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„Wie von einem Tsunami überrollt" – Reitstall-Besitzer appelliert an FN
02.08.2016 / News

Nach dem dramatischen Herpes-Ausbruch richten die Verantwortlichen der Reitanlage Meilinger einen eindringlichen Appell an die FN.
Nach dem dramatischen Herpes-Ausbruch richten die Verantwortlichen der Reitanlage Meilinger einen eindringlichen Appell an die FN. / Symbolfoto: Archiv

Die von einer schlimmen Herpes-Infektion mit elf toten Pferden betroffene Reitanlage Meilinger in Obertiefenbach/Hessen hat einen bewegenden Offenen Brief an die Deutsche Reiterliche Vereinigung gerichtet – und fordert Konsequenzen nach dem verheerenden Ausbruch.

 

Hier der Brief der Reitanlage Meilinger an die FN im vollständigen Wortlaut:

Sehr geehrte Damen und Herren des Präsidiums,
sehr geehrte Damen und Herren des geschäftsführenden Vorstandes,

wie Ihnen bekannt ist, haben wir in unserem Betrieb einen Ausbruch des Equinen Herpesvirus Typ 1 (EHV-1) mit 11 toten Pferden = 25% (aktueller Stand) und mehr als 20 weiteren erkrankten Tieren. Dieser Ausbruch des EHV-1 wurde bundesweit und über die Grenzen hinaus von Pferdebesitzern mit Entsetzen zur Kenntnis genommen und erreichte traurige Berühmtheit. Offensichtlich handelt es sich hierbei um eine sehr aggressive Art des EHV-1, dem innerhalb von nur 36 Stunden die ersten 9 Pferde zum Opfer fielen, was sogar die Experten des Friedrich-Löffler-Institutes, Insel Riems, und Prof.Dr. Osterrieder von der Uni Berlin überraschte. Die beiden anderen Pferde starben in einer zweiten Welle nach 8 Tagen.

Direkt bei Auftreten der ersten Fieberfälle wurden Tierärzte hinzugezogen und das Veterinäramt wurde unverzüglich beim ersten Verdacht auf eine Herpes-Infektion informiert. Ebenso erfolgten sofort die entsprechenden Hygiene- und Quarantäne-Maßnahmen. Leider war diese aggressive Virus-Infektion trotz aller sofort eingeleiteter Maßnahmen nicht zu stoppen.

Wir wurden wie von einem Tsunami überrollt.

Seit einigen Tagen ist der noch verbliebene Pferdebestand fieberfrei und wir haben vorsichtigen Optimismus auf ein Abklingen der Seuche. Neben dem Verlust der Pferde - von hochwertigen Sportpferden bis in schwere Prüfungen geritten und auch Pferde im Freizeitbereich - ist es auch bei den verbliebenen Pferden noch nicht sicher, ob diese wie vorher im Sport eingesetzt und geritten werden können oder ob Sekundärschäden bleiben, die nur noch ein Leben als Weidepferd errmöglichen. Dieses bleibt abzuwarten.
Weiterhin werden alle Pferdebesitzer enorme Tierarztkosten zu begleichen haben. Über einen Zeitraum von fast 3 Wochen waren zum Teil mehrere Tierärzte rund um die Uhr 24 Stunden - im Einsatz, also Intensivbetreuung. Hinzu kommen nicht unerhebliche Laborkosten und Kosten für pathologische Untersuchungen usw.

Für uns als landwirtschaftlichen Betrieb kommen zusätzlich erhebliche Einkommensverluste durch den Ausfall von Boxenmieten für momentan noch nicht absehbare Zeit (alleiniges Einkommen). Es fehlen nicht nur die Einnahmen der Boxenmieten der verstorbenen Pferde, sondern leider werden voraus-sichtlich auch einige Pferde nach dem Ende der infektiösen Zeit bedingt durch Sekundärschäden den Rest ihres Lebens als Weidepferde verbringen, was für uns zusätzlichen Ausfall von Boxenmieten bedeuten wird. Weiterhin fallen nach dem Ende des Ausbruchs erhebliche Kosten für die komplette Reinigung und Desinfektion der Reitanlage wie Stallungen, Reithalle, Waschplätze, Führanlage, Laufband usw. an.

Auch ein in unserem Stall ansässiger selbständiger Berufsreiter ist mit dem Problem "Einkommensverlust" betroffen. Unter den verstorbenen Pferden waren Pferde, die er in Beritt hatte und auch unter den erkrankten Pferden sind Berittpferde. Ebenso wenig ist es ihm momentan möglich, in anderen Ställen Unterricht zu erteilen. Dieses schon allein aus Verantwortungsbewußtsein und hygienischen Vorsorgemaßnahmen, damit diese Seuche nicht weiter verbreitet wird.

Der Ausbruch des Equinen Pferdeherpes in solchem Ausmaß - wie bereits erwähnt vergleichbar mit einem Tsunami - und die damit verbundenen Kosten und Einkommensverluste in nicht unerheblicher Höhe kann / ist für Betriebe, Unternehmer und Selbständige existensgefährdend.

Wir alle haben seit dem Ausbruch der Seuche versucht, durch offenen Umgang auf die Gefährlichkeit des EHV hinzuweisen. Dieses ist in der Öffentlichkeit positiv angekommen, was uns auch immer wieder bestätigt wird.

Wir als landwirtschaftlicher Betrieb und Betreiber der Reitanlage als auch der hier ansässige Berufsreiter hoffen und wünschen uns, dass dieser offene Umgang auch als vertrauensbildende Maßnahme begriffen wird und wir bald, d.h. nach Desinfektion und Feststellung des Betriebes als seuchenfrei wieder Belegung der leider nunmehr leeren Boxen durch neue Pferde haben und auch Berittpferde für den Berufsreiter begrüßen dürfen.

Noch bevor EHV bestätigt wurde, also noch während der Zeit des Verdachts, erfolgten von uns Telefonate zur Information des PSV Hessen und auch in Ihrem Hause haben wir auf den Verdacht und die hohe Infektionsgefahr hingewiesen. Auf unsere Bitte, die FN möge bitte dafür sorgen, das wieder genügend Impfstoff hergestellt werden müsse in Deutschland und auch eine entsprechende Impfpflicht einführen, wurde uns gesagt, es wäre alles sehr schlimm und von Seiten der FN habe man auch Mitleid, aber die FN würde schon so vieles machen – mehr ginge nicht.

Zu dem Thema "Impfung gegen EHV" möchten wir wie folgt Stellung nehmen: In unserem Stall war Impfflicht nicht nur Influenza betreffend, sondern auch gegen EHV. Dann gab es leider in der letzten Zeit keinen Impfstoff mehr aus Deutschland, sondern nur noch wenig und mit beantragter Ausnahmegenehmigung aus Tschechien und sonst. Ausland. Damit wurde der bis dahin bestehende komplette Impfschutz in unserem Stall "löchrig" und somit bestand für den kompletten Stall kein Impfschutz mehr.  Der fehlende Impfstoff ist mitverantwortlich für die Tragödie, die unseren Stall heimgesucht hat.

Wir erwarten von der FN, sich für die Herstellung von genügend Impfstoff in Deutschland (von deutschen Herstellern) umgehend einzusetzen. Weiterhin sollte Impfpflicht eingeführt werden. Soweit uns bekannt, besteht bei Vollblütern Impfpflicht. Warum kann dieses nicht für alle Pferde in Deutschland oder besser noch europaweit gelten? Es besteht ja auch Impfpflicht gegen Influenza.

Wenn die FN meint, nicht alle Pferde (insbes. Freizeitpferde) erfassen zu können – so wie uns das im Telefonat am 11.07.2016 gesagt wurde – so sollte man wenigstens umgehend Impfpflicht für Turniere, Pferdeschauen und sonst. öffentliche Veranstaltungen und Handelsställe einführen. Denn wenn hier entsprechende Impfpflicht besteht, müssen in der Folge auch die Ställe, in denen Turnierpferde stehen, entsprechende Impfpflicht einführen, damit alle Pferde geschützt sind.

Uns ist bewusst, dass eine Impfung keinen 100%igen Schutz vor EHV bedeutet. Aber geimpfte Pferde können – wenn sie infektiös werden durch Stress o.ä. – nicht mehr so viele Viren verteilen und somit wird der Infektionsdruck verringert - aber das ist auch Ihnen sicherlich bekannt. Und welches Pferd auch immer diesen EHV-1 in unseren Stall brachte – bei einer Impfpflicht wäre es nicht so ansteckend gewesen.

Desweiteren sollte es ein Register o.ä. geben, in welches alle aktuellen und bestätigten EHV-Fälle in Deutschland, besser noch mit benachbartem Ausland, eingetragen werden sollten, damit sich Pferdebesitzer jederzeit erkundigen können, in welchem Gebiet EHV aktiv ist und somit eine Gefahr für andere Pferde sein kann. Hier ist auch die Mitwirkung der PSV und der Veterinärämter und Tierärzte gefordert.

Weiterhin fänden wir es gut, wenn alle EHV-Fälle öffentlich gemacht würden. Leider mussten wir jetzt feststellen, das es oft EHV-Fälle gibt, die nicht in die Öffentlichkeit gelangen und somit andere Pferde aus der Umgebung gefährden, was meistens auch eine weitere Ausbreitung des EHV bedeutet. Hier sollte entsprechende Aufklärung betrieben werden.

Wir sehen die FN als Bundesverband für Pferdesport und Pferdezucht hier in der Verantwortung, sei es bei Vorsorgemaßnahmen (Impfstoff und Impfpflicht) als auch durch Veröffentlichung aktueller Fälle in einem allgemein zugänglichen Register, damit eine weitere Verbreitung des Virus eingedämmt werden kann.

Am 21.07.2016 veröffentlichten Sie "Information zu Herpesfällen in Hessen": Hier heißt es im ersten Absatz: „Da die Krankheit nicht anzeige- oder meldepflichtig ist, stellt es sich sehr schwierig dar, gesicherte Informationen zu erhalten."

Wir möchten Sie in diesem Zusammenhang daraufhinweisen, daß wir Ihnen bereits am 11.07.2016 gesicherte Informationen telefonisch mitgeteilt haben !

Mit freundlichen Grüßen
Reitanlage Meilinger
Obertiefenbach, Hessen

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