Gib der Kolik keine Chance – REACT! 02.09.2016 / News
Dieses Pferd zeigt zwei der klassischen Kolik-Symptome: Es legt sich häufiger hin als gewöhnlich und blickt immer wieder Richtung Bauch bzw. Flanke. / Foto: Redwings Horse Sanctuary Das Logo der REACT-Kampagne in Form einer Stoppuhr soll deutlich machen, daß eine sich abzeichnende Kolik-Erkrankung ein Wettlauf gegen die Zeit ist / Illustration: BHS
Eine neue Informations-Kampagne in Großbritannien soll Pferdebesitzern helfen, Kolik-Symptome frühzeitig zu erkennen und dadurch Pferdeleben zu retten.
Die Kampagne der British Horse Society und der Universität Nottingham wurde gestern (1. September 2016) auf der Gesundheits-Tagung der British Horse Society vorgestellt. Die Konferenz war bis auf den letzten Platz ausverkauft – was wohl deutlich zeigt, wie groß das Interesse der Reiter und Pferdebesitzer am Thema ,Kolik' ist. Tatsächlich bestehen – wie mehrere Studien bestätigt haben – erhebliche Wissenslücken bei der Kolik-Erkennung und der richtigen Interpretation von Kolik-Symptomen. In einer Online-Befragung der Universität Nottingham aus dem Jahr 2015 konnten nur 24,5 % der befragten Pferdebesitzer korrekte Werte für die Atemfrequenz von Pferden angeben – und nur 31 % waren in der Lage, zutreffende Werte für die Atemfrequenz bei Pferden zu nennen. Diese ernüchternden Zahlen waren eine zusätzliche Motivation für die Universität, sich an der aktuellen Informations-Kampagne aktiv zu beteiligen.
Kolik ist die mit Abstand häufigste unnatürliche Todesursache bei Pferden – und der Grund für jeden dritten tierärztlichen Notruf bei Pferden. Von diesen Notruf-Fällen sind zumindest 10 % absolut kritisch – und bis zu 80 % dieser kritischen Kolik-Patienten sterben oder müssen eingeschläfert werden. So sieht die traurige Realität aus.
Um diesen bedrückenden Zahlen entgegenzuwirken, haben sich die British Horse Society und die Universität Nottingham zu einer gemeinsamen Kampagne entschlossen, um Pferdebesitzer über das Thema Kolik detailliert aufzuklären und speziell über die oft unscheinbaren ersten Anzeichen einer Kolik zu informieren. Das wesentliche Ziel der Kampagne ist es, Kolik-Symptome frühzeitig zu erkennen und zu verhindern, daß Kolik-Erkrankungen ein kritisches – und damit lebensbedrohliches – Stadium erreichen.
Herzstück der Kampagne sind eine Reihe von Info-Broschüren und Checklisten, die auf der Website der British Horse Society kostenlos zum Download zur Verfügung stehen: Hier können sich Pferdebesitzer in leicht verständlicher Form und mit vielen anschaulichen Fotos darüber informieren, was Kolik ist, wie man die häufigsten Symptome erkennt, wie man das Kolik-Risiko bei Pferden reduzieren kann, wie man die wichtigsten Vitalwerte seines Pferdes (Temperatur, Herzschlag, Atmung) kontrolliert, wie man sich bis zum Eintreffen des Tierarztes verhalten soll etc.
Die Essenz all dieser Informationen wurde unter dem einprägsamen Motto ,REACT' (,Reagiere') zusammengefasst, der auch der Titel der Kampagne ist. Dabei steht jeder Buchstabe für eines der fünf wichtigsten Merkmale bzw. Symptome einer Kolik:
• R – Restless or agitated (Ruhelosigkeit bzw. Erregtheit)
• E – Eating less or droppings reduced (verringerte Nahrungsaufnahme oder verringerte Ausscheidungen)
• A – Abdominal pain (Bauchschmerzen)
• C – Clinical changes (Veränderungen der Vitalwerte)
• T – Tired or lethargic (Müdigkeit und Lethargie
Im Detail können sich diese fünf Haupt-Symptome durchaus unterschiedlich äußern bzw. darstellen:
– Ruhelosigkeit bzw. Erregtheit: Das Pferd versucht ständig, sich hinzulegen, es wälzt sich immer wieder am Boden, es schwitzt heftig, geht in der Box umher oder geht in der Box ständig im Kreis.
– verringerte Nahrungsaufnahme oder verringerte Ausscheidungen: Das Pferd frisst plötzlich auffallend weniger oder auch gar nichts mehr, es mistet weniger oder gar nicht, die Konsistenz des Kots verändert sich
– Bauchschmerzen: Das Pferd blinkt immer wieder zu seinen Flanken, es scharrt mit den Hufen oder versucht, Richtung Bauch zu treten
– Veränderungen der Vitalwerte: Das Pferd zeigt eine erhöhte Herzschlagrate, es sind weniger oder auch gar keine Darmgeräusche zu hören, die Farbe des Zahnfleisches verändert sich (gesundes Zahnfleisch sollte eine lachsrosa Farbe haben), die Atemfrequenz steigt an, das Pferd hat Hautabschürfungen über den Augen (diese weisen darauf hin, daß das Pferd um sich geschlagen hat und sich dabei mit diesem hervorstehenden Teil seines Gesichts verletzt hat, etwa an den Boxenwänden)
– Müdigkeit und Lethargie: Das Pferd legt sich häufiger hin als gewöhnlich, die Kopf-Hals-Position ist tiefer, das Pferd wirkt abgestumpft und niedergeschlagen
Pferde können jedes dieser Symptome zeigen – und es ist wichtig, daß Pferdebesitzer ihren Tierarzt bereits dann rufen, wenn sie eines dieser Anzeichen bei ihrem Pferd beobachten oder wenn sie irgendetwas anderes beunruhigt. Forschungen der Universität Nottingham haben gezeigt, daß klassische Kolik-Symptome wie etwa das wiederholte Blicken des Pferdes in Richtung Flanke oder Versuche, Richtung Bauch zu treten, nicht in jedem Fall auftreten – und daß wertvolle Zeit dadurch verloren geht, daß die Pferdebesitzer auf eines dieser klassischen Symptome warten, ehe der Tierarzt gerufen wird und eine gezielte Diagnose gestellt werden kann. Einige der genannten Symptome – etwa die verminderte Nahrungsaufnahme oder das verminderte Misten – treten wesentlich häufiger auf und sind daher zur Früherkennung einer Kolik besser geeignet.
Die REACT-Symptome sind, wie die Verfasser betonen, keine vollständige Liste aller möglicher Kolik-Anzeichen, aber sie umfassen fünf Schlüssel-Faktoren in der Gesundheit und im Verhalten von Pferden, denen jedenfalls Beachtung geschenkt werden sollte. Das Logo der Kampagne in Form einer Stoppuhr soll deutlich machen, daß eine sich abzeichnende Kolik-Erkrankung ein Wettlauf gegen die Zeit ist: Sobald die Blutversorgung des Darms oder von Teilen des Darms beeinträchtigt bzw. unterbrochen ist, zählt jede Minute – und je schneller man das Problem erkennt und behandelt, umso besser sind die Überlebenschancen des Pferdes.
Sämtliche Info-Materialien und Broschüren der REACT-Kampagne stehen hier (in englischer Sprache) zum kostenlosen Download zur Verfügung.
Für die REACT-Kampagne haben die British Horse Society und die Universität Nottingham auch dieses interessante Video produziert:
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KommentareBevor Sie selbst Beiträge posten können, müssen Sie sich anmelden...1) balubalu: Danke für diesen tollen Artikel. Als bereits einmal Leidgeprüfter eine hervorragende Erklärung des Sachverhaltes. Freitag, 2. September 2016 Weitere Artikel zu diesem Thema:11.05.2015 - Kolik-Symptome erkennen und richtig reagieren: 12 wichtige Fragen
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Wälzen oder längeres Liegen können Hinweise auf eine Kolik darstellen – das Pferd sollte dann kontinuierlich beobachtet werden. / Symbolfoto: Simone Aumair Leichte Bewegung wie etwa Schritt führen ist in der Regel günstig, wenn der Verdacht auf Kolik besteht. / Symbolfoto: Simone Aumair Pferd in Kolik-Intensivbox mit Infusionsbehandlung und zusätzlicher EKG-Dauerüberwachung. / Foto: Pferdeklinik Tillysburg Viele Kolikformen können erfolgreich konservativ behandelt werden – in manchen Fällen ist jedoch eine Kolik-OP unvermeidlich. / Foto: Pferdeklinik Tillysburg
Kolik ist eine gefürchtete Erkrankung und die mit Abstand häufigste unnatürliche Todesursache bei Pferden. Wie aber erkennt man eine Kolik – und wie verhält man sich als Pferdebesitzer bei Kolik-Verdacht richtig? Mag. Matthias Koller und Dr. Clemens Mahringer geben Antwort auf die wichtigsten Fragen rund um Kolik.
Unter einer „Kolik“ versteht man Schmerzen im Bauchraum. Diese Schmerzen können in verschiedenen Organen lokalisiert sein und verschiedene Ursachen haben:
• Darm: Darmkrampf („Spastische“ Kolik), Verstopfungen, Blähungen, Darmverschluss, etc.
• Magen: Magengeschwüre, Magenüberladung, etc.
• Blase
• Niere
• Eierstöcke
• Bauchfell
• Gallengänge
• Blutgefäße
Es gibt aber auch noch andere Erkrankungen und Zustände, die mit „kolikähnlichen“ Symptomen einhergehen können: z.B. Kreuzschlag, Geburt, Kreislaufprobleme, etc… Woran aber kann man eine Kolik verlässlich erkennen, und wie reagiert man richtig bei Verdachtsfällen? Auf diese und weitere wichtige Fragen geben die Tierärzte Mag. Matthias Koller und Dr. Clemens Mahringer Antwort.
1) Wie erkennt man Kolik?
Die Symptome bei Kolik können durchaus vielfältig sein: Appetitlosigkeit bis hin zur völligen Futterverweigerung, Niederlegen, Festliegen, Wälzen, Umsehen nach dem Bauch, Scharren, Schwitzen, Unruhe, beschleunigte Atmung, häufiger Harnabsatz. Aber auch Müdigkeit, auffallend „ruhiges“ Verhalten und längeres Liegen können auf Kolik hindeuten. Bei sehr hochgradiger Kolik kann es auch zum Einnehmen unnatürlicher Stellungen (Hundesitzige Stellung, sägebockartige Stellung) bis hin zum rücksichtslosen „Sich-Hinwerfen“ kommen.
2) Welche Ursachen gibt es für Kolik?
Die mit Abstand häufigste Ursache sind Futter- und Fütterungsfehler
Weitere Ursachen bzw. Kolik begünstigende Faktoren sind:
• Zahnprobleme
• Parasiten („Würmer“)
• Magen („Magengeschwüre“)
• Infektionen
• Wetter (insbesondere Wetterumschwünge)
• Bewegungsmangel
• Stress
3) Welche Futter- und Fütterungsfehler können zu Kolik führen?
Falsche Futterqualität: Verdorbenes bzw. verschimmeltes Futter (Verstopfungen, Blähungen, Rupturen, Darmentzündungen, Hufrehe,…); zu frisches Heu bzw. zu frischer Hafer (Durchfall, Blähungen, Hufrehe); erwärmtes Grünfutter (Blähungen); faulige Futtermittel (Durchfall, Hufrehe); gefrorene Futtermittel (Durchfall, Hufrehe); Stroh mit hohem Windhalmanteil (Dünndarmverstopfung); Giftpflanzen
Falsche Futterauswahl: Zu rohfaserarme und dafür zu stärkereiche Futtermittel (z.B. Weizen, Roggen,…) – es kommt zu Fehlgärungen, Magen- und Darmkatarrhen, Blähungen, Magenüberladung,…; einseitige Verwendung von rohfaserreichen Futtermitteln (z.B. reine Strohfütterung) – es kommt zu Verstopfungen, v.a. des Blinddarmes und/oder des Grimmdarmes.
Falsche Futterzubereitung: Zu kurz gehäckseltes Stroh (unter 2-3 cm) – Verstopfungen von Dünn-, Blind- und/oder Grimmdarm; zu kurz geschnittenes Gras (z.B. vom Rasenmäher) – Dünndarmverstopfung (verfilzter Darminhalt); nicht eingeweichte Trockenschnitzel – Schlundverstopfung, Magenüberladung, Ruptur.
Falsches Futtermanagement: Zu wenige Mahlzeiten, v.a. auch mit zu großen Mengen leichtverdaulicher Futtermittel (Kraftfutter) – Fehlgärungen im Magen, Übersäuerung des Blinddarms, wechselnde Fresslust, Hufrehe; unkontrollierte, übermäßige Futteraufnahme; plötzlicher Futterwechsel; zu starke körperliche Belastung unmittelbar nach der Fütterung; zu kaltes Wasser für durstige Pferde; zu große Wasseraufnahme während des Fressens; Wassermangel (und vermehrtes Schwitzen).
4) Wie verhalte ich mich bei Kolik?
Eine Kolik ist immer ein Notfall und muss dementsprechend ernst genommen werden. Die Pferde sollten kein weiteres Futter mehr zu sich nehmen (Futter wegnehmen), Wasser darf aufgenommen werden. Ideal ist in den meisten Fällen leichte Bewegung, z.B. Schritt führen. Falls das Pferd nur sehr ruhig ist und nichts frisst, empfiehlt es sich, die Körpertemperatur zu messen (Normal ist 37,5° - 38°), denn immer wieder haben solche Pferde keine Kolik, sondern sie fressen nicht, weil sie Fieber haben. Bei einer Kolik sollte immer ein Tierarzt konsultiert werden.
5) Wie verhalte ich mich bis zum Eintreffen des Tierarztes?
Kein Futter mehr verabreichen bzw. Futter wegnehmen; kontinuierliche Beobachtung des Patienten; leichte Bewegung ist in der Regel günstig (z.B. Schritt führen, selber bewegen lassen auf Reitplatz oder in Reithalle – Pferd darf sich hinlegen und auch wälzen); bei Schwitzen kann das Pferd zugedeckt werden.
6) Worüber sollte man nachdenken?
Kommt eine Einlieferung des Pferdes in eine Klinik in Frage, falls dies sinnvoll und notwendig ist? Für den Fall, dass eine Operation nötig wäre, kommt dies überhaupt in Frage? Wie kann das Pferd schnellstmöglich in eine Klinik transportiert werden? Falls das Pferd im Stall bleibt: Wie kann das Pferd überwacht werden und von wem? Gibt es die Möglichkeit, das Pferd einige Zeit kontinuierlich/regelmäßig zu überwachen – auch in der Nacht?
7) Wird jedes Pferd, das wegen Kolik in eine Klinik kommt, operiert?
Nein, operiert wird nur, wenn es notwendig ist. Aber in einer Klinik kann oft eine umfangreichere und genauere Kolikdiagnostik gemacht werden und dann entsprechend gezieltere Maßnahmen/Therapien durchgeführt werden. Viele Kolikformen können dann durchaus erfolgreich konservativ behandelt werden, z.B. durch die Verabreichung von großen Flüssigkeitsmengen mittels Infusion, etc… Wichtig ist aber, dass das Pferd rechtzeitig in die Klinik gebracht wird. Dies erhöht in der Regel die Heilungschancen erheblich und zwar sowohl für operative als auch für konservative Fälle. Ein Pferd mit Kolik, das nach dem ersten Besuch des Tierarztes nicht geheilt ist, ist im Regelfall ein Patient für die Klinik – es sei denn, dass eine exakte Diagnose gestellt werden kann und die diagnostizierte Kolikform ambulant gut behandelbar ist.
8) Was muss man bei der Fütterung beachten, um Koliken vorzubeugen?
Richtige Fütterung: Besser mehrere kleine Portionen als wenige größere Portionen füttern; Pferde nicht direkt vor dem Reiten füttern; immer zuerst Raufutter (z.B. Heu,…) füttern, dann erst Kraftfutter; nicht zu viel Kraftfutter füttern (Menge sollte sich an der tatsächlichen Arbeitsbelastung des Pferdes ausrichten). Qualitativ gutes Futter und qualitativ gute Einstreu verwenden. Qualitativ gutes Wasser anbieten. Das Pferd sollte 24 Stunden am Tag freien Zugang zu sauberem Wasser haben. Bei kalten Temperaturen empfiehlt es sich, das Wasser zu temperieren, um die Aufnahme von genügend Wasser zu gewährleisten.
9) Was muss ich bei Futterumstellungen beachten?
Etwaige Umstellungen (auch jährlicher Beginn des Koppelganges) sollten immer langsam erfolgen, damit sich das Verdauungssystem des Pferdes (und die darin enthaltene Bakterienflora) allmählich an die neue Fütterung gewöhnen kann. Zu rasche Futterumstellungen sind eine ganz typische Kolikursache.
10) Wie kann man (außer durch korrekte Fütterung) sonst noch Koliken vorbeugen?
• Regelmäßige Zahnkontrollen (mind. 1x jährlich)
• Regelmäßige Kotproben und bei Bedarf Entwurmungen
• Regelmäßige und ausreichende Bewegung
11) Warum sind Parasiten ein Problem?
Parasiten können den Verdauungstrakt erheblich schädigen bzw. die Verdauung stören und zwar durch:
• Entzündungen des Darmes bzw. der Darmwand (v.a. bei Bandwürmern,…)
• Verletzungen der Darmgefäße (z.B. Gefäßverschluss – daraus kann ein Absterben von Teilen der Darmwand resultieren)
• Verstopfungen durch zu viele Parasiten (z.B. bei Spulwürmern,…)
12) Kann man das Entstehen einer Kolik verhindern?
Nein, man kann das Entstehen einer Kolik nicht immer verhindern, aber man kann durch vorbeugende Maßnahmen das Risiko reduzieren; und durch richtiges Verhalten bei Kolik die Heilungschancen verbessern.
Autoren:
Mag. Matthias Koller und Dr. Clemens Mahringer
Pferdeklinik Tillysburg
4490 St. Florian
www.pferdeklinik.at
16.10.2015 - Fünf Faktoren, die auf eine schwere Kolik hinweisen
Fünf Faktoren, die auf eine schwere Kolik hinweisen 16.10.2015 / News
Das Verhalten eines Pferdes lässt Rückschlüsse auf den Schweregrad seiner Schmerzen zu – und ist ein wesentlicher Indikator, um eine kritische Kolik zu erkennen. / Foto: Simone Aumair
Ein britisches Forscherteam hat analysiert, welche Punkte der tierärztlichen Erstuntersuchung auf einen erhöhten Schweregrad einer Kolik hinweisen können. Sie entdeckten fünf wichtige Indikatoren.
Für jeden Pferdebesitzer ist bei Verdacht auf eine Kolik klar: Der Tierarzt muss her – denn eine Kolik ist ein medizinischer Notfall, der rasche Behandlung erfordert. Für den Tierarzt ist eine Kolikuntersuchung eine Herausforderung, denn die Symptome einer Kolik sind nicht immer eindeutig erkennbar und können in unterschiedlicher Stärke und Ausprägung auftreten. Es obliegt dann der Einschätzung und der Erfahrung des Veterinärs, die vorliegenden Symptome korrekt zu interpretieren und insbesondere eine schwere bzw. ernste Kolik von einer weniger schweren, nicht lebensbedrohenden Form oder gar von bloßen Bauchschmerzen aufgrund anderer Ursachen zu unterscheiden. Doch welche medizinischen Indikatoren können bei dieser gravierenden Entscheidung hilfreich sein?
Ein Forscherteam der Universität von Nottingham hat sich dieser Frage gewidmet und mehr als 1.000 Kolik-Verdachtsfälle analysiert, zu denen Tierärzte gerufen wurden und die dabei einer Erst-Untersuchung samt Bewertung unterzogen wurden. Im Zentrum stand die entscheidende Frage, wie Veterinäre bei Kolikverdacht im Rahmen der Erstuntersuchung ernste, schwere Fälle von weniger schweren unterscheiden – eine Frage von zentraler medizinischer Bedeutung, denn die frühe Erkennung schwerer Fälle ist entscheidend für einen erfolgreichen Behandlungsverlauf und das Wohl des Pferdes, so die Forscher. Nach ihrer Aussage war es die erste derartige Studie, die zu dieser speziellen Fragestellung durchgeführt wurde: Nahezu sämtliche Untersuchungen zum Thema Kolik-Diagnose wurden bei Pferden gemacht, die zur genaueren Abklärung bereits in eine Pferdeklinik gebracht und dort näher untersucht wurden. Dadurch wurden vorwiegend Kolik-Diagnosen für Pferde erstellt, die man – nach einer Erst-Abklärung vor Ort – als ernst oder kritisch eingestuft und deshalb an eine Klinik überwiesen hatte. Verdachtsfälle, die lediglich im heimatlichen Stall und nicht in einer Klinik begutachtet und behandelt wurden, kamen so gar nicht ins Blickfeld – ein entscheidender Schwachpunkt bisheriger wissenschaftlicher Studien, so die Autoren. Und diesen Schwachpunkt wollten sie zumindest ein wenig erhellen.
Die Forscher arbeiteten 13 Monate lang mit 167 Tierärzten in ganz Großbritannien zusammen und sammelten Daten von insgesamt 1.016 Krankheitsfällen, zu denen die Veterinäre gerufen worden waren, weil die Pferde Schmerzen im Bauchraum zeigten und somit der Verdacht auf Kolik bestand. Das durchschnittliche Alter der Pferde lag bei 13,5 Jahren – die Altersgruppen reichten von Fohlen bis zu 42-jährigen Oldies. Die durchschnittliche Herzschlagrate bei der Erstuntersuchung lag bei 47 Schlägen pro Minute, mit einer Bandbreite von 18 bis zu 125 Schlägen. Die durchschnittliche Atemfrequenz lag bei 20 Atemzügen pro Minute, mit einer Bandbreite von 6 bis zu 100 Zügen.
Pferde, die auf einfache medizinische Behandlungen positiv ansprachen, wurden als nicht-kritisch eingestuft – Pferde, die intensive medizinische Behandlung oder gar einen operativen Eingriff benötigten, die starben oder eingeschläfert werden mussten, wurden als kritisch eingestuft. Insgesamt konnten 822 Verdachtsfälle einer der beiden Kategorien zugeordnet werden – 628 (76,4 %) waren nicht-kritisch, 194 (23,6 %) waren kritisch.
Bei einer Bewertung des Schweregrades der Bauchschmerzen mittels Verhaltensanalyse auf einer Skala von 0 bis 12 (0 = Minimum, 12 = Maximum) wurden 70,4 % der Fälle als eher leicht (0 bis 6) eingestuft, während 29,6 % als eher schwer (7–12) bewertet wurden. Wie die Forscher herausfanden, überprüften sämtliche Veterinäre das Verhalten und die Schmerzreaktionen der Pferde, um zu einer Diagnose zu gelangen. 98,9 % der Tierärzte überprüften bei ihren Untersuchungen die Herzschlagrate, 89,4 % die Atemfrequenz, 81,4 % die Körpertemperatur (rektal gemessen) und 98,7 % das Vorhandensein von Darmgeräuschen. Eine rektale Untersuchung wurde bei 73,8 % der Pferde durchgeführt, bei 35,6 % wurde eine Nasensonde eingeführt. Bei 18,1 % der Pferde wurde eine Blutprobe für diverse Blut- und biochemische Messungen abgenommen. In einigen Fällen wurden weitere diagnostische Tests durchgeführt, einschließlich einer Ultraschall-Untersuchung (3,4 %), einer Kotprobe (2,5 %) und einer Wurmei-Zählung (2 %).
Von den 628 nicht-kritischen Fällen konnte bei einer großen Zahl – nämlich 497 – bereits nach einmaliger Behandlung Entwarnung gegeben werden. 93 Fälle wurden nach weiteren Arztbesuchen erfolgreich behandelt, 37 nach Überweisung in eine Klinik. Ein Pferd wurde aus anderen Gründen eingeschläfert (hier hat eine ganze Serie diverser medizinischer Probleme die Entscheidung des Besitzers beeinflusst).
Von den 194 kritischen Fällen mussten 135 schon nach dem ersten Tierarzt-Besuch eingeschläfert werden, 1 wurde nach weiteren Visiten eingeschläfert, 23 Pferde wurden nach der Erstuntersuchung in eine Klinik gebracht und kolikoperiert, 16 davon mussten nach der Überweisung eingeschläfert werden, 12 Pferde verstarben, 6 Pferde erholten sich nach konservativer Behandlung – und ein Pferd wurde nach mehreren Besuchen des Tierarztes in die Klinik gebracht und dort kolikoperiert.
Die Gründe für das Einschläfern wurden in 65 Fällen dokumentiert. In 15 Fällen notierte der Tierarzt „Vom Besitzer gewünschtes Einschläfern". In 11 Fällen notierte er „Besitzer kann sich Klinik-Einweisung/Operation nicht leisten". In 7 Fällen kam aufgrund des Schmerzbildes oder des Alters ein Transport in die Klinik oder eine OP nicht in Frage. Kein Effekt von schmerzstillenden Maßnahmen wurde in 30 Fällen als Grund für das Einschläfern angegeben. ,Equine Grass Sickness' (EGS) wurde in zwei Fällen als Grund für das Einschläfern protokolliert.
Nach einer detaillierten Auswertung der Diagnose-Beschreibungen waren es fünf wesentliche Indikdatoren, die – gesamthaft betrachte – bei einer Erstuntersuchung hilfreich sind, um kritische von weniger kritischen Verdachtsfällen zu unterscheiden – nämlich der Schweregrad der Schmerzen, die Herzfrequenz, die Kapillar-Füllzeit, ein schwacher Puls und das Fehlen von Geräuschen in einer oder mehreren Regionen des Bauchraums. Speziell diese fünf Faktoren sollten, so die Forscher, im Rahmen der Erstuntersuchung vom behandelnden Tierarzt genau beachtet und überprüft werden. Insbesondere die Herzfrequenz wurde übereinstimmend als zuverlässiger Indikator für kritische Kolik-Fälle mit starken Schmerzen und hoher Sterblichkeit identifiziert.
Die Forscher sehen ihre Untersuchung aber nur als ersten Schritt – dem weitere folgen sollten: „Obwohl es den Rahmen unserer Studie gesprengt hätte, wären mehr Fakten darüber wünschenswert, aufgrund welcher Tests und Untersuchungen Tierärzte ihre Entscheidungen treffen und warum sie in einigen Fällen diese Tests bevorzugen und in anderen Fällen andere. Auch die Bedeutung weiterer Einfluss-Faktoren wie die Behandlungskosten, der Zustand des Pferdes, die örtlichen Gegebenheiten und die Wünsche des Pferdebesitzers sollten wissenschaftlich aufgearbeitet werden."
Die Studie „Prospective study of the primary evaluation of 1016 horses with clinical signs of abdominal pain by veterinary practitioners, and the differentiation of critical and non-critical cases" von Laila Curtis, John Harold Burford, Jennifer Sara Marian Thomas, Marise Linda Curran, Tom Curtis Bayes, Gary Crane William England und Sarah Louise Freeman wurde in der Zeitschrift ,Acta Veterinaria Scandinavica' am 6. Oktober 2015 veröffentlicht und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.
28.10.2015 - Umfrage: Erhebliche Wissenslücken beim Erkennen einer Kolik
Umfrage: Erhebliche Wissenslücken beim Erkennen einer Kolik 28.10.2015 / News
Beim Erkennen von Kolik-Symptomen, insbesondere aber beim Überprüfen der Vitalwerte, bestehen erhebliche Wissenslücken, so die britischen Forscher. / Foto: Archiv
Britische Wissenschaftler haben eine Online-Umfrage unter Pferdebesitzern durchgeführt, um deren Wissensstand in Sachen Kolik und Kolikerkennung zu erheben. Die Ergebnisse waren ernüchternd.
Kolik ist die mit Abstand häufigste unnatürliche Todesursache bei Pferden – und der Albtraum jedes Pferdebesitzers. Umso wichtiger ist es, die Anzeichen einer Kolik zuverlässig erkennen und rasch reagieren zu können. Je früher der Tierarzt mit einer Behandlung beginnen kann, umso größer sind die Heilungschancen.
Doch wie ist es um die Fähigkeit von Pferdebesitzern bestellt, eine Kolikerkrankung sicher zu erkennen – und damit seinem Pferd bestmögliche Heilungs- und Überlebenschancen zu bieten? Dieser Frage haben sich Wissenschaftler des Instituts für Veterinärmedizin und -wissenschaften der Universität Nottingham angenommen und einen Fragen-Katalog entworfen, um den Wissensstand von Pferdebesitzern rund um das Thema Kolik zu erheben. Ihre Online-Befragung wurde von insgesamt 1.061 britischen Pferdebesitzern vollständig ausgefüllt und anschließend ausgewertet.
Die Ergebnisse waren zumindest in mancherlei Hinsicht besorgniserregend: So gaben lediglich sechs Prozent der Befragten an, daß sie alle Kolik-Arten erkennen könnten; 61 % meinten, sie würden die meisten Kolik-Fälle erkennen – und 30 % sagten, daß sie einige, aber nicht alle Kolik-Fälle erkennen würden. Weiters gaben die Pferdebesitzer an, daß sie bei der Beurteilung von Pferden mit Kolik-Verdacht das Mistverhalten des Pferdes berücksichtigen würden (73 %), Magen-Darm-Geräusche (69 %), Atemfrequenz (62 %) und die Herzschlagrate (50 %). Ein Fünftel (22 %) gab an, umgehend den Tierarzt zu rufen, ohne einzelne dieser Faktoren genauer zu untersuchen.
Beunruhigend war insbesondere, daß ein beträchtlicher Teil der befragten Pferdebesitzer für die wichtigsten Vitalfunktionen entweder gar keine oder nur unkorrekte Werte angeben konnte: 30,4 % waren „unsicher" bezüglich der normalen Herzfrequenz bei Pferden, 35,5 % gaben Herzschlagraten an, die außerhalb der normalen Schwankungsbreiten waren; nur 24,5 % waren in der Lage, korrekte Werte für die Atemfrequenz von Pferden anzugeben – und nur 31 % konnten zutreffende Werte für die normale Körpertemperatur eines Pferdes nennen. Es gab im Übrigen keinerlei statistischen Zusammenhang zwischen dem Alter, der Ausbildung oder der Pferde-Erfahrung der Befragten mit ihrem Wissen über die korrekten Vitalwerte bei Pferden.
Das Resümee der Wissenschaftler sollte jedenfalls zu denken geben: Es zeigten sich bei der Online-Befragung „erhebliche Wissenslücken" bezüglich der normalen Vitalwerte (Herzschlag, Atemfrequenz, Körpertemperatur etc.) bei Pferden. Um diese Wissenslücken zu schließen, wären entweder spezielle Schulungen der Pferdebesitzer oder zumindest die Bereitstellung entsprechender Informationen (Broschüren, Prospekte etc.) überaus hilfreich und sinnvoll.
Die Ergebnisse der Untersuchung „Colic: Horse Owner Knowledge and Experience'"von Bowden A., Brennan M.L., England G.C.W., Burford J.H. und Freeman S.L. ist in der September-Ausgabe 2015 des Equine Veterinary Journal erschienen und kann in Kurzfassung hier nachgelesen werden.
HINWEIS
– Wie man die Vitalzeichen eines Pferdes korrekt überprüft, hat ProPferd in einem ausführlichen Artikel dargestellt, den man hier nachlesen kann.
– Wie man Koliksymptome erkennt und als Pferdebesitzer richtig auf sie reagiert, kann man in diesem Fachartikel nachlesen.
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