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Gastkommentar: Qualitätsverlust in der Spanischen Hofreitschule?
28.10.2016 / News

Dr. Peter Lechner ist Rechtsanwalt und gerichtlich beeideter Sachverständiger in Wien.
Dr. Peter Lechner ist Rechtsanwalt und gerichtlich beeideter Sachverständiger in Wien. / Foto: privat

Aufgrund eines Berichts im ORF-Magazin „Thema“ ist es dem Freundeskreis der Klassischen Wiener Reitkunst wieder gelungen, mediales Interesse zu erreichen und Qualitätsverlust in der Spanischen Hofreitschule anzuprangern.
Als von Jugend an mit dem Pferdevirus Infizierter, zertifizierter Sachverständiger für Pferde im Allgemeinen, langjähriger, ehemaliger Präsident des Tiroler Pferdesportverbandes nach wie vor begeisterter Dressurreiter und aus diesem Grunde auch seit Jahrzehnten auch kritischer Beobachter der Spanischen Hofreitschule in Wien sehe ich mich veranlasst, Stellung zu nehmen.

Angeprangert wird vom „Freundeskreis“ im Wesentlichen, und dies seit Jahren – offensichtlich auch aus teilweise persönlichen Gründen – ein „erschreckender Qualitätsverlust“, den ich auch bei höchst kritischer Betrachtung schlichtweg nicht erkennen kann.

Ich hatte die Gelegenheit, einen Vergleich zwischen den vier klassischen „Hofreitschulen“ in Paris, Bercy, anlässlich einer gemeinsamen Vorstellung zu ziehen und wurde schon dort in meiner Auffassung bestätigt, dass die Spanische Hofreitschule zu Wien die perfektesten Vorführungen aller vier teilnehmenden Hofreitschulen abgeliefert hat.

Vor allem aber die Galavorführung „450 Jahre Spanische Hofreitschule“ hat mich zutiefst beeindruckt; denn trotz der völlig ungewohnten Örtlichkeit, der vielen, bis ans Viereck heran sitzenden Zuschauer und der Anwesenheit der Piber-Stuten und –Fohlen waren die Vorführungen der „Spanischen“ wirklich ausgezeichnet. Dass ein Hengst anbetrachts dieser Umstände seinen Kopf bei den Stuten hatte, kann man dem Lebewesen Pferd wohl nicht verargen, schon gar nicht dem ihn vorstellenden Bereiter, der sein reiterliches Können augenfällig unter Beweis gestellt hat.

Es ist höchst ungerecht und auch sachlich deplatziert, wenn im Zusammenhang mit dem behaupteten Qualitätsverlust Beispiele aufgezeigt werden, die Momentaufnahmen sind und die es nach meiner eigenen Beobachtung immer schon gegeben hat. Ich selbst konnte bereits 1971 in der Olympiahalle in Innsbruck eine ähnliche Situation mitverfolgen, wie sie nunmehr plakativ als negativ im Fernsehen aufgezeigt worden ist.

Immer ist es bei einer derartigen Vielzahl von Personen und Pferden höchst ungerechtfertigt, derartige Momentaufnahmen herauszupicken und auf diesen eine Argumentation aufzuhängen, wo doch gerade hier das Gesamtbild entscheidet.

Objektiv betrachtet hat sich die Qualität der Pferde in den letzten Jahren erheblich verbessert und wurde auch die Qualität der Haltung der Pferde gegenüber früher extrem optimiert. Vom Umbau des Stalles über die Führanlage und die Realisierung des Heldenbergs wurde im Unterschied zu früher eine pferdegerechte Haltung und Ausbildungsmöglichkeit realisiert.

Aber auch bei den reiterlichen Qualitäten konnte ich trotz entgegenstehender Behauptungen keine Qualitätsverluste erkennen. Die reiterliche Qualität ist nach wie vor erstklassig.

Auch wenn aus wirtschaftlichen Gründen Änderungen gegenüber früheren Zeiten vorgenommen werden mussten, weil die Ausgliederung des Betriebes dies zwangsläufig erfordert, so ist auch hier nichts Negatives daraus abzuleiten:

– Es trifft zu, dass mehr Vorführungen als früher stattfinden; dem steht aber entgegen, dass auch die Anzahl der ausgebildeten Pferde erhöht worden ist. So muss keines der Pferde Mehrleistungen gegenüber früher erbringen. Im Gegenteil: Es konnte die Beanspruchung der Pferde dadurch sogar verringert werden.
Für mich ist dabei aber auch nicht nachvollziehbar, warum aus der Anzahl der Vorführungen eine erhöhte Belastung der Pferde abgeleitet werden sollte, wo sich doch Training und Vorführung von der Belastung her kaum unterscheiden.
(Ein Vergleich mit der Belastung von Turnierpferden darf hier gar nicht angestellt werden!)

– Auch der weitere Vorwurf, wonach die Lipizzaner zu wenig „Pausen“ hätten, ist aus meiner Sicht nicht zutreffend; denn es ist zwar richtig, dass seit der Führung des Betriebes durch Frau Gürtler die Winterpausen zur Gänze entfallen und die Sommerpause um 2 Wochen verkürzt worden ist. Dem steht allerdings entgegen, dass durch das Sommerquartier und das Ausbildungszentrum am Heldenberg für jedes Pferd jährlich 4 Monate „Erholung“ geboten wird, weil dort für jedes Pferd Paddockboxen, ausreichender Koppelgang und Ausreiten im Gelände gewährleistet werden. Mittlerweile werden die Lipizzaner der Hofreitschule sogar in Wien im Burggarten ausgeritten!  
Auch werden zu den Zeiten der ehemaligen Winterpause nur die Morgenarbeit, nicht jedoch Abendvorführungen durchgeführt!

– Sowohl Oberst Hans Handler als auch Brigadier Kurt Albrecht, deren persönliche Bekanntschaft ich machen durfte und deren reiterliche Kompetenz ich nach wie vor hoch schätze, haben die Auffassung vertreten, dass ein Abreiten vor der Vorführung im Schritt genügt. Die gegenteiligen Erkenntnisse der Trainingslehre wurden zwischenzeitlich unter der Leitung von Frau Gürtler realisiert und in der Sommerreitbahn nicht nur die größte Schrittmaschine Europas installiert, sondern auch eine Überdachung angebracht, sodass die Pferde vor den Vorführungen adäquat aufgewärmt werden können. 

– Nicht haltbar erscheint mir auch die Kritik an den Vorführungen „A Tribute to Vienna“ unter Beteiligung der Wiener Sängerknaben oder der Wiener Philharmoniker, denn dass hervorragende und weltweit geschätzte Kulturgüter gemeinsam präsentiert werden, kann bei objektiver Betrachtung wohl nur als unterstützenswert und vorteilhaft gesehen werden. Insgesamt erscheint mir eine negative Darstellung der Qualität der Spanischen Hofreitschule gänzlich ungerechtfertigt.

Schließlich sollte in diesem Zusammenhang auch aufgezeigt werden, dass statt wöchentlich 2 „Stehtagen“ nunmehr nur einer pro Woche verbleibt!
Keinesfalls möchte ich missverstanden werden; denn ich stehe immer dazu, dass Kritik Positives bewirkt. Dass aber gerade der Freundeskreis – zumindest für mich erkennbar – nur negative Kritik anbringt, die in der vorliegenden Form keinesfalls berechtigt ist, sollte zu denken geben. Eine derartige Vorgangsweise schädigt den Ruf eines international anerkannten Institutes und eines der Kulturgüter Österreich. Selbstverständlich würde auch ich mir wünschen, dass der Bund ein derartiges Unternehmen eingliedert oder nach Kräften subventioniert. Nachdem dies aber nicht im notwendigen Umfang der Fall ist, musste die Geschäftsführung jedenfalls betriebswirtschaftliche Aspekte zugrunde legen und Veränderungen vornehmen. Dass unter größtmöglicher Schonung der Pferde und unter Bedachtnahme auf deren Wohl noch dazu eine Vergrößerung der Anzahl der Vorführungen bewirkt wurde, hat einen mehr als positiven Nebeneffekt; denn dadurch kommen noch mehr interessierte Gäste in den Genuss dieser einmaligen Institution.

Mag. Dr. Peter Lechner

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