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Neuer Herpes-Fall in Salzburg: Warum Offenheit so wichtig ist
21.07.2016

Leopold Pingitzer schreibt für ProPferd.
Leopold Pingitzer schreibt für ProPferd. / Foto: Petr Blaha

Nachdem seit etwa zwei Wochen Gerüchte über eine Ausbreitung des Equinen Herpes-Virus (EHV) in Salzburg kursierten und sogar von toten Pferden zu lesen war, hat sich gestern eine Stallbesitzerin aus Flachau endlich dazu entschlossen, die Öffentlichkeit zu informieren und die Ist-Situation ihres Betriebes darzustellen. Katharina Huttegger postete auf ihrer Facebook-Seite folgendes Statement:

Liebe Pferdefreunde, liebe Reitstall- und Pferdebesitzer in der Umgebung von 5542 Flachau! Da ich gestern die Laborergebnisse bekommen habe, möchte ICH jetzt ÖFFENTLICH Stellung zu meiner derzeitigen Situation nehmen! Durch einen Pferdezukauf wurden leider Krankheiten in meinen Stall eingeschleppt. Seit mehr als 2 Wochen bemühen wir uns durch Untersuchungen, Behandlungen und Hygienemaßnahmen alle weiteren Ansteckungen absolut zu vermeiden.
Alle verdächtigen Pferde sind unter Quarantäne gestellt. Durch tierärztliche Probenentnahme wurde bei drei Pferden Influenza (Pferdegrippe) und bei einem Pony EHV 2+5 (Herpesvirus) diagnostiziert. Dasselbe Pony wurde nun auch schon seit 2 Wochen isoliert, da es außerdem leider noch Träger von Streptoc. zooepidemicus (Druse) ist.
Gestern wurde von allen Pferden, welche Kontakt mit den infizierten Tieren gehabt haben könnten, bzw. im selben Stall standen, Tupferproben zur Virusdiagnose entnommen. Zum Glück befinden sich in unserem Bestand trotzdem noch einige gesunde Pferde, die keinerlei Anzeichen einer Erkrankung zeigen. Wir sind sehr darum bemüht, alle Überträgerpferde zu erkennen und alle nötigen veterinärmedizinischen Maßnahmen zur Eindämmung und Gesundung unsere Pferde zu ergreifen. Der Schulbetrieb wird, wie ihr bestimmt verstehen könnt, an allen betroffenen Ställen bis auf Weiteres eingestellt.
Natürlich stehe ich für weitere Fragen jederzeit gerne persönlich zur Verfügung! An all diejenigen, die gerne Gerüchte in die Welt setzen (aus welchem Grund auch immer): Ich bitte euch hiermit unbewiesene Halbwahrheiten, Vermutungen, Drohungen oder Ähnliches sofort zu unterlassen!! – Diese Situation ist ohnehin für jeden Betroffenen ein Albtraum! Ich wünsche allen Stall- und Pferdebesitzern weiterhin alles Gute und viel Gesundheit! Liebe Grüße, Katharina Huttegger
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Man kann diesen Schritt der jungen, engagierten Stallbesitzerin gar nicht laut genug loben: Sie hat nicht nur im eigenen Betrieb richtig gehandelt, sondern auch das einzig richtige im ,kommunikativen Umgang' mit derartigen Infektionskrankheiten gemacht – nämlich sachlich und wahrheitsgemäß die Öffentlichkeit zu informieren und so den immer stärker wuchernden Gerüchten & Verdächtigungen ein Ende zu setzen. Das haben in der Vergangenheit glücklicherweise auch viele andere Stallbesitzer so gemacht – aber eben nicht alle. Da sowohl Herpes als auch Druse keine anzeigepflichtigen bzw. meldepflichtigen Seuchen lt. Tierseuchengesetz sind, kommt dem persönlichen Verantwortungsbewusstsein von Stallbetreibern und Pferdebesitzern entscheidende Bedeutung zu: Nur sie können auf freiwilliger Basis für die Einhaltung der empfohlenen Sicherheits- und Vorsichtsmaßnahmen sorgen – und nur sie können in seriöser, sachlicher Weise die Öffentlichkeit über die tatsächliche Situation in ihrem Betrieb informieren.

Sie können – müssen aber natürlich nicht. Doch man kann sich leicht ausmalen – und das zeigen viele Beispiele allzu deutlich – was passiert, wenn man nicht selbst für die notwendige Kommunikation sorgt. Dann überlässt man nämlich anderen das Feld, die meist weniger Wissen, aber dafür schnellere Finger haben und die sozialen Netzwerke und Facebook-Gruppen mit vermeintlich ,spannenden' und ,neuen' Informationen versorgen, schließlich ist doch nichts interessanter als das jüngste Gerücht. Wer etwa nur eine Postleitzahl postet, kann sich leicht ausmalen, welche Eigendynamik dies entwickeln kann: Jeder glaubt, den ,gemeinten' Stall zuverlässig zu kennen und hat bestimmt einen Bekannten, der dort Einsteller ist – oder kennt zumindest über einen Bekannten einen solchen Bekannten. Ein Kurs wurde abgesagt? Na bitte – da haben wir doch den ,Schuldigen'. Daß der Kurs aber nicht abgesagt wurde, weil es Krankheitsfälle im Stall gibt, sondern weil aufgrund der kursierenden Gerüchte zahlreiche Teilnehmer abgesagt haben – das wird meist erst dann publik, wenn es dem Stallbesitzer zu bunt wird und er selbst die Dinge klarstellt.

Aus diesem Grund sollte man alle Stallbetreiber aus ganzem Herzen ermutigen, sich nicht den ätzenden Dämpfen der Gerüchteküche auszusetzen – und selbst zu kommunizieren, auch wenn es natürlich nicht leichtfällt. Vor allem muss man gegen die irrige Meinung ankämpfen, dies hätte irgendetwas mit Panikmache oder öffentlicher Verunsicherung zu tun: Das Gegenteil ist der Fall! Wer – wie Katharina Huttegger – die Öffentlichkeit ruhig und sachlich informiert, wird auch für eine Beruhigung und Versachlichung der Situation sorgen. Wer die Öffentlichkeit scheut, macht sie dadurch erst richtig scheu und gießt ungewollt Öl ins Feuer. Die einzig richtige Reaktion ist Offenheit – und dazu sollten all jene, die im öffentlichen Diskurs eine Rolle spielen (darunter fallen Sport- und Zuchtverbände ebenso wie diverse Medien und Administratoren einschlägiger Facebook-Gruppen), auch die Stallbesitzer ermutigen und einladen. Das hat in Österreich auch lange gut funktioniert – bis zu dem beschämenden Fall einer steirischen Stallbesitzerin, die vom OEPS in aller Öffentlichkeit gedemütigt und diskreditiert wurde, weil ihr Posting nicht in die Entwarnungs- und Verharmlosungs-Strategie des Verbandes gepasst hat (siehe meinen Kommentar dazu). Dieses Verhalten war nicht nur schäbig, sondern auch zutiefst kontraproduktiv – weil sich möglicherweise einige Stallbesitzer künftig überlegen werden, ähnlich offensiv an die Öffentlichkeit zu gehen und dabei Gefahr zu laufen, bloßgestellt zu werden.

Notwendig wäre genau das Gegenteil – nämlich Offenheit, Transparenz und Sachlichkeit. Denn – wie der aktuelle Krankheits-Fall in Flachau und die dramatische Infektion in Hessen zeigt – ist das Thema Herpes noch längst nicht ausgestanden, im Gegenteil: Es wird uns, wie auch Veterinäre stets betonen, auch künftig weiter beschäftigen. Es kann und wird immer wieder zu Infektionsfällen kommen, so sehr wir uns auch dagegen wehren. Einen 100%igen Schutz davor gibt es nicht – aber es gibt eine Vielzahl von Maßnahmen (Impfungen, Hygiene- und Sicherheits-Vorkehrungen, freiwillige Quarantäne etc.), die das Ansteckungs-Risiko deutlich minimieren. Wir werden lernen müssen, mit Herpes, Druse und ähnlichen Erkrankungen zu leben – und das kann nicht mit Panik und Hysterie funktionieren, sondern nur mit Ruhe, Offenheit und Entschlossenheit, meint

Ihr Leopold Pingitzer

Sagen Sie mir ruhig Ihre Meinung: redaktion@propferd.at

Kommentare

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1) balubalu: Super geschreiben uns wieder zeigt sich, dass vor allem die Eigenverantwortung der Stallbetreiber und -besitzer die einzige Lösung ist, die Sache langsam aber bestimmt in den Griff zu bekommen. Danke daher an Sie für den neuerlichen Kommentar, an Frau Huttegger für ihre ausfühlriche Beschreibung und an die Betrieber der Fb Page Druse - Österreich ergänzt mit Herpesinfos - für den laufenden Check der Angaben und der Eröffnung einer Öffentlichkeit für möglichst zeitnahe Information von Betreoffenen und für alle Pferdefreunde.
Donnerstag, 21. Juli 2016
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