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Disziplinarverfahren Ulrike Prunthaller: Ein Freispruch, der tief blicken lässt
10.08.2016

Ulrike Prunthaller mit Edda Schmidt vom Bartlgut.
Ulrike Prunthaller mit Edda Schmidt vom Bartlgut. / Foto: Bartlgut

Am 8. August trat in Wien der zuständige Strafsenat des Österreichischen Pferdesport-Verbandes unter dem Vorsitz von Dr. Günther Dobretsberger zum dritten Mal zusammen, um in der Disziplinarverhandlung gegen Ulrike Prunthaller zu einem Urteil zu kommen. Es war die dritte Verhandlung in dieser Sache, und endlich war es gelungen, die beiden zentralen Belastungszeuginnen – eine Reiterin und eine Pferdebesitzerin aus Luxemburg – zu vernehmen. Ihre schriftliche Darstellung, wonach Ulrike Prunthaller bei einem Dressurturnier in Weikersdorf im Februar dieses Jahres ihr Pferd Bartlgut’s Dior vorsätzlich gegen die Bande geritten und dabei das Pferd verletzt habe, war der Auslöser für dieses Verfahren und der zentrale Vorwurf gegen die Beschuldigte.

In den vorangegangenen Zeugenbefragungen der beiden ersten Verhandlungen konnte diese schwere Anschuldigung nicht erhärtet werden – weder von Seiten des Stewards bzw. der Richter, noch von Seiten anderer anwesender Reiter oder Trainer. Sie alle stützten die Darstellung von Ulrike Prunthaller, die angab, daß an der langen Seite der Abreitehalle ihr Pferd plötzlich erschreckt und nach vorwärts durchgegangen sei, in Richtung kurzer Seite, wo sich auch die Fenster zum Stüberl befanden. Um das Schlimmste zu verhindern und wieder Kontrolle über das Pferd zu erlangen, habe sie dieses stark zurücknehmen müssen. Im Zuge dieses Zwischenfalls sei es zu jener leicht blutenden Verletzung gekommen, aufgrund derer sie auf ihren folgenden Start verzichtete – vermutlich habe sich das Pferd auf die Unterlippe gebissen.

Mit umso größerer Spannung wartete man nun auf die Aussagen der beiden Haupt-Belastungszeuginnen, doch schon die erste Einvernahme brachte eine handfeste Überraschung: Die Zeugin gab – auch zur Überraschung des Senats – an, den Vorfall selbst nicht bzw. nicht vollständig beobachtet zu haben. Sie habe in diesem Moment gerade nachgegurtet, einen „dumpfen Knall“ gehört und beim Aufblicken Fr. Prunthaller mit ihrem Pferd unmittelbar vor der Bande bzw. dem Fenster der kurzen Seite gesehen. Die zweite Zeugin – die lt. eigener Auskunft tatsächlich alles persönlich mitverfolgt hatte – blieb im Wesentlichen bei ihrer schriftlichen Stellungnahme, wenngleich manche Details irritierten: So war etwa erstmals von einem heftigen Sporeneinsatz am Beginn des Vorfalls zu hören – in der schriftlichen Darstellung war davon keine Rede gewesen. Zudem war aus manchen Nebenbemerkungen eine gewisse Antipathie gegen die Beschuldigte bzw. ihre Reitweise herauszuhören, die zu einer einseitigen Wahrnehmung bzw. Interpretation des Vorfalls durch die Zeugin geführt haben könnte.

Am Ende blieb dem Senat – der erkennbar um Objektivität und Fairness bemüht war und seine Sache insgesamt gut gemacht hat – nichts anderes übrig, als die Beschuldigte Ulrike Prunthaller freizusprechen. Von den beiden wichtigsten Belastungszeuginnen blieb nur eine übrig – während eine ganze Reihe weiterer Zeugen klar die Darstellung der Disziplinarbeschuldigten unterstützte. Diese entspreche auch, so der Vorsitzende Dr. Günther Dobretsberger, der nachvollziehbaren Lebenswirklichkeit und -erfahrung, insbesondere im Turniersport. Es komme zweifellos häufig vor, daß sich Pferde erschrecken und der Reiter wieder die Kontrolle über sie gewinnen muss, wie es Fr. Prunthaller beschrieben hat. Hingegen sei es wenig glaubhaft und kaum nachvollziehbar, daß eine Reiterin ihr Pferd, aus welchen Gründen auch immer, vorsätzlich gegen eine Bande mit einem Fenster darüber reitet – noch dazu unter Anwesenheit mehrerer Personen und eines Stewards – mit dem Risiko, nicht nur dem Pferd, sondern auch sich selbst schwerste Verletzungen zuzufügen, und dies alles unmittelbar vor Einritt in eine Dressurprüfung.

Die spannendere Geschichte: Wieso gab es dieses Disziplinarverfahren?

Sachlich und unter Ausblendung aller Emotionen betrachtet war das sogenannte „Disziplinarvergehen“ vermutlich ein Vorfall, wie er sich auf Turnieren zweifellos immer wieder ereignet – und der auch in Weikersdorf kein großes Aufsehen erregt hat. Die Dimension, die er danach angenommen hat, kam erst im Nachhinein und gewissermaßen von außen hinzu. Denn erst durch eine externe Intervention ist er überhaupt erst zu einem „Disziplinarfall“ geworden – und diese Geschichte ist eigentlich viel spannender als das Verfahren selbst. Denn Ulrike Prunthaller hatte offenbar wieder einmal das Pech, eine Angestellte von Unternehmer Wenzel Schmidt zu sein, dem Intimfeind von OEPS-Präsidentin Elisabeth Max-Theurer, die (fast möchte man sagen: natürlich) auch in dieser Geschichte wieder auftaucht.

Wie das kam? Nun, jene Reiterin, die den Zwischenfall am Abreiteplatz mitbekommen hatte, rief nach ihrem Ritt ihren Trainer zuhause an und erzählte ihm, wie es gelaufen war. Dabei erwähnte sie auch den Vorfall mit Ulrike Prunthaller am Abreiteplatz. Und wie es der böse Zufall will, ist dieser Trainer zugleich auch internationaler Dressurrichter – und mit Elisabeth Max-Theurer offenbar gut bekannt. Sogleich schickte er dieser eine SMS mit folgendem bemerkenswerten Inhalt: „Hallo Sissy, (...) Ich habe eben einen Anruf erhalten, dass Ulrike P. in Weikersdorf in der Abreitehalle so schlimm abgeritten ist, dass ihr Pferd ziemlich heftig aus dem Maul blutete. Auch soll sie ihn mit dem Kopf gegen die Fensterscheibe geritten haben. (...) Ich denke Du sollst das wissen und vielleicht den Steward dazu befragen lassen. (...) Wenn Du weitere Informationen brauchst, kannst Du mich gerne anrufen. Jetzt gibt es mehrere unbefangene Augenzeugen, und man sollte ihr vielleicht doch langsam das Handwerk legen.“ (Ja, so unvoreingenommen spricht ein internationaler Turnierrichter.)

Elisabeth Max-Theurer kontaktierte daraufhin die in Weikersdorf tätige Richterin und Turnierbeauftragte Victoire Mandl, sie möge diesem Vorfall nachgehen und nötigenfalls eine Rote Karte gegenüber Fr. Prunthaller aussprechen. Damit nicht genug, wurde auch der OEPS-Generalsekretär und Sportdirektor Ing. Franz Kager von Fr. Max-Theurer alarmiert und sollte sich nach Weikersdorf begeben, um dort nach dem Rechten zu sehen (was dieser auch tat). Die Turnierbeauftragte Victoire Mandl begann sofort mit ihren Recherchen und Gesprächen, sprach mit Ulrike Prunthaller, mit dem Steward sowie weiteren Reiterinnen – sie alle bestätigten Prunthallers Version des Hergangs. Auch der später eingetroffene Ing. Kager führte diverse Gespräche – und kam offenbar zum gleichen Ergebnis. Trotz mehrfacher Versuche gelang es Fr. Mandl aber nicht, mit jenen beiden Damen persönlich zu sprechen, von denen die schweren Vorwürfe ausgegangen waren: Sie meldeten sich einfach nicht bei ihr. Immerhin hinterließen sie am Sonntag eine kurze handschriftliche Darstellung in der Meldestelle, bevor sie abreisten.

Am Sonntag ersuchte Victoire Mandl einen Tierarzt, das Pferd Bartlgut’s Dior zu untersuchen. Der konnte natürlich kein Blut mehr feststellen – entdeckte aber eine kleine Wunde von etwa 5 mm an der Unterlippe des Pferdes, sonstige äußere Verletzungen (etwa infolge einer Bandenberührung) waren nicht festzustellen. Auch dies schien die Version von Ulrike Prunthaller zu untermauern, wonach sich das Pferd beim Durchgehen auf die Unterlippe gebissen hatte. All diese Aussagen und Erhebungen führten schlussendlich dazu, daß weder die Turnierbeauftragte Victoire Mandl, noch Ing. Franz Kager (der dazu wohl auch nicht berechtigt gewesen wäre) eine Rote Karte oder eine sonstige Disziplinarmaßnahme gegen die beschuldigte Reiterin am Turnier ausgesprochen haben.
Für die Turnierbeauftragte sowie für das Richterkollegium war die Angelegenheit damit abgeschlossen – aber offenbar nicht für den OEPS. Dieser meldete sich – wie die Zeuginnen am 8. August ebenfalls aussagten – unmittelbar nach dem Turnier nochmals per E-Mail und erbat eine weitere schriftliche Darstellung des Vorfalls, um entsprechende disziplinäre Maßnahmen einleiten zu können. Beide Zeuginnen lieferten diese auch umgehend – und so kam es einmal mehr zu einem Disziplinarverfahren „OEPS gegen Ulrike Prunthaller“.

Viele Fragezeichen, verheerende Optik

Angesichts des recht ungewöhnlichen ,Zustandekommens’ dieses Verfahrens, seiner Ergebnisse und seines Ausgangs darf man sehr wohl die Frage stellen, ob dies alles notwendig und zielführend war. Im Wesentlichen waren bereits Victoire Mandl und Ing. Kager am Turnier nach ihren Recherchen zu den gleichen Resultaten und zum gleichen Urteil gekommen, nämlich dass keine disziplinäre Verfehlung von Ulrike Prunthaller festgestellt werden konnte. Der einzige Unterschied bestand in der persönlichen Einvernahme der beiden Belastungszeuginnen – von denen sich letztlich nur eine als echte Zeugin herausstellte, und deren Befragung brachte kaum einen Erkenntnisgewinn.

Wieso es der OEPS dabei nicht bewenden ließ und sich nicht mit dem Urteil der Turnierbeauftragten bzw. des OEPS-Sportdirektors vor Ort zufriedengab, bleibt eines der großen Rätsel dieses Verfahrens. Wieso waren drei Verhandlungstage in drei Bundesländern mit jeweils drei Senatsmitgliedern, umfangreiche Zeugeneinvernahmen (teils mit Flug-Anreise aus dem Ausland, die natürlich der OEPS bezahlen muss) und ein beträchtlicher administrativer und finanzieller Aufwand nötig, um einen Sachverhalt zu beleuchten, der bereits von mehreren Experten am Turnier eingehend untersucht worden war? Und wäre man genauso vorgegangen, wenn es sich bei der Beschuldigten nicht um Ulrike Prunthaller, die Angestellte von Wenzel Schmidt, gehandelt hätte? Hätte OEPS-Präsidentin Elisabeth Max-Theurer (die unglücklicherweise auch in dieser Causa wieder auftaucht) auch bei jeder anderen Betroffenen den OEPS-Sportdirektor und Generalsekretär persönlich aufs Turnier geschickt? Hätte man – trotz eines anderslautenden Urteils durch Turnierbeauftragte und Richter vor Ort – auch gegen eine andere Reiterin dieses Disziplinarverfahren eröffnet? Und wäre es in einem anderen Verfahren denkbar, daß eine wichtige Entlastungszeugin nicht für Ulrike Prunthaller auszusagen wagt, weil sie bei der Ausübung des Reitsports Schwierigkeiten befürchtet?

Jede/r Leser/in möge diese Fragen für sich selbst beantworten. Angesichts der vielen Fragezeichen darf sich der OEPS jedoch nicht wundern, wenn er von Fam. Schmidt öffentlich des Mobbings gegen ihre Reiterin beschuldigt wird – und diese sogar von „systematischem Rufmord“ sprechen kann. Die äußere Optik ist jedenfalls verheerend – und dieser Eindruck wurde noch erheblich dadurch verstärkt, daß die OEPS-Geschäftsstelle mehrfach versuchte, auf das Verfahren Einfluss zu nehmen, die Vernehmung bestimmter Zeugen sicherzustellen – und sogar erwirken wollte, einen Verhandlungstermin zwei Tage (!) vor dem festgesetzten Datum zu verschieben. Aus dem Mail-Verkehr – der dankenswerter Weise in der zweiten Verhandlung am 21. Juni publik gemacht wurde – konnte man tatsächlich den Eindruck gewinnen, es handle sich beim Disziplinaranwalt um einen Sekretär des OEPS, und das wurde schließlich auch dem Senatsvorsitzenden Dr. Günther Dobretsberger zu bunt. In einer Mail an den neuen OEPS-Generalsekretär Dietrich Sifkovits fand dieser klare Worte: „Lieber Didi! Mir liegt der Mailverkehr zwischen Dir und dem Disziplinaranwalt in der Disziplinarsache Ulrike Prunthaller vor. Ich halte dazu der guten Ordnung halber fest, dass gemäß § 2010 ÖTO das Sekretariat des OEPS die Geschäftsstelle des Strafausschusses und des Disziplinaranwaltes ist und sich als solche neutral zu verhalten hat. Es geht keinesfalls an, dass von Dir als einem Mitglied der Geschäftsstelle verfahrensbeeinflussende „Anregungen“ an den Disziplinaranwalt oder sonst wen gegeben werden. Dies setzt die Geschäftsstelle und damit den OEPS dem Anschein der Parteilichkeit aus. Ich bitte, dies allen Damen und Herren der Geschäftsstelle mitzuteilen.“

Da kann ich nur sagen: Chapeau, Dr. Dobretsberger – wie wahr, meint

Ihr

Leopold Pingitzer

Sagen Sie mir ruhig Ihre Meinung: redaktion@propferd.at

Kommentare

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1) conversanotimbro: Sehr, sehr mutig vom Dr. Dobretsberger - hat aber dadurch wahrscheinlich Harakiri für seine weitere Berufung in Angelegenheiten Verband usw gemacht
Sonntag, 28. August 2016
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