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Deutsche Universität will Diphtherie-Gegenmittel ohne Pferde herstellen
30.11.2016 / News

Die Technische Universität Braunschweig möchte ein Diphtherie-Gegenmittel entwickeln, das nicht aus dem Blut von Pferden gewonnen werden muss, sondern im Labor hergestellt werden kann.
Die Technische Universität Braunschweig möchte ein Diphtherie-Gegenmittel entwickeln, das nicht aus dem Blut von Pferden gewonnen werden muss, sondern im Labor hergestellt werden kann. / Foto: PETA

Das PETA International Science Consortium Ltd. unterstützt ein Forschungsprojekt der TU Braunschweig, das tausende Pferde vor der qualvollen Produktion von Diphtherie-Antitoxinen bewahren soll.

 

Jahr für Jahr werden tausende Pferde als lebende Produktionsmaschinen von Antitoxinen (Gegengiften) eingesetzt. Diese Antitoxine werden aus dem Blut der Pferde isoliert, nachdem den Tieren wiederholt Giftstoffe wie das Diphtheriegift injiziert wurden. Viele dieser Pferde werden auf indischen Farmen gehalten. Im Rahmen kürzlich durchgeführter Überprüfungen vor Ort wurde festgestellt, dass die Tiere grob vernachlässigt waren und nicht ausreichend medizinisch versorgt wurden (siehe unseren Bericht dazu). Die Pferde wiesen Anzeichen von Lahmheit, Blutarmut, Hufkrankheiten, Augenauffälligkeiten sowie Unterernährung auf. Schwerkranke und ältere Pferde wurden in engem Kontakt zu anderen Tieren gehalten und die Verantwortlichen ließen sie langsam sterben, anstatt sie einzuschläfern. Die auf diesen Farmen produzierten Antitoxine werden in die ganze Welt exportiert und entsprechend genutzt.

Das geplante Forschungsprojekt möchte die Produktion von Diphtherie-Antitoxinen auf solchen „Blutfarmen" überflüssig machen und einen Herstellungsweg entwickeln, der ohne den Einsatz von Pferden auskommt. Bei dem neuen Verfahren werden rekombinante menschliche Antikörper im Labor hergestellt, die das krankheitsauslösende Diphtheriegift blockieren.

Die Entwicklung dieser und anderer rekombinanter menschlicher Antitoxine ist – darin sind sich zahlreiche Experten einig – von höchster Bedeutung für den Menschen: Die Serumkrankheit tritt häufig in Zusammenhang mit von Pferden gewonnenen Antitoxinen auf und wäre hierdurch vermeidbar. Zudem könnte der weltweiten Knappheit an Diphtherieantitoxin entgegengewirkt werden.

Das PETA International Science Consortium Ltd. stellt dem Institut für Biochemie, Biotechnologie und Bioinformatik der Technischen Universität Braunschweig (TUBS) 134.000 Euro zur Verfügung und setzt auf die Sachkenntnis von Forschungsleiter Prof. Michael Hust im Bereich der Entwicklung menschlicher Antitoxine. „Das Konsortium freut sich sehr, die unerlässliche Arbeit der Technischen Universität Braunschweig zur Herstellung von Humanmedikamenten zu unterstützen, die sicherer und effektiver sein werden und in ihrer Entwicklung ohne die Nutzung von Pferden auskommen", so Toxikologie-Experte Dr. Christopher Faßbender des Konsortiummitglieds PETA Deutschland e.V.

Hintergrund
Diphtherie ist eine hoch ansteckende Infektionskrankheit, die vor allem im Kindesalter auftritt und zu Atemnot sowie schweren Schäden der Nieren, des Nervensystems und des Herzens führen kann. Im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert war Diphtherie eine der häufigsten Todesursachen bei Kindern. Von 1881 bis 1886 starben in Preußen jährlich durchschnittlich 25.000 Säuglinge und Kleinkinder bis drei Jahre an den Folgen der Infektion. Der Diphtherie-Erreger wurde 1994 von Friedrich Löffler entdeckt – und bereits 1890 gelang es dem Berliner Stabsarzt Emil Behring und dem japanischen Bakteriologen Shibasaburo Kitasato, die Möglichkeit und den Weg zu einer wirksamen Immunisierung aufzuzeigen – und zwar durch die Gewinnung eines Gegenmittels aus dem Blut immunisierter Tiere. An dieser grundsätzlichen Produktions-Methode hat sich bis heute wenig geändert. Für seine Leistungen bei der Entwicklung des Diphtherie-Heilserums wurde Behring 1901 mit dem erstmals verliehenen Medizin-Nobelpreis geehrt.

Dennoch war die Diphtherie noch lange nicht besiegt: 1921 wurden nach Zahlen des ,Center for Disease Control and Prevention' in den USA noch 206.000 Fälle von Diphtherie gemeldet, die zu 15.520 Todesfällen führten. Es dauerte bis zum Jahr 1923, bis ein geeignetes Mittel zur gefahrlosen aktiven Immunisierung (Schutzimpfung) durch den Franzosen Gaston Ramon entwickelt werden konnte. Erst ab diesem Zeitpunkt konnte mit großangelegten Impf-Kampagnen die Ausbreitung der Erkrankung auf der ganzen Welt wirkungsvoll zurückgedrängt werden. Während 1980 weltweit noch rund 100.000 Krankheitsfälle registriert wurden, so waren es 2015 nach den Aufzeichnungen der WHO (World Health Organisation) nur noch 4.778, der größte Teil davon in Subsahara-Afrika sowie in Indien und Indonesien. Die Todesrate bei einer Diphtherie-Infektion liegt zwischen 5 und 10 %.

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