der ebenfalls sämtliche Parameter weiter aufgezeichnet wurden – im Abteil stehen. Erst dann wurde es wieder aus dem Stallgebäude hinausgeführt.

Alarmierende Ergebnisse

Die Ergebnisse der Auswertungen ließen an Deutlichkeit nicht zu wünschen übrig: Während der engsten Verschnallung des Nasenriemens (Einstellung 4, ohne Abstand zwischen Nasenriemen und Nasenrücken) zeigte sich bei den Pferden ein signifkanter Anstieg der Herzschlagrate sowie eine Verringerung der Herzschlagvariabilität, auch die Augentemperatur war erhöht – allesamt deutliche Hinweise für eine physiologische Stressreaktion. Auch im Verhalten der Pferde zeigten sich erhebliche Veränderungen: Die Kautätigkeit war sowohl bei Einstellung 3 (halber regulärer Abstand zwischen Nasenriemen und Nasenrücken) sowie bei Einstellung 4 verringert. Gähnen wurde in allen vier Einstellungs-Varianten kaum beobachtet, Lecken war bei Einstellung 4 gar nicht mehr feststellbar.

Nach der Entfernung der Zäumung in der Erholungsphase nahmen orale Verhaltensweisen wie Gähnen, Schlucken und Lecken signifikant zu, was darauf hindeutet, daß diese Verhaltensweisen während des Tests unterdrückt werden mussten und später nachgeholt wurden, die Pferde also in einer Art Entzugs-Zustand waren, den sie danach kompensieren wollten.

„Schmerz und Unbehagen"

Der Befund der Wissenschaftler ist somit eindeutig: „Die vorliegende Studie erbringt den Beweis, daß Pferde physiologischem Stress ausgesetzt sind, wenn sie einen eng verschnallten Nasenriemen in Kombination mit einer Kandare tragen. Es zeigen sich erhebliche Veränderungen in der Herzschlagrate, der Herzschlagvariabilität sowie der Augentemperatur, was darauf hinweist, daß Pferde Schmerz und Unbehagen verspüren, wenn der Nasenriemen so eng verschnallt ist, daß kein Abstand mehr zum Nasenrücken besteht. Gähnen, Lecken und Kauen sind praktisch nicht mehr festzustellen – und die Schluck-Frequenz halbiert sich bei der engsten Nasenriemen-Verschnallung. Sobald die Zäumung abgenommen ist, nehmen Gähnen, Schlucken und Lecken signifikant zu, was auf einen Kompensations-Effekt infolge vorheriger Unterdrückung dieser Verhaltensweisen schließen lässt. Es ist davon auszugehen, daß sich all diese Effekte noch weiter verschärfen, wenn auch noch die Zügelspannung durch einen Reiter hinzukommt."

„Ethisch nur schwer zu rechtfertigen"

Weiter heißt es: „Die vorliegenden Daten zeigen, daß eng verschnallte Nasenriemen ohne jeglichen Abstand zum Nasenrücken des Pferdes Stressreaktionen hervorrufen und das Pferd daran hindern, normale Verhaltensweisen zu zeigen. Stewards auf einem Turnier sollten verpflichtend überprüfen, ob die Zäumung jedes Pferdes mit den Regeln übereinstimmt, die ein zu enges Verschnallen des Nasenriemens verbieten. Die Regeln des Dressursports, nach denen die Pferde ,Gehorsam' zeigen sollten, indem sie willig das Gebiss akzeptieren, lassen sich nicht aufrechterhalten, wenn die verwendete Ausrüstung ein normales orales Verhalten unterbindet und das Pferd genau das Gegenteil zeigt, nämlich Unbehagen und einen Mangel an Gehorsam. (...) Wie man es auch betrachtet – die Anwendung von großem Druck, um natürliche orale Verhaltensweisen zu unterbinden und dadurch einen Wettbewerbsvorteil zu haben, ist ethisch nur schwer zu rechtfertigen."

Die Studie „The Effect of Noseband Tightening on Horses Behavior, Eye Temperature and Cardiac Responses" von Paul McGreevy, Kate Fenner, Samuel Yoon, Peter White und Melissa Starling ist am 3. Mai 2016 im Journal PLOSOne erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.

Kommentare

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1) Anke W: Kleiner Hinweis: Der obige Link zur Studie von Kienapfel/Preuschoft funktioniert nicht mehr. Die Studie kann man hier einsehen: https://dauberg-roth.de/petition_sperriemen/ (können Sie natürlich gerne verlinken)
Dienstag, 17. Oktober 2017
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