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Herpes-Drama in Hessen – neun Pferde eingeschläfert
13.07.2016 / News

Der betroffene Reitstall im hessischen Obertiefenbach befindet sich seit Ausbruch der Krankheit unter freiwilliger Quarantäne.
Der betroffene Reitstall im hessischen Obertiefenbach befindet sich seit Ausbruch der Krankheit unter freiwilliger Quarantäne. / Foto: Archiv

Von einem dramatischen Virus-Ausbruch ist ein Reitstall in Obertiefenbach in Mittelhessen betroffen: Neun Pferde mussten eingeschläfert werden, der Verdacht auf eine Herpes-Infektion wurde mittlerweile bestätigt.

 

Wie dramatisch die Situation im Reitstall in Obertiefenbach ist, lassen die Aussagen von Tierarzt Dr. Richard Hirschhäuser gegenüber dem Radiosender ,Hit Radio FFH' erahnen: „In 40 Jahren haben ich noch keinen so aggressiven Ausbruch von Pferdeherpes erlebt. Das ist vergleichbar mit den Pestzügen in Mittelalter". Lt. Dr. Hirschhäuser scheine es sich um einen besonders aggressiven Stamm des Virus zu handeln – von 25 erkrankten Tieren in seinem Stalltrakt in Beselich seien bislang neun gestorben.

Der Verdacht auf Herpes war aufgrund des Krankheitsverlaufs und der typischen Symptomatik naheliegend, zumal bereits im Mai ein Herpes-Virus bei Pferden im Kreis Marburg-Biedenkopf aufgetaucht ist – war aber bis gestern (12. Juli) Nachmittag nicht offiziell bestätigt. Mittlerweile liegen die Untersuchungs-Ergebnisse der Veterinär-Pathologie der Universität Gießen vor – der Herpes-Verdacht hat sich leider bewahrheitet, wie Dr. Hirschhäuser auf seiner Website mitteilte: „Bei einem der verstorbenen Pferde wurde das Equine Herpesvirus 1 nachgewiesen. Bisher beschränken sich die akuten Krankheitsfälle auf einen Stall. Von einer Ausbreitung ist uns zur Zeit nichts bekannt. Dennoch empfehlen wir vorerst (mind. 14 Tage) keine Pferde aus ihren Betrieben / Reitställen zu nehmen oder neu einzustellen. Personen, die mit Ihren Pferden in Kontakt kommen sollten keinen Kontakt zu bestandsfremden Pferden haben."

Wie sich die Pferde in Obertiefenbach anstecken konnten, ist bislang noch unklar – es könne, so die Stallbesitzerin, über neu auf den Hof kommende Tiere geschehen sein, bei Reitturnieren oder auch über in mehrere Ställen verkehrende Reiter, Ärzte oder Hufschmiede. Der Herpes-Virus wird als Tröpfcheninfektion von Pferd zu Pferd weitergegeben, eine Übertragung ist durch direkten oder indirekten Kontakt (z. B. über Futterkrippen, Tränkebecken, Kleider, Schuhe etc.) möglich. Viele Tiere tragen den Erreger in sich, ohne dass die Krankheit ausbricht. Zu den Symptomen gehören Fieber, wässriger Nasen- und Augenausfluss sowie Husten. Das Virus kann aber auch das Nervensystem angreifen und zu Koordinationsstörungen oder Lähmungen führen.

Der betroffene Stall steht vorsorglich bereits seit dem Auftreten der ersten Krankheitsfälle unter Quarantäne, kein Pferd darf die Anlage verlassen oder von außerhalb betreten. Zudem wurden strenge Hygiene- und Desinfektionsmaßnahmen verhängt, um eine weitere Ausbreitung der Infektion zu verhindern.  Sämtliche Behörden wurden – obwohl Herpes auch in Deutschland keine anzeigen- oder meldepflichtige Tierseuche ist – von den Stallbetreibern informiert, ebenso der Hessische Pferdesportverband, so dass die betroffenen Pferdehalter der Region mittlerweile Bescheid wissen und entsprechende Vorsorgemaßnahmen ergreifen konnten. Zahlreiche Reitställe der Umgebung haben ebenfalls rasch auf den Herpes-Verdacht reagiert und sowohl Veranstaltungen abgesagt, als auch freiwillige Quarantäne-Maßnahmen verhängt, um sich den gefährlichen Virus nicht einzuschleppen.

Diskussionen um Turnier-Absagen
Während viele private Pferdebesitzer ebenfalls auf Nummer sicher gehen und ihre Pferde vorerst im Stall lassen, hat der Pferdesportverband Hessen noch gestern (12. Juli, 12.14 Uhr) ein ganz anderes Signal ausgeschickt und teilte mit: „Herpes tritt seit Jahrzehnten immer mal wieder auf. Dabei gelingt es in der Regel, die Ausbreitung durch Abschirmung betroffener Stallgebäude zu verhindern. Vor diesem Hintergrund werden die Hessischen Meisterschaften der Dressur- und Springreiter am kommenden Wochenende wie geplant in Darmstadt-Kranichstein stattfinden. Robert Kuypers, Geschäftsführer".

Diese Mitteilung – auf der Facebook-Seite des Verbandes gepostet – sorgte für einige Verwunderung und auch für Kritik: „Finde ich nicht im Sinne der Pferde sondern nur im Sinne des Geldbeutels!" schrieb eine Userin, und eine andere meinte schlicht: „Unverantwortlich."

Die zahlreichen und überwiegend negativen Kommentare dürften ihre Wirkung nicht verfehlt haben – denn heute Mittag wurde eine neue Mitteilung nachgeschickt, in der es hieß: „Im vorliegenden Fall scheint es sich um einen äußerst aggressiven Virenstamm zu handeln. Deshalb berät der Vorstand des Pferdesportverbandes Hessen am Mittag, ob die Hessischen Meisterschaften der Dressur- und Springreiter wie geplant am kommenden Wochenende in Darmstadt-Kranichstein stattfinden können. Robert Kuypers, Geschäftsführer"

Man will sich die Sache also nochmals überlegen. Dr. Richard Hirschhäuser hat unterdessen seine  Meinung klar geäußert: Im Interview mit ,Hit Radio FFH' sprach er sich klar für eine Absage aus – und dies werde auch vom Veterinäramt der Stadt Darmstadt befürwortet. Auf die endgültige Entscheidung des Pferdesportverbandes Hessen – die für heute Nachmittag erwartet wird – darf man gespannt sein...

Weitere Informationen zum Equinen Herpes-Virus findet man auf diesen Info-Blättern der Universität Giessen sowie der Tierärztlichen Hochschule Hannover. Auch die Vetmeduni Wien hat dazu diese Informationen veröffentlicht.

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