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Die Augen als Spiegel der Seele: Haben auch Pferde Sorgenfalten?
14.10.2016 / News

Die Fältchen über dem Pferdeauge können Aufschluss über den emotionalen Zustand eines Pferdes geben – doch die Diagnose ist nicht einfach...
Die Fältchen über dem Pferdeauge können Aufschluss über den emotionalen Zustand eines Pferdes geben – doch die Diagnose ist nicht einfach... / Foto: Simone Aumair
Nach diesen sechs Faktoren wurden die Augenfalten beurteilt: Gesamteindruck (oben) und die Deutlichkeit der Augenfalten (unten)...
Nach diesen sechs Faktoren wurden die Augenfalten beurteilt: Gesamteindruck (oben) und die Deutlichkeit der Augenfalten (unten)... / Foto: Sara Hintze et.a.
... weitere Faktoren waren die Form des Augenlids (oben) sowie der Anteil an Augenweiß (unten)...
... weitere Faktoren waren die Form des Augenlids (oben) sowie der Anteil an Augenweiß (unten)... / Foto: Sara Hintze et.a.
... auch die Zahl der Augenfalten (oben) wurde gemessen – doch als zuverlässigster Indikator erwies sich der Winkel zwischen der Augapfel-Horizontalen und dem obersten Augenfältchen (unten).
... auch die Zahl der Augenfalten (oben) wurde gemessen – doch als zuverlässigster Indikator erwies sich der Winkel zwischen der Augapfel-Horizontalen und dem obersten Augenfältchen (unten). / Foto: Sara Hintze et.a.

Schweizer Wissenschaftler haben analysiert, ob die Falten über dem Pferdeauge auf deren Gemütszustand und Wohlbefinden schließen lassen. Die Studie liefert spannende Hinweise – zeigt aber auch, wie schwierig dieses Unterfangen ist...

 

Jeder Pferdebesitzer weiß es – und längst hat es auch die Wissenschaft nachgewiesen: Aus dem Gesichtsausdruck eines Pferdes kann man – ähnlich wie beim Menschen – verlässlich auf seine emotionale Befindlichkeit und seinen Gemütszustand schließen, ob sie leiden oder sich freuen, ob sie gestresst sind oder ob sie Schmerzen haben. So konnte im Vorjahr ein Wissenschaftler-Team aus Italien, Deutschland und Großbritannien ein Bewertungssystem entwickeln, mit dem sich verlässlich der Schmerzzustand eines Pferdes anhand seines Gesichtsausdrucks ablesen ließ. Die Wissenschaftler bezeichneten dieses System als ,Horse Grimace Scale' – also die ,Skala des Schmerzausdrucks' beim Pferd (siehe auch unseren ausführlichen Bericht zu dieser Studie).

Ein wichtiger Indikator dafür, ob ein Pferd Schmerz empfindet, waren in diesem System auch die Augenfalten – also die kleinen Fältchen oberhalb des Pferdeauges: Waren diese angespannt bzw. zusammengezogen, so war dies, gemeinsam mit weiteren Anzeichen, ein verlässlicher Hinweis, daß das Pferd Schmerzen hat. Nun haben sich Wissenschaftler der Abteilung Tierschutz der Universität Bern mit Experten vom Schweizer Nationalgestüt Agroscope in Avenches und Kollegen aus den USA und Grossbritannien und den USA diesem offenkundig so aussagekräftigen Indikator noch detaillierter gewidmet und im Rahmen eines bemerkenswerten Forschungsprojekts analysiert, ob man aus den Augenfalten von Pferden nicht nur Rückschlüsse auf ihren Schmerzzustand, sondern auch generell auf ihre emotionale Befindlichkeit und somit auch auf ihr Wohlbefinden ziehen kann.

Vor der eigentlichen Versuchsreihe wurde anhand von Bildern der Augenpartie von Pferden eine Bewertungs-Skala entwickelt, mit deren Hilfe unterschiedliche Aspekte der Augenfalten (Anzahl, Ausprägung, Winkel, etc.) möglichst objektiv und zuverlässig beurteilt werden konnten. Bei den Versuchen selbst wurden insgesamt 16 Pferde mit zwei angenehmen, emotional positiven Situationen (Putzen und bevorstehende Fütterung) sowie zwei unangenehmen, emotional negativen Situationen (Fütterung des Nachbarpferdes, Erschrecken mit einer Plastiktüte) konfrontiert. Jede der vier Versuchs-Situationen wurde in zwei Phasen unterteilt – eine Kontroll- und eine Ausführungs-Phase, die jeweils 60 Sekunden dauerten. Während der gesamten Versuchsdauer wurden mehrere Bilder der Augenpartie gemacht – also Fotos während der Ausführungs-Phase (also in einer emotional positiven oder negativen Situation) ebenso wie während der neutralen Kontrollphase. Am Ende wurden die Bilder von zwei Versuchsleitern nach der zuvor entwickelten Skala bewertet – und zwar ,blind', sprich: ohne zu wissen, aus welcher Phase und welcher emotionalen Situation das gerade vorgelegte Bild stammte. Die Skala umfasste insgesamt sechs Punkte – den Gesamteindruck, die Form des Augenlids, die Deutlichkeit der Augenfalten, der Anteil an Augenweiß, die Zahl der Augenfalten sowie der Winkel zwischen der Horizontal-Linie durch den Augapfel und der obersten Augenfalte.

Das interessante Ergebnis: Als einzig verlässlicher, statistisch relevanter Indikator, um auf den emotionalen Zustand eines Pferdes zu schließen, entpuppte sich der Winkel zwischen der obersten Augenfalte und der Horizontalen durch den Augapfel: Dieser Winkel nahm beim Putzen (= emotional positive Situation) ab – und bei der Fütterung des Nachbarpferdes (emotional negative Situation) zu, während er bei den beiden weiteren Situationen (bevorstehende Fütterung, Erschrecken mit einer Plastiktüte) keine Veränderung zeigte. Die anderen fünf Indikatoren zeigten keine statistisch relevanten Veränderungen in den vier getesteten Situationen – waren also nicht in der Lage, Aufschluss über die jeweilige emotionale Situation des Pferdes zu geben. Einzige Ausnahme: Der Anteil an Augenweiß war beim Erschrecken mit der Plastiktüte (= emotional negative Situation) bei mehreren Pferden größer als beim Putzen sowie der bevorstehenden Fütterung (= emotional positive Situationen) – kann also zumindest in einigen Fällen auf einen emotional unangenehmen Zustand für das Pferd hinweisen. Statistisch relevant war dieser Indikator jedoch nicht – ebensowenig wie die anderen vier der Bewertungs-Skala.

Dies zeigt, welch schwieriges Unterfangen es ist, den emotionalen Zustand eines Pferdes anhand seiner Augenfalten bestimmen zu wollen. Für das – objektiv betrachtet – eher bescheidene Untersuchungs-Ergebnis könnte es eine einfache Erklärung geben: daß nämlich die gewählten Mess-Indikatoren nicht vom emotionalen Zustand des Pferdes beeinflusst werden (wogegen jedoch zumindest die deutlichen Ergebnisse eines Indikators sprechen). Vielmehr könnten – wie die Wissenschaftler ausführlich darlegen – mögliche methodische Probleme der Studie dafür verantwortlich sein: etwa, daß die gewählten Test-Situationen zu wenig „emotional" waren, um eine messbare Reaktion zu erzielen – oder daß schlicht die gewählte Mess-Dauer von 60 Sekunden pro Situation zu kurz bzw. daß die Mess-Skala nicht breit genug gewählt war, um emotionale Veränderungen abzubilden.

Lt. den Wissenschaftlern haben sich immerhin fünf der sechs Kriterien der Bewertungs-Skala als technisch bzw. methodisch brauchbar erwiesen, um die Ausprägung bzw. den Ausdruck der Augenfalten anzuzeigen. D. h. die vom Team entwickelte Skala kann sehr wohl ein praktikables Werkzeug zur objektiven Erfassung der Ausprägung von Augenfalten in zukünftigen Studien sein. Lediglich ein Kriterium – die Form des Augenlids – erwies sich als wenig aussagekräftig. Dazu die Wissenschaftler: „Wir schlagen daher vor, bei künftigen Studien dieses Kriterium entweder auszuschließen oder es zu überarbeiten und neu zu definieren, um die Treffsicherheit zu erhöhen."

Für Sara Hintze, die diese Studie im Rahmen ihrer Dissertation durchgeführt hat, ist es dennoch positiv, daß im Rahmen dieses Projekt sechs Mess-Indikatoren  entwickelt werden konnten, von denen fünf eine zuverlässige Beurteilung des Augenfalten-Ausdrucks bei Pferden zulassen. Sie betont aber auch, dass nun weitere Forschungen notwendig sind, um herauszufinden, welche Aspekte dieses Augenfalten-Ausdrucks tatsächlich allgemeine Emotionen wiederspiegeln – und welche eher spezifische Zustände und damit zusammenhängende Gefühle reflektieren. Darüberhinaus wäre es wichtig herauszufinden, ob sich die gewählten Mess-Faktoren bei länger andauernden Situationen verändern und als Indikatoren für die Einschätzung des Wohlbefindens von Pferden verwendet werden können. Bei einem Indikator – nämlich dem Winkel zwischen der Horizontal-Linie des Augapfels und der obersten Augenfalte – sei dies in der Studie gelungen – nun müssten weitere Forschungsarbeiten folgen.

Die Studie „Are eyes a mirror of the soul? What eye wrinkles reveal about a horse’ emotional state" von Sara Hintze,, Samantha Smith, Antonia Patt, Iris Bachmann und Hanno Würbel ist im Journal PLoS ONE am 12. Oktober 2016 erschienen (DOI:10.1371/journal.pone.0164017) und kann in englischsprachiger Originalfassung hier nachgelesen werden.

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