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Ist Cushing wirklich unheilbar? Interview mit Dr. Patricia Wanas
29.05.2016 / Wissen

Dr. Patricia Wanas hat sich in ihrer tierärztlichen Praxis intensiv mit dem Equinen Cushing Syndrom auseinandergesetzt.
Dr. Patricia Wanas hat sich in ihrer tierärztlichen Praxis intensiv mit dem Equinen Cushing Syndrom auseinandergesetzt. / Foto: privat/Dr. Patricia Wanas

Wieso leiden immer mehr Pferde am „Equinen Cushing Syndrom“ – und was kann man gegen diese gefährliche Erkrankung tun? ProPferd hat die Tierärztin und Cushing-Spezialistin Dr. Patricia Wanas dazu befragt.

 

ProPferd: Frau Dr. Wanas, was genau ist Cushing, welche Anzeichen sollten den Pferdebesitzer nachdenklich stimmen – und wodurch wird Cushing verursacht?

Dr. Wanas: Equines Cushing (ECS/PPID) ist eine hormonelle Störung, verursacht durch einen gutartigen Tumor der Hirnanhangsdrüse. Es kommt zu einer Überproduktion von ACTH (adrenocorticotropes Hormon), was wiederum die körpereigene Cortisol-Ausschüttung in der Nebennierenrinde anregt. Diese Überproduktion von Cortisol wird hauptsächlich für die Auslösung von ECS verantwortlich gemacht. Das Pferd befindet sich dadurch körperlich in Dauerstress. Diese tumoröse Erkrankung finden wir allerdings sehr selten und wenn, dann vorwiegend bei alten Pferden. Die Diagnose von ECS ist korrekterweise nur durch ein aufwändiges MRT durchzuführen, um den Tumor zu finden. Daher ist die endgültige Diagnose oft nur post mortem (Autopsie) möglich. In diversen Fortbildungen zu Cushing wird explizit darauf hingewiesen, dass der ACTH Test starken Schwankungen unterliegt (er steigt generell bei Stress an) und daher nur eine bedingte Aussagekraft hat. Ein erhöhter ACTH Wert ist noch lange kein eindeutiger diagnostischer Befund für Cushing, sagt aber aus, dass das Pferd möglicherweise unter chronischem Stress leidet. Auch der iatrogene Cushing sei hier erwähnt, der ist quasi durch den Tierarzt verursacht, der dem Pferd Cortison verabreicht hat.

Die typischen Symptome für Cushing sind:
– Hirsutismus dh. die Pferde verlieren die dicken, gelockten Fellhaare nicht
– kahle Stellen, Hautkrankheiten, Hufrehe
– Muskelabbau, Senkrücken
– Bei ca. jedem dritten Fall Polyurie, Polydipsie (dh Pferde trinken und urinieren deutlich mehr)
– Das Immunsystem ist angeschlagen (Zahnfleischentzündung, Ulcera, Pneumonie, Apathie, Neigung zu Abszessen, Narkolepsie, Epilepsie)
– vermehrtes Schwitzen

ProPferd: Was ist der Unterschied zwischen Cushing und EMS?

Dr. Wanas: EMS – oder Equines Metabolisches Syndrom – bezeichnet eine Störung des Zuckerstoffwechsels. Die Pferde lagern Fett ein und dieses Fettgewebe gibt Hormone ab, das wiederum Krankheiten auslösen kann wie zB. Hufrehe. Auch hier kennen wir echtes EMS und Pseudo-EMS, das ebenfalls durch Stoffwechselstörung hervorgerufen werden.
Optisch schauen EMS Pferde anders aus, als Cushing Pferde, sie sind dick, mit Einlagerungen am Mähnenkamm, Schlauch, Schweifwurzel, Kruppe, zeigen oft Atemwegsprobleme und bereits erwähnte Hufrehe.
Bei Pseudo-EMS haben wir es oft mit Wassereinlagerungen zu tun. Meistens ist es auch vergesellschaftet mit einer KPU und zeigt vielseitige Symptome.

ProPferd: Cushing gilt vielfach als sogenannte „Wohlstandskrankheit“ – stimmen Sie dem zu? Sind gewisse Rassen und Haltungsformen mehr oder weniger gefährdet – und womit hängt dies zusammen?

Dr. Wanas: Ja, ich würde dem zustimmen. Es sind sicher mehr die Haltungsformen (Bewegung, soziale Einschränkungen) und die Fütterung als Auslöser zu bezeichnen, aber es gibt schon Rassen, die schneller unter der Stoffwechsel Entgleisung leiden, dazu zählen vor allem die robusten Rassen, deren Genetik darauf ausgerichtet ist, mit einem sehr kargen Nahrungsangebot auszukommen.

ProPferd: Wie kommt es, dass heute Cushing heute so oft diagnostiziert wird?

Dr. Wanas: War Cushing früher äußerst selten, so finde ich heutzutage Pferde mit Cushing Symptome in nahezu jedem Stall vor, darunter immer öfters auch mittelalte Pferde. Nach der heutigen Meinung ist dafür selten der Tumor, sondern vielmehr eine Entgleisung des Stoffwechsels verantwortlich (siehe auch Fritz/Maleh, Zivilisationskrankheiten des Pferdes, 2016). Diese wird verursacht durch falsche Haltung und Fütterung, chronischen Stress, unterschwelliger Selenvergiftung und Insulinresistenz. Wir sprechen hier vom sogenannten Pseudo-Cushing. Bei diesen Pferden verschwinden die Symptome, wenn der Stoffwechsel umfangreich saniert wird und Stressfaktoren unterbunden werden.

ProPferd: Sie haben als Behandlungsansatz ihre Vier-Säulen-Methode entwickelt. Wie sieht die genau aus? Würden Sie sagen, dass man Cushing heilen kann?

Dr. Wanas: Wie gesagt, echtes Cushing ist von Pseudo-Cushing zu unterscheiden. Pseudo-Cushing, also Cushing Symptome aufgrund der oben erwähnten Ursachen sind in den allermeisten Fällen therapierbar. Laut meiner Erfahrung in der täglichen Praxis sind über 90 % der Pferde  nach der Behandlung fast symptomfrei.
Die Behandlung erfolgt in vier Schritten (4 Säulen) – Entgiftung, Chiropraktik und Cranio Sacraltherapie, KPU Therapie und Darmsanierung.

1. Entgiftung: Die Erfahrung hat gezeigt, dass die Pferde mit Cushing Symptomen übersäuert und vergiftet sind. Die Leberwerte und Nierenwerte sind dabei oft noch unauffällig (wenn es hier Auffälligkeiten gibt, dann bedeutet dies, dass das Organ schon gewaltige Schäden erlitten hat), oft sind die Muskelwerte (CK, LDH Wert) erhöht. Mit einer gezielten Entgiftungskur helfen wir dem Körper einen langsamen und gründlichen „Großputz“ zu machen, dies erfolgt über mehrere Wochen mit speziellen Produkten.

2.  Chiropraktik & Cranio Sacral Therapie: Der Großteil der Pferde zeigen Blockaden in der Wirbelsäule insbesondere beim ersten Halswirbel (Hypophyse), dem Hinterhauptsbein, im Lendenwirbelbereich, und dem Kreuzbein. Ich beginne immer mit einer chiropraktischen Behandlung und arbeite im zweiten Schritt mit Cranio Sacral Therapie. Warum? Es geht darum, die Blockaden im Keilbein zu lösen (Druck auf Hypophyse). Nach der Chiro & Cranio ist oft nach nur zwei Behandlungen eine wesentliche Verbesserung zu sehen.

3. Stoffwechselsanierung/KPU Therapie: Die Kryptopyrrolurie-Therapie ist ein ganz wesentlicher Bestandteil in der Behandlung von Pferden mit Pseudo-Cushing, da wir bis dato keinen  Patienten mit Cushing Symptomen in der Praxis hatten, ohne ausgeprägte Kryptopyrrolurie. Wir haben es hier mit einer Stoffwechselentgleisung aufgrund einer dysfunktionalen Darmflora zu tun, die mit etwas Geduld über fütterungstechnische Maßnahmen reguliert werden kann.

4. Darmsanierung: Aus diesem Grund ist die Darmsanierung auch äußerst wichtig. Grundlage dafür ist qualitativ hochwertiges Pferdeheu ad libidum in Kombination mit speziellen Pflanzenprodukten. Ein gesunder Darm produziert viele Vitamine, und das für die Leberentgiftung so wichtige P5P. Nur ein gesunder Darm kann alles produzieren, was ein Pferd für ein gesundes Leben braucht.

Selbstverständlich sind auch die Haltungsbedingungen so zu gestalten, dass die Pferde stressfrei leben können, das bezieht sich auf genügend Auslauf, möglichst wenig Fütterungspausen (nicht länger als 2h) ebenso wie auf eine gut abgestimmte Pferde-Gesellschaft.

ProPferd: Was ist in punkto Fütterung zu beachten?

Dr. Wanas: Die richtige Fütterung ist das wichtigste Element in der Therapie, geeignete Futtermittel sind:
– Heu ad lib. in guter Qualität
– Esparsette (alte Futterpflanze - Leguminose, als Heu oder in pelletierter Form) – auch als Kraftfutter-Ersatz geeignet, es ist getreidefrei, hat aber für das Pferd eine optimale Aminosäurenzusammensetzung
– je nach Arbeitsleistung und Rasse Hafer ( nur bei Arbeit! ) 0,5 – 1l am Tag (nur für Warm- und Vollblüter)
– gequetschte Gerste (außer Rehe Pferde & Pferde mit PSSM)
– hochwertiges Stroh ist  gut zur Ergänzung

Unbedingt zu vermeiden sind:
– Silage, Heulage oder Heu mit Konservierungsmittel
– Mais
– Rübenschnitzel
– Brot
– Karotten oder ähnliches, Leckerli mit Zucker
– Futtermittel mit Melasse, Weizen, Mais, Roggen
– Öl
–Selen
– gehäckseltes Futter (vor allem die kurzen Häcksel wie sie oft als“ Struktur“ in Müslis zu finden sind, sie verursachen oft Fehlgärungen im Dickdarm.

Weiters tritt bei Cushing Pferden häufig Zinkmangel auf (KPU). Zink ist  Bestandteil der Carboanhydrase und somit sehr wichtig für die Regulierung des Säuer-Base Haushalts. Fehlt Zink, wird die Carboanhydrase nicht aktiviert. Das heisst, die Säuren können nicht abgepuffert werden und Wasser wird in der Zelle eingelagert, um die schädliche Wirkung zu reduzieren. Daher wirken die Pferde optisch rund (Rübenschnitzeleffekt) sind in Wahrheit aber vergiftet.

ProPferd: Die klassische Cushing-Therapie sieht den Einsatz von Medikamenten in der Behandlung vor – wie stehen Sie dazu?

Dr. Wanas: Das am häufigsten benutzte Medikament in der Cushing Therapie ist Prascend. Ich habe sehr wohl Pferde übernommen, die bereits mit Prascend therapiert worden waren, das aber von mir abgesetzt wurde. Bin ich der erstbehandelnde Tierarzt, gehe ich immer nach obigem Therapieplan vor und habe in meinem Leben noch kein einziges Prascend verkauft oder verschrieben. Der Behandlungserfolg stellt sich in über 90% der Fälle vollständig ein. Beeinflussende Faktoren sind auch, wie das Pferd von Haltung und Fütterung her gemanagt wird. Da ist vor allem die Kooperation der Stallbesitzer sehr wichtig für die Besitzer von Pferden mit Cushing-Symptomatik. Es ist schlichtweg nicht notwendig, dass all diese Pferde mit Cushing-Symptomen auf Dauer Medikamente bekommen müssen.

Das Interview mit Dr. Patricia Wanas führte Daniela Vadehra.


Zur Person Dr. Patricia Wanas
Dr. Patricia Wanas promovierte 1998 an der veterinärmedizinischen Universität Wien. Umfassende Ausbildungen u.a. in den USA, Zusatzausbildung zur Fachtierärztin in Chiropraktik für Kleintiere und Pferde, Akupunktur, Futterexpertin und Kinesiologie ließen die Mutter zweier Kinder und selbst Pferdebesitzerin auch immer wieder neue Behandlungsmethoden ausprobieren.
In der täglichen Pferdepraxis sind Tierärzte immer mehr mit sogenannten ‚Zivilisationskrankheiten‘ des Pferdes konfrontiert. Tierärztin Dr. Patricia Wanas hat sich im Rahmen ihrer umfassenden Ausbildung insbesondere mit Stoffwechselstörungen und vor allem Cushing auseinandergesetzt und erzielt mit ihrer 4-Säulen Methode hervorragende Ergebnisse in der Therapie von Cushing Pferden. Dr. Wanas führt ihre Praxis in Stockerau/NÖ.

Weitere Infos: www.wanashelp.at

 

Buchtipps:
– „Zivilisationskrankheiten des Pferdes: Ganzheitliche Behandlung chronischer Krankheiten“ von Dr. Christina Fritz  und Dr. Souel Maleh, Sonntag-Verlag 2016, broschiert, 272 Seiten
– „Krankheiten des Pferdes“ von Hanns-Jürgen Winzer, Parey-Verlag 1999, 632 Seiten
– „Handbuch Pferdepraxis“, von Olof Dietz und Bernhard Huskamp, Enke-Verlag 2005, 1.112 Seiten

Kommentare

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1) Nazua: Sehr interessant. Sollte sich jeder durchlesen, der ein Pferd mit Cushing, PSSM oder EMS hat. Die schlechte Nachricht, Frau Dr. Pattricia Wanas wohnt in Österreich.
Montag, 6. Juni 2016
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