News 

Rubrik
Zur Übersichtzurück weiter

Luises Blog: Mein Leben mit einem Muli - die Fortsetzung
28.09.2016 / Blogs

Longieren klappt schon ganz gut...
Longieren klappt schon ganz gut... / Foto: Sophie Geiger
...außer Chaplin hat Lust auf einen kleinen Snack!
...außer Chaplin hat Lust auf einen kleinen Snack! / Foto: Sophie Geiger
Und so schaut es aus, wenn das Muli richtig laut wird!
Und so schaut es aus, wenn das Muli richtig laut wird! / Foto: Sophie Geiger

Drei Wochen sind vergangen, seit Chaplin bei uns eingezogen ist und wir haben viel erlebt. Ich muss zugeben, dass ich eine andere Vorstellung von einem Muli hatte. Ich weiß nicht, wie oft ich gehört habe:  „Der läuft ja wie ein Muli!" oder „Der ist brav wie ein Muli!" Haha. Darüber kann man eindeutig diskutieren. Also ich. Und meine Mädels.
Chaplin ist intelligent und das ist toll. Aber er stellt einen deshalb auch ständig in Frage und ist sehr skeptisch allem Neuen gegenüber. Aber der Reihe nach!

Seinen Koppel-Job mit Diavolo hat er eigentlich ganz gut gemacht und Charly und er sind mittlerweile Freunde. Nachdem er verstanden hat, dass der Kleine kein zerkautes Ohr haben will und auch sonst schon etwas senil und tatterig ist, behandelt er ihn liebevoller und krault ihn sogar ein bisschen. Wenn sich die Beiden länger nicht sehen – mit länger meine ich ungefähr 10 Minuten – wird er von Charly wiehernd begrüßt und damit war die Mission „Finde einen Freund für Charly" erfolgreich!

Aber nach ein paar Tagen hatten wir ein anderes Koppel-Problem. Chaplin war wohl daran gewöhnt, zwischen Stall und Auslauf hin und her zu wechseln, was aber leider bei uns nicht möglich ist. Also hat er das selbst in die Hand genommen und die Regeln geändert.

Ich war gerade am Turnier und bekam einen Anruf von meiner Mama, dass Chaplin krank wäre. Er sei einfach durch den Zaun gelaufen und nach mehreren Versuchen konnte er im Hof wieder eingefangen werden, hat aber richtig geschwitzt und war sehr aufgeregt.  Ich konnte nicht weg, aber unser Tierarzt hat versprochen vorbeizuschauen. Wir haben beschlossen, dass auch Babysitter ohne besondere Talente eine angemessene Behandlung verdienen und ich hab mich schon mit einer hohen Rechnung abgefunden.  Aber er war fit und munter, eben nur ein bisschen nervös. Am nächsten Tag dasselbe Spiel, nach einiger Zeit draußen ist er wieder im Hof herumgelaufen und hat uns alle auf Trab gehalten. Und da haben wir den Grund entdeckt: Bei uns führt eine Straße vorbei und neben Autos, Lastwägen,  Motorrädern, Traktoren und plappernden Radfahrern,  kommt da auch ab und zu eine Kutsche angefahren, die als höchst gefährlich eingestuft wurde und das Muli veranlasst hat, den Elektro-Zaun einfach durchzurennen.  Er hat aber wirklich Angst vor Strom, daher regt ihn das unglaublich auf. Was machen wir also mit dem Ausbrecher-König?

Charly und Diavolo haben das Loch in ihrem Zaun schrecklich gefunden und wohl gedacht, dass sie nicht mehr geschützt sind vor den Feinden außerhalb....sie waren jedenfalls am anderen Ende der Wiese und haben keine Anstalten gemacht auch abzuhauen. In den nächsten Tagen haben wir Chaplin einfach in den Stall geholt, wenn er unruhig wurde und wie ein Stier Anlauf Richtung doppeltem Stromband genommen hat  und dann später wieder hinausgebracht. Das war ein guter Plan. Was dann nämlich passiert ist, war wirklich interessant. Diavolo, dem das ganze Hin und Her deutlich auf die Nerven ging, hat das Muli bei seinen Angstanfällen begleitet und sich immer direkt vor dem Koppeltor eingeparkt, sodass der Zwerg einfach nicht mehr durchlaufen konnte! Pferde sind wirklich außergewöhnlich und warum auch immer Diavolo das macht, das Problem scheint gelöst zu sein: kein Abhauen mehr seit einer Woche!

Sicherheitshalber stand dann spazieren gehen an der Hand auf meinem  Plan, damit er sich wenigstens am Hof auskennt, wenn er schon unbedingt alleine da herumlaufen muss. Chaplin hat am Anfang gerne die Führung übernommen und einen am Strick  hinterher geschliffenen Menschen für vollkommen normal gehalten. Also war das auch ein bisschen eine Aufgabe für mich und mit Hilfe von Leckerlies hat er schnell verstanden, dass er bei mir bleiben muss. Wir haben den ganzen Hof erkundet und das klappte schon wirklich gut. Bis wir zu den Siloballen gekommen sind. Solange ich auf der Seite bei den Ballen war, war das ganz ok, aber er wollte selber nicht näher hin. Also haben wir uns mit Keksen hingearbeitet und er hat sie beschnuppert, worauf ich gedacht habe, es wäre alles in Ordnung. Bis ich dann mit der Hand draufgeklopft habe und mitten im Satz „Das sind doch nur Silobaaaaaaaaaaaa........" von einem davonstürmenden Muli unterbrochen wurde. Ich habe nicht gewusst, dass ich so große Schritte machen kann, wenn ich an einem Seil hänge und nicht auslassen will. In Anbetracht seines schwarzen Hinterteils war die Länge des Parelli-Seils doch nicht mehr wirklich ausreichend und ich war richtig froh, als wir nach einer längeren Geraden endlich einen Zaun erreicht haben!  Die Kurve hat mich gerettet, das Muli wurde wieder gebändigt und ich hab ihm ein Keks gegeben. Nicht weil er brav war, das war er ja nicht, sondern weil ich nicht durch den Hof laufen  und laut „Muli frei!" rufen musste.   

Die Koppel, auf der die drei Helden den ganzen Nachmittag verbringen, liegt direkt neben dem Viereck. Ich muss jetzt nicht extra erwähnen, dass unsere Dressurpferde beim Anblick des Langohrs ziemlich irritiert waren und dass die erarbeitete Durchlässigkeit innerhalb kürzester Zeit nicht mehr vorhanden war. Chaplin hatte bald ein Opfer zu verzeichnen, da eines der Pferde beschlossen hat, ohne seine Reiterin zum ersten Date zu gehen. Sie wurde kurzerhand buckelnd im Sand abgesetzt, der Wallach hat seine Nase durch den Zaun gesteckt und mit dem Muli geplaudert. Und wir haben Tränen gelacht...

Aber das war noch nicht alles. Nach ein paar Tagen wurden es ruhiger, was der Schwarze nicht so gut gefunden hat. Anfangs stand er immer relativ gelassen am Zaun und hat sich wohl gefragt, warum sich all diese Pferde damit abfinden, einen Reiter zu tragen und keiner mehr versucht, mit ihm Kontakt aufzunehmen. Dann wurde er ein kleines bisschen zornig und hat begonnen, an der langen Seite mit angelegten Ohren hinter den Pferden herzulaufen. Ich bin noch nie so tolle Galoppverstärkungen geritten.  Abgesenkte Hinterhand und deutliches Bergauf, wie man es sich wünscht, allerdings etwas verworfen im Genick und mit Außenstellung, weil man ja den Feind im Auge behalten muss!  

Mulis haben übrigens ein richtig schnelles Hinterbein. Unsere Hunde haben gleich nähere Bekanntschaft damit gemacht und sind jetzt ungewöhnlich vorsichtig. Kratzen und geputzt werden findet Chaplin super, er hat sich auch schnell mit dem Staubsauger angefreundet und genießt die Pflege richtig. Mittlerweile ist er friedlich und wir können auch die Hinterbeine putzen, ohne ständig auf der Lauer zu sein  und vor seinen Hüfchen in Deckung  gehen zu müssen!

Mit dem Longieren war das dann so eine Sache. Vorwärts ging er nur, wenn er wirklich wollte und das war genau eine halbe Runde und dann vor allem nur in eine andere Richtung, als ich geplant hatte. Dann war er eingeparkt wie ein Betonpfahl und alles schnalzen mit der Zunge war für die Katz, berühren mit der Gerte hat er mit Ausschlagen beantwortet und wirklich draufhauen ist ja bekanntlich nicht meines. Also musste ich mir irgendetwas einfallen lassen, weil sonst geht da ja nichts weiter. Er lief an der Hand mittlerweile brav mit, auch im Trab, und ich hab das dann ausgenützt und bin einfach im Kreis mit immer mehr Abstand mitgelaufen. Bis mein Kreis sehr klein war und seiner normal. Das hat geklappt und hält mich fit!

Letzte Woche hab ich ihn dann wieder mal longiert und er hat sofort alles brav gemacht und ist auf der linken Seite auf Anhieb angetrabt wie ein Großer! Ich war so stolz! Bis er dann die Bremse gezogen,  mir kurz einen vielsagenden Blick zugeworfen  und sich genüsslich und ohne Skrupel auf jeder Seite im Sand gewälzt hat. Leider konnte ich nichts dagegen unternehmen, weil ich so lachen musste. Aber anschließend war er wirklich super und ist sogar auf beiden Seiten galoppiert. Ein Muli macht einen bescheiden in den Ansprüchen und das ist gut so.

Er ist mittlerweile ein richtiger Schmuser geworden und läßt sich an den Ohren und am Kopf ohne Probleme angreifen, zumindest von den Menschen die er kennt. Und er hat begonnen, mich zur Begrüßung anzuwiehern. Wenn man das so nennen kann. Es klingt eher wie grunzen oder schnaufen, ich habe es "schnorcheln" genannt. Egal, was es für ein Geräusch ist, er freut sich und es berührt jedes Mal mein Herz.

In den nächsten Wochen sind dann Gurt und Trense an der Reihe – und falls ich das gut überstehe, werde ich gerne davon berichten...

Anja Luise Wessely-Trupp ist als Reiterin und Ausbilderin österreichweit ein Begriff und vor allem für ihre einfühlsame Arbeit mit jungen Pferden bekannt. Auf ihrem Hof im niederösterreichischen Pernitz lebt sie mit ihren Pferden und für ihre Pferde, die ihr über alles gehen und mit denen sie viele spannende, denkwürdige und auch lustige Erlebnisse teilt, über die Sie in Ihrem Blog ,Mein Leben auf vier Beinen’ auf ProPferd berichtet.

Kommentare

Bevor Sie selbst Beiträge posten können, müssen Sie sich anmelden...
Zur Übersichtzurück weiter

 
 
ProPferd.at - Österreichs unabhängiges Pferde-Portal − Privatsphäre-Einstellungen